Gerade Einwegverpackungen stehen zunehmend im Fokus der Nachhaltigkeitsdiskussion. Auch wenn in den Supermärkten mittlerweile ein Großteil der Verpackungen voll recyclingfähig ist, so bedeutet dies nicht, dass sie auch recycelt werden. Selbst im „Recyclingland“ Deutschland finden nur etwa 6 % der Kunststoffe aus dem Hausmüll als sogenanntes Post-Consumer-Rezyklat (PCR) ihren Weg in gleich- oder höherwertige neue Produkte. Der größte Anteil von über 65 % wird zur Energiegewinnung verbrannt, mit einem entsprechenden CO2-Impact auf das Klima.
Um dieses Problem zu lösen, müssen wir uns die heutigen Abfallströme ansehen. Voll recycelbare Verpackungen werden nicht präzise genug getrennt. Genau das ist aber notwendig, um Kunststoff hochwertig zu recyceln – so wie es beispielsweise bei PET-Getränkeflaschen über das Einweg-Pfandsystem in Deutschland geregelt ist. Die sortenrein gesammelten Flaschen können anschließend wieder zu neuen Flaschen aus bis zu 100 % recyceltem PET verarbeitet werden.
Unser Haushaltsmüll ist dagegen ein komplexer Abfallstrom aus verschiedensten Produkten, der eine sortenreine Trennung nach Kunststoffsorten, Inhaltstoffen und Verwendung der Verpackung (beispielsweise Lebensmittel, Medikamente oder Chemikalien) jedoch heute noch nicht zulässt. Am Ende entsteht ein minderwertiges Gemisch aus verschiedenen Kunststoffen, dass im Recycling schon aufgrund unterschiedlicher Schmelztemperaturen nur sehr bedingt einsetzbar ist. Es fehlt an Information, um Abfall in entsprechende Fraktionen zu sortieren und so zu einem wertvollen Rohstoff für neue Produkte zu verwandeln.
Kunststoffrecycling: Der große Überblick
Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.
Produktpass für sortenreine Fraktionen
Genau diese Informationen liefert R-Cycle, und das Beste dabei ist: Sie liegen bereits vor. Bei der Herstellung erfassen, schreiben und analysieren Produktions- und Abfüllmaschinen sowie ERP-Systeme alle denkbaren Informationen rund um ein Produkt. Man muss nur die relevanten Daten aggregieren und entlang der Wertschöpfungskette weitertransportieren. Das Vehikel dafür ist der sogenannte digitale Produktpass.
R-Cycle schafft so die Grundlage für einen hochentwickelten Recyclingprozess, indem bei der Herstellung von Kunststoffprodukten recyclingrelevante Eigenschaften automatisch in einem offenen Standardformat erfasst werden. Diese werden über entsprechende Markierungen (beispielsweise digitale Wasserzeichen oder QR-Codes) auf Vor- und Endprodukten abrufbar gemacht. Digitale Wasserzeichen sind für das menschliche Auge unsichtbare Codes, die über die gesamte Oberfläche einer Kunststoffverpackung verteilt werden und von industriellen Kamerasystemen oder per Smartphone gelesen werden können. Anhand dieser Zusatzinformationen können industrielle Abfallsortieranlagen wiederverwertbare Verpackungen sekundenschnell identifizieren und recyclingfreundliche und sortenreine Fraktionen bilden. Die Kombination aus vollständig recycelbaren Verpackungen und Lebenszyklusdaten aus dem digitalen Produktpass für ein präzises Abfallmanagement ist der Schlüssel zur Gewinnung hochwertiger Rezyklate, um einen echten Stoffkreislauf innerhalb der gleichen oder gleichwertigen Anwendung zu schaffen. R-Cycle wurde von verschiedenen Technologieunternehmen und Organisationen entlang des gesamten Lebenszyklus von Kunststoffverpackungen zur Marktreife entwickelt. Aktuell zählt die Community über 25 Partner. R-Cycle ist mit jedem System oder jeder Produktionsanlage vernetzbar, von Folien- oder Spritzgussmaschinen über Verarbeitungs-, Druck- und Abfüllmaschinen bis hin zu Abfallsortier- und Recyclinganlagen
Globale Standards für offenen Datenaustausch
Die Rückverfolgungstechnologie hinter R-Cycle basiert auf GS1-Standards – dem führenden globalen Netzwerk für branchenübergreifende Prozessentwicklung und Gründungsmitglied von R-Cycle. GS1-Standards werden täglich für mehr als 6 Mrd. gescannte Barcodes verwendet. Die zugrundeliegende Technologie – der sogenannte EPCIS-Standard – kommt bereits in verschiedenen Branchen weltweit zum Einsatz.
Unter dem Dach von GS1 Germany wurde Anfang 2022 das Projekt PDS 4 Circular Plastics (Processes and data sharing approach for enabling circular plastics value networks) gestartet. Ziel ist eine GS1-Anwendungsempfehlung zu erarbeiten, die die recycling-relevanten Prozessschritte in der Produktion beschreibt und die erforderlichen Attribute für den Datentransfer entlang der Wertschöpfungskette darstellt. Das Projekt basiert auf den Erkenntnissen der R-Cycle Initiative zur automatisierten Speicherung recycling-relevanter Daten in digitalen Produktpässen und bildet den Ausgangspunkt für kreislauffähige Prozesse und deren Operationalisierung.
Effiziente Produktion mit digitalem Produktpass
Neben der effektiven Verbesserung der Produktnachhaltigkeit profitieren Hersteller und Verarbeiter von Kunststoffverpackungen auch in Bezug auf Prozesseffizienz, Qualität und Erfüllung gesetzlicher Informationspflichten. In der Regel sind mehrere Unternehmen an der Produktion von Kunststoffverpackungen und anderen Produkten beteiligt. Systeme und Maschinen, die mit der R-Cycle Datenplattform vernetzt sind, können aus dem digitalen Produktpass präzise Informationen zu den jeweiligen Vorprodukten beziehen und ihre eigenen Daten entsprechend ergänzen, was einen Mehrwert für die Kunden im nachgelagerten Prozess darstellt.
Auf Basis der Daten aus dem digitalen Produktpass können sich beispielsweise Schneid-, Wickel-, Verpackungs- oder Abfüllanlagen mithilfe von R-Cycle automatisch auf die spezifischen Eigenschaften der zu verarbeitenden Eingangsmaterialien konfigurieren. Das steigert die Effizienz im Produktionsprozess sowie die Produktqualität und reduziert gleichzeitig den Produktionsausschuss. So macht R-Cycle die Produktionsprozesse effizienter, schneller und nachhaltiger.
Ein weiterer Anwendungsfall, bei dem der digitale Produktpass einen Mehrwert liefern kann, ist die Erfüllung (aufkommender) gesetzlicher Informationspflichten, beispielsweise bei der Berechnung des CO2-Fußabdrucks oder im Bereich der Extended Producer Responsibility (EPR). Auf diese Weise können zeitaufwendige manuelle Berechnungen automatisiert werden, um Anforderungen von Gesetzgebern oder Kunden zu erfüllen.
Schlussendlich nutzt R-Cycle das Potenzial der Digitalisierung für nachhaltige Stoffkreisläufe, wie es unter anderem auch im Rahmen des Circular Economy Action Plan der Europäischen Union politisch gefordert wird. Dabei macht der digitale Produktpass alle Informationen aus der Wertschöpfungskette transparent und für alle Prozessbeteiligten nutzbar. Das steigert die Nachhaltigkeit und Effizienz, sowohl bei der Informationsbeschaffung als auch im Produktionsprozess.