Schiff fährt durch Sturm

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Sinkende Aufträge, aber kaum Beschäftigungsrückgang. Die Unternehmen des VDMA Großanlagenbaus haben in der vergangenen Dekade deutlich weniger Aufträge erhalten. Die Beschäftigtenzahlen im Inland sind dagegen nur moderat gesunken. Grafiken: CHEMIE TECHNIK, Daten: VDMA

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Weit weg vom Allzeit-Hoch. Auftragseingang im VDMA Großanlagenbau siet 1990. Gegenüber dem Boom-Jahr 2008 hat sich das Auftragsvolumen inzwischen fast halbiert.

17,8 Mrd. Euro sind kein Pappenstiel, aber dennoch 1,1 Mrd. weniger als im Vorjahr: auf diese Summe addieren sich die Aufträge, die 2017 von den Unternehmen der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau im VDMA (AGAB) akquiriert worden sind. In den vergangenen zehn Jahren nach dem Rekordjahr 2008 (Auftragseingang 32,8 Mrd. Euro) hat der deutsche Großanlagenbau demnach Jahr für Jahr Aufträge im Wert von anderthalb Milliarden Euro verloren. „Die aktuelle Auftragsschwäche ist nahezu ausschließlich auf die kollabierende Nachfrage im Markt für thermische Kraftwerke sowie auf ausbleibende Megaaufträge zurückzuführen“, erklären AGAB-Sprecher Jürgen Nowicki, Linde, und AGAB-Geschäftsführer Thomas Waldmann im aktuellen Lagebericht, den der Verband Ende März vorgelegt hat.

Trotz Auftragsrückgang bislang kaum Konsequenzen für Beschäftigtenzahl

Dass die Branche bislang nicht mit Kahlschlägen in der Belegschaft reagiert hat, mutet angesichts dieser Zahlen fast als Wunder an: Die Zahl der Beschäftigten an Inlandsstandorten ist seit dem Rekordjahr 2008 lediglich um 5 % gesunken. Doch aktuelle Ankündigungen – beispielsweise die von Siemens beabsichtigten Standortschließungen – lassen vermuten, dass dies zumindest im Kraftwerkssegment nicht so bleiben wird. Dort hat sich der Auftragseingang in den vergangenen zehn Jahren von knapp 13 Mrd. Euro im Jahr 2008 auf nun 5,5 Mrd. Euro mehr als halbiert. Allein im Jahresvergleich 2016/2017 fehlen den hiesigen Kraftwerksanbietern Aufträge im Wert von 2,5 Mrd. Euro.

Doch genau dieser Blick auf die Einzelbranchen zeigt, dass im vergangenen Jahr längst nicht nur Schatten vorherrschte: Ein Teil der im Kraftwerkssegment fehlenden Neubestellungen wurde in anderen Segmenten kompensiert: So verzeichneten der Hütten- und Walzwerksbau, die Anbieter von Papieranlagen und nicht zuletzt der Chemieanlagenbau deutliche Zuwächse: „Offenbar tragen die intensiven Bemühungen des Großanlagenbaus zur Erschließung neuer Geschäftsfelder, etwa im Service, im Anlagenbetrieb oder in der Digitalisierung bereits erste Früchte“, heißt es dazu im Lagebericht des VDMA. Der Verband sieht außerdem in den wieder anziehenden Rohstoffpreisen und der dynamischen Weltkonjunktur weitere Triebkräfte für diese positiven Entwicklungen. So zogen die Preise für Rohöl um mehr als ein Drittel an, und auch Industriemetalle wie Nickel und Kupfer sind deutlich teurer geworden und haben Investitionsprojekte angeschoben. Allerdings konnten die in der AGAB organisierten Unternehmen bislang nur in Ansätzen von der Entwicklung profitieren – beispielsweise im Chemieanlagenbau und bei der Rohstoffförderung. „Die Zuversicht, dass es 2018 zu einer Trendwende im Großanlagenbau kommen könnte, ist gewachsen“, konstatiert Jürgen Nowicki.

Anlagenbau muss Anpassungsfähigkeit beweisen

 

6. Engineering Summit: Diskussionsplattform für Führungskräfte

Die aktuellen Herausforderungen im Anlagenbau sind Thema des 6. Engineering Summit, der im November in Wiesbaden stattfinden wird. Dort werden Führungskräfte aus dem Anlagenbau gemeinsam mit Owners Engineers und Anlagenausrüstern neue Geschäftsmodelle, die erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierung und den Umgang mit den globalen Wettbewerbern diskutieren.
Weitere Informationen unter www.engineering-summit.de

 

Jürgen Nowicki ist Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau im VDMA. Bild: Linde

Dass Marktfaktoren alleine allerdings nicht reichen werden, um den deutschen Anlagenbau zukunftsfähig zu halten, ist den Beteiligten längst klar. „Die Branche muss Anpassungsfähigkeit beweisen und innovativ auf veränderte Kundenbedürfnisse reagieren“, bringt es AGAB-Geschäftsführer Thomas Waldmann auf den Punkt. Denn in der vergangenen Dekade sind vor allem Wettbewerber aus Asien auf den Plan getreten und haben den deutschen Anbietern in deren angestammten Märkten, beispielsweise im Mittleren Osten, zahlreiche Aufträge abgejagt. Vor allem die Fähigkeit, Gesamtverantwortung für Projekte zu übernehmen und das komplette Leistungspaket, vom Engineering über die Beschaffung bis hin zur Baustelle – die sogenannte EPC-Fähigkeit – zu übernehmen, wird hier als Schlüsselfaktor gesehen. Dieser Wettbewerbsdruck wird in den kommenden Jahren sogar noch zunehmen, hat der Verband im Herbst 2017 in einer Mitgliederbefragung ermittelt.

 

Anlagenbauer aus China werden dabei als die größten Herausforderer wahrgenommen. Während sich die AGAB mit ihren Mitgliedern einen Weltmarktanteil von ca. 15 % zugute hält, haben chinesische Anbieter inzwischen ein Fünftel des globalen Engineeringeschäfts an sich gezogen. Neben niedrigen Angebotspreisen punkten die Wettbewerber aus Fernost mit flexiblen Finanzierungspaketen, die laut AGAB vom chinesischen Staat zur Verfügung gestellt werden. Auch in Sachen Technologie holen die chinesischen Anbieter auf, was ein Blick auf die F&E-Aufwendungen belegt. „Der Druck auf den VDMA-Großanlagenbau, seine technologische Führungsrolle zu behaupten, nimmt dadurch zu“, heißt es dazu im aktuellen Lagebericht.

Neue Geschäftsmodelle gesucht

Thomas Waldmann ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau im VDMA. Bild: VDMA

Thomas Waldmann ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau im VDMA. Bild: VDMA

Auch deshalb stehen neue Geschäftsfelder und -modelle ganz oben auf den Todo-Listen der Engineering-Manager. Services wie Wartung, Prozessoptimierung und Energieeffizienz-Maßnahmen sowie in zunehmendem Maße digitale Nachrüstungen sollen künftig einen steigenden Anteil am Geschäft einnehmen. Im Durchschnitt erlösen die Mitglieder der AGAB bereits 16 % ihres Umsatzes mit Services, Tendenz steigend. So versprechen sich die Anlagenbau-Unternehmen künftig Umsätze aus Nutzungsmodellen und neuen Vertragstypen wie dem „Performance Based Contracting“ oder das „Pay per Use“, bei denen Kunden lediglich für den Abruf von Leistungen bezahlen. Und weil viele der hochqualifizierten Mitarbeiter des Großanlagenbaus bereits unternehmeerisch denken „blicken die Unternehmen trotz aller momentanen Erschwernisse mit berechtigtem Optimismus in die Zukunft“, resümiert der VDMA im Lagebericht. 1805ct912

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Informationen und Anmeldung zum 6. Engineering Summit.

 

Zur Lage: Großanlagenbau in Zahlen

Die von den Mitgliedern der VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau 2017 in Deutschland verbuchten Auftragseingänge lagen mit 17,8 Mrd. Euro um 6 % unter dem Wert des Vorjahres (2016: 18,9 Mrd. Euro). Die Bestellungen sanken damit auf den niedrigsten Stand seit 2004. Die inländischen Bestellungen sind um 3 % auf 3,8 Mrd. Euro (2016: 3,7 Mrd. Euro) gestiegen. Diese Stabilisierung verdankt die Branche zunehmenden Aufträgen im metallurgischen Anlagenbau und in der Elektrotechnik. Rückläufige Order gab es hingegen zum wiederholten Male im Kraftwerksbau. Im Ausland sank das Auftragsniveau von 15,2 Mrd. Euro (2016) auf 14,0 Mrd. Euro (2017). Wichtigster Exportmarkt des VDMA-Großanlagenbaus war 2017 die VR China. Darüber hinaus wurden hohe Bestellungen aus den USA, Russland, Großbritannien und Indien gemeldet. Der größte Einzelauftrag kam im vergangenen Jahr aus Brunei. Der Großanlagenbau beschäftigt im Inland rund 56.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (2016: 57.600). Mehr als ein Drittel (35 %) sind Ingenieure.

 

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