Westküste100: Grüner Wasserstoff im industriellen Maßstab.

Westküste100: Grüner Wasserstoff im industriellen Maßstab. (Bild: Westküste100)

Hinter dem Projekt steht ein Investitionsvolumen von insgesamt 89 Millionen Euro. Das bewilligte Fördervolumen zum Projektstart am 1. August 2020 beläuft sich auf 30 Millionen Euro. Damit rückt das Ziel des Reallabor-Projektes, schrittweise eine regionale Wasserstoffwirtschaft im industriellen Maßstab aufzubauen, einen entscheidenden Schritt näher. Insgesamt haben sich zehn Partner zu einem Konsortium zusammengeschlossen: EDF Deutschland, Holcim Deutschland, OGE, Ørsted Deutschland, Raffinerie Heide, Stadtwerke Heide, Thüga und Thyssenkrupp Industrial Solutions, gemeinsam mit der Entwicklungsagentur Region Heide und der Fachhochschule Westküste.

Die Partner planen, grünen Wasserstoff zu produzieren, diesen im Gasnetz zu transportieren, in industriellen Prozessen zu nutzen und unterschiedliche Stoffkreisläufe innerhalb einer bestehenden Infrastruktur zu verzahnen. So soll unter realen Bedingungen die Dekarbonisierung von Industrie, Mobilität und Wärmemarkt getestet werden. „700-MW-Elektrolyse – dies ist unsere Vision und der nächste Meilenstein zur Umsetzung der in der Nationalen Wasserstoffstrategie festgelegten Ausbauziele bis 2030“, so Jürgen Wollschläger, Geschäftsführer der Raffinerie Heide und Koordinator des Projekts Westküste100. „Ab heute werden die Westküste100 Partner gemeinsam an dieser grünen Zukunft arbeiten und ein ökologisch wie ökonomisch nachhaltiges Geschäftsmodell aufbauen. Wir verstehen die Energiewende sektorenübergreifend. Indem Industrie, Wissenschaft und Politik an einem Strang ziehen, wird unsere 700-MW-Vision Realität werden.“

Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther begrüßte die Zusage: „Ich freue mich sehr darüber, dass das Reallabor Westküste100 als erstes Wasserstoff-Projekt der im vergangenen Jahr ausgewählten Gewinner im bundesweiten Ideenwettbewerb den Förderbescheid erhält“, sagte er. Dieses Projekt zeige, wie innovativ in Schleswig-Holstein die Energiewende vorangetrieben werde und wie sich Ökonomie und Ökologie in hervorragender Weise verbinden ließen. „Wir sind eines der führenden Länder bei der Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien. Wir wollen aber auch verstärkt den regenerativen Strom nutzen und so zur Wertschöpfung im eigenen Land beitragen. Damit kann die Energiewende auch in anderen Bereichen wie Wärme, Mobilität und Industrie umgesetzt werden“, so Günther. Das Reallabor Westküste100 habe Vorbildcharakter und könne weitere Innovationen in der Zukunftstechnologie Wasserstoff auslösen.

Phase 1: Elektrolyse

Mit der Förderzusage kann das auf fünf Jahre angelegte Projekt nun in die erste Phase starten. Ein neu gegründetes Joint Venture, „H2 Westküste GmbH“, bestehend aus EDF Deutschland, Ørsted und der Raffinerie Heide, wird einen 30-Megawatt-Elektrolyseur errichten. Dieser wird aus Offshore-Windenergie grünen Wasserstoff produzieren und dabei Erkenntnisse zu Betrieb, Wartung, Steuerung und Netzdienlichkeit der Anlage liefern. Raffinerie-Geschäftsführer Jürgen Wollschläger dazu: „Mit der Verabschiedung der Nationalen Wasserstoffstrategie Anfang Juni 2020 ist grüner Wasserstoff zum Schlüsselelement der Energiewende in Deutschland geworden. Für uns in der Raffinerie Heide ist der heutige Erhalt des Förderbescheids der Startschuss, voller Energie für die Zukunft ein neues grünes Geschäftsmodell rund um die Herstellung und Nutzung grünen Wasserstoffs zu schaffen. Mit dem Bau und der Inbetriebnahme einer Elektrolyseanlage im industriellen Maßstab auf unserem Gelände werden wir ein aktiver Teil der Industrie von morgen.“

Das Besondere und Innovative am Projekt Westküste100 ist die Verzahnung unterschiedlicher Sektoren innerhalb einer bestehenden regionalen Infrastruktur. Dazu zählt auch die Einbindung grünen Wasserstoffs in den bestehenden Prozess der Raffinerie Heide, der den Einsatz grauen Wasserstoffs ersetzen soll. Außerdem werden Teile des erzeugten Wasserstoffs über eine neu zu errichtende Wasserstoffpipeline zu den Stadtwerken Heide zur Übernahme in das Erdgasnetz transportiert. In einem weiteren Schritt wird zukünftig eine Wasserstofftankstelle beliefert. Alle Meilensteine, die im Westküste100 Projekt erarbeitet werden, sind Grundlage für die nächsten Skalierungsschritte. Die Vision aller Partner ist der Bau einer 700-MW-Elektrolyse-Anlage. Hier sollen perspektivisch die bei der Elektrolyse entstehende Abwärme und der Sauerstoff verwendet werden. Außerdem ist die Produktion klimafreundlicher Treibstoffe für Flugzeuge und die umfangreiche Einspeisung in Gasnetze vorgesehen.

Dr. Jörg Bergmann, CEO bei Open Grid Europe: „Mit dem Zuwendungsbescheid sind wir unserem Projektziel, reinen Wasserstoff in einer zum Gasversorgungsnetz gehörenden Leitung zu transportieren, einen großen Schritt nähergekommen. Jetzt gilt es, dieses einmalige Energiewendeprojekt schnellstmöglich umzusetzen. Dazu müssen wir die genehmigungsrechtlichen und regulatorischen Hürden nehmen, damit die anderen Projektpartner und wir im nächsten Jahr die finale Investitionsentscheidung für den Baustart treffen können.“ Michael Riechel, Vorsitzender des Vorstandes der Thüga Aktiengesellschaft: „Unser Fernziel ist eine H2-Quote im Gasnetz von bis zu 100 Prozent bis 2050. Mit dem Testlauf einer Wasserstoff-Beimischung von bis zu 20 Prozent in einem Netzabschnitt mit über 200 Haushaltskunden schaffen die Thüga und die Stadtwerke Heide einen konkreten Präzedenzfall – von den Ergebnissen profitieren die knapp 100 kommunalen Versorger der Thüga-Gruppe auf ihrem Weg zu dekarbonisierten Gasnetzen.“

Meilenstein auf dem Weg zur Dekarbonisierung

Für die perspektivische Treibstoffherstellung wird Wasserstoff aus der Elektrolyse und unvermeidbares CO2 aus der regionalen Zementproduktion in Schleswig-Holstein für den Herstellungsprozess eingesetzt. Im Rahmen der ersten Projektphase von Westküste100 wird die Umstellung des Zementwerkes Lägerdorf auf ein umweltfreundlicheres Verbrennungsverfahren (Oxyfuel) vorbereitet. Thorsten Hahn, CEO und Vorsitzender der Geschäftsführung Holcim Deutschland: „Diese Förderzusage ist für uns als Baustoffproduzent ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Zementproduktion. Wir müssen jetzt alle bei Westküste100 schnell, entschlossen und mit großen Schritten weiter vorangehen, um in den kommenden Jahren die final angestrebte Sektorenkopplung mit großindustrieller Skalierung zu erreichen.”

In einem nächsten Projektschritt ist eine Skalierung der Elektrolyse-Anlage in der Größenordnung von 700 MW angedacht, für die der Strom durch einen Offshore-Windpark erzeugt wird. Die Projektarbeit innerhalb von Westküste100 wird hierfür die Grundlage und das benötigte Know-how schaffen. (ak)

Wasserstoff-Projekte in Europa

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