- Vermeintlich kleinere Risiken führen zu einer großen Zahl meldepflichtiger Arbeitsunfälle.
- Zur Prävention müssen strukturierte Arbeitssicherheits-Konzepte entwickelt werden.
- Regelmäßige Sicherheitsunterweisungen sind wichtig, da häufig Fehler Einzelner zu Unfällen führen.
Arbeitsunfälle und Gesundheitsgefahren gehören für Mitarbeiter im Umfeld der chemischen Industrie zu den Alltagsrisiken. Zu denken ist beispielsweise an Unfälle beim Umgang mit Maschinen oder Walzen, an Unglücksfälle bei Tätigkeiten mit gefährlichen Substanzen oder an Feuergefahren. Auch negative gesundheitliche Folgen durch das Einatmen von Lacken und Lösungsmitteln sind nicht zu unterschätzen: Hier werden Auswirkungen wie Allergien oder sogar Krebserkrankungen meist erst langfristig virulent. Um die Sicherheit im Hinblick auf sämtliche Gefahrenpunkte zu erhöhen, ist für Unternehmen ein strukturiertes Vorgehen unerlässlich. Wie in vier Schritten ein punktgenaues Konzept entwickelt wird, erläutert ein Praxisguide von U-Tech.
Trotz Maßnahmen viele Unfälle
Die mannigfaltigen Aktivitäten der vergangenen Jahrzehnte im Bemühen um maximalen Arbeitsschutz machen sich numerisch deutlich bemerkbar: Erhöhte Sicherheitsstandards haben dazu geführt, dass die Unfallzahlen im Lauf der Zeit erheblich gesenkt werden konnten. Initiativen aus Politik, Berufsgenossenschaften und Verbänden haben hier wertvolle Anstöße gegeben – auch in Verbindung mit novellierten Gesetzen und Verordnungen. Gleichzeitig gehen zahlreiche Bemühungen direkt von Unternehmen aus, die ihre Beschäftigten optimal schützen wollen.
Trotz alledem ereigneten sich im Chemieumfeld laut aktuellem Jahresbericht der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) immer noch rund 15.000 Unfälle im Jahr 2021. Das ergibt eine Summe von 15 meldepflichtigen Arbeitsunfällen pro 1.000 Beschäftigten – eine durchaus besorgniserregende Zahl. Das im Rahmen von Initiativen wie der Vision Zero gesetzte Ziel einer Welt ohne Arbeitsunfälle ist somit noch in weiter Ferne. Nicht einberechnet sind dabei ferner die in der hiesigen Branche durchaus verbreiteten Gefährdungen, die potenziell langfristige gesundheitliche Konsequenzen haben.
Um überall die richtigen Präventionsmaßnahmen zu treffen, ist die Entwicklung strukturierter Konzepte für Arbeitssicherheit notwendig. In vier Schritten legen Unternehmen die Grundlage für besseren Schutz für Leib und Leben:
Vision Zero
Die Vision Zero Initiative ist eine global aufgestellte Community. Sie motiviert Unternehmen, auf eine Welt ohne Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten hinzuarbeiten. Hinter der Initiative stehen Organisationen, die sich auf außerordentliche Weise für dieses Ziel engagieren.
1. Gefährdungsbeurteilung
Der erste Schritt auf dem Weg zu besserem Arbeitsschutz ist die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung. Sie legt die Basis für systematisches Sicherheits- und Gesundheitsmanagement in Unternehmen. Dabei werden sämtliche potenzielle Gefahren identifiziert und bewertet. Hierzulande sind Gefährdungsbeurteilungen im Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben. Darüber hinaus sind europäische Richtlinien und nationale Gesetzgebung oder Vorschriften im jeweiligen Land zu beachten.
Bewertet werden alle Firmenbereiche und Gefahrenarten. Da häufig menschliche Fehler im Hinblick auf Unfälle eine große Rolle spielen, gilt es, entsprechende Risiken zu identifizieren, die schwerwiegende oder sogar lebensbedrohende Folgen haben können.
2. Sicherheitstechnologie und -ausrüstung
Der Einsatz von Technologie hilft, Unfälle zu vermeiden. Das gilt besonders da, wo Menschen direkt an Maschinen oder an Walzen arbeiten. Im Recycling lassen sich Ballenpressen heute durch spezielle Personenschutzsysteme so absichern, dass Maschinen im Gefahrenfall automatisch abschalten. Damit wird deutlich: Die Technik kann lebensrettend sein – daher ist es elementar, sie immer auf dem neuesten Stand zu halten. Bei ihrer Auswahl sollte außerdem auf Normen und Zertifizierungen geachtet werden. Dies ist wichtig, um regulatorischen Anforderungen Rechnung zu tragen.
Nicht zuletzt hilft intelligente persönliche Schutzausrüstung (PSA), die Sicherheit zu erhöhen. Diese kommt unter anderem eingebettet in Schutzsystemen an Maschinen oder Walzen zum Einsatz. Zu Technologien für Maschinensicherheit gehört häufig ein am Handgelenk oder am Körper zu tragender Transponder. Die Geräte ermöglichen drahtlose Kommunikation: Sie senden und empfangen Signale und lösen Reaktionen aus – beispielsweise einen automatischen Maschinenstopp im Gefahrenfall.
3. Unterweisung und Schulung
Häufig ist es der „Faktor Mensch“, der mit dem Blick auf Arbeitsunfälle eine tragische Rolle spielt: Denn in der Mehrzahl der Fälle führen erst Fehler des Einzelnen zu folgereichen Ereignissen. Die Beschäftigten müssen daher regelmäßig informiert und sensibilisiert werden – stets zugeschnitten auf die jeweiligen Risikoprofile ihrer Tätigkeit.
Schulungen und Unterweisungen sind die Mittel, um Mitarbeiter über Arbeitsabläufe, Risiken sowie Schutzmaßnahmen umfassend in Kenntnis zu setzen. Das gilt auch für deren Verhalten bei Störungen und Notfällen. Beschäftigte müssen vorbereitet werden, damit sie Sicherheits- und Gesundheitsgefahren erkennen und entsprechend den vorgesehenen Schutzmaßnahmen handeln können.
Darüber hinaus gilt es sicherzustellen, dass vorhandene Sicherheitstechnologien richtig gehandhabt werden: Zu denken ist etwa an Schutzsysteme an Walzen, die im Gefahrenfall für deren automatische Abschaltung sorgen. Da beispielsweise Transponder von den Mitarbeitern selbst überprüft, aufbewahrt und angelegt werden müssen, gilt diesem Punkt ein besonderes Augenmerk.
Realisiert werden Unterweisungen heute häufig in einer Verbindung aus Präsenz-Schulungen und E-Learning-Modulen. Dabei kommen auch multimediale Elemente zum Einsatz. Interessant sind Schulungsvideos oder Gaming-Elemente – hier lernen die Mitarbeitenden spielerisch. Wichtig ist es dabei, klassische und digitale Lerninhalte aufeinander abzustimmen.
4. Kontrollmechanismen
Auch Firmen in der chemischen Industrie müssen interne Routinen für ein Höchstmaß an Sicherheit etablieren – dies wird in der Betriebssicherheitsverordnung gefordert (§ 14 Prüfung von Arbeitsmitteln). Ein Teil davon ist die Kontrolle der Sicherheitsvorkehrungen. Demnach gilt es, Maschinen und technische Mittel wie folgt zu prüfen:
- bereits vor der ersten Inbetriebnahme ebenso wie während des laufenden Betriebs,
- nach den in der Gefährdungsbeurteilung festgelegten Fristen,
- wenn ein Arbeitsmittel Einflüssen ausgesetzt ist, die Schäden verursachen und so zu gefährlichen Situationen führen können,
- nach Ereignissen, die schädigende Einflüsse auf die Sicherheit haben können,
- nach Unfällen, Veränderungen, längerer Nichtbenutzung oder Naturereignissen.
Als Arten der Prüfung von Arbeitsmitteln werden die folgenden vorgegeben:
- Sichtkontrolle (dies muss in der Regel täglich oder vor jeder Benutzung erfolgen),
- Funktionskontrolle,
- technische Prüfung.
Auch die korrekte Durchführung von Unterweisungen muss routinemäßig geprüft werden und bedarf entsprechender Revisionen.
Wer alle vier Schritte noch einmal kompakt und übersichtlich haben möchte, kann den Praxisguide von U-Tech herunterladen: www.u-tech-gmbh.de/praxisguide-2022/