Der Chemieanlagenbau im ganz großen Maßstab hat eine gute Adresse: Q 920. Wie eine Trutzburg erhebt sich die rote Betonfassade an der Landstraße L523 in Ludwigshafen, am nordwestlichen Rand des größten Chemiestandorts in Europa, der BASF in Ludwigshafen. 650 Ingenieure planen hier Anlagen und sogar ganze Chemiestandorte für das größte Chemieunternehmen der Welt, das jährlich zwischen 2 und 2,5 Milliarden Euro in Sachanlagen investiert.

Der ganz große Maßstab war auch das Motiv für die Gründung des „zentralen maschinentechnischen Konstruktionsbüros“, aus dem inzwischen die „Globale Ingenieurtechnik“ bzw. das „Corporate Engineering“ geworden ist: 1907 galt es, das von Fritz Haber und Carl Bosch entwickelte Verfahren zur Ammoniaksynthese in den großtechnischen Maßstab zu überführen. Eine Aufgabe, der die Werkstätten der einzelnen Produktionsbetriebe Anfang des 20. Jahrhunderts allein nicht gewachsen waren.
Denn in den Anfangsjahren verzichteten die Firmengründer auf eigene Ingenieure und Architekten. Stattdessen errichteten lokale Bauunternehmen nach den Plänen der Chemiker die ersten Gebäude auf dem Ludwigshafener Werksgelände. Die Apparaturen für die chemischen Anlagen wurden von externen Anbietern bezogen und von betriebseigenen Handwerkern eingebaut. Die rasante Entwicklung des Unternehmens führte jedoch zu einem baulichen Wildwuchs, der schließlich zur Anstellung eines ersten Architekten – Eugen Haueisen – im Jahr 1874 führte. Zusammen mit dem Architekten wurde der erste Ingenieur eingestellt. Er war für die Gas- und Wasserversorgung zuständig. In den Folgejahren kamen weitere Ingenieure hinzu. Sie hatten die Aufgabe, Produktionseinrichtungen zu planen und Apparaturen in eigenen Werkstätten herzustellen. Das sollte verhindern, dass Wettbewerber Einblicke in die Herstellungsverfahren erhielten.
Anfang des 20. Jahrhunderts änderte sich dann die Produktionsweise. Chemische Stoffe wurden nicht mehr in einzelnen Chargen, sondern kontinuierlich hergestellt. Die benötigten Apparaturen wurden aufwändiger und größer; dies hatte zur Folge, dass sich die Bauweise änderte. Hatte man anfangs zuerst das Gebäude geplant und dann die Anlage eingepasst, musste nun das Gebäude um die Apparate herumgebaut werden.

Wissen in einer zentralen Abteilung gebündelt

Um die Jahrhundertwende gab es allerdings noch keinen zentralen Anlagenbau. Die Produktionsbetriebe gehörten verschiedenen Abteilungen an, die jeweils über eine Betriebswerkstätte verfügten. Diese bestand aus einem Ingenieur, einer Gruppe von Handwerkern sowie einem Planungsbüro mit technischen Zeichnern. Jede Werkstatt hatte eigene Standards, und eine Vernetzung der Ingenieure gab es nicht.

Damit das Wissen über effiziente und sichere Konstruktion von Apparaten und die Planung von kompletten Anlagen gebündelt werden konnte, wurde 1907 das zentrale maschinentechnische Konstruktionsbüro gegründet. Es sollte dafür sorgen, dass im großtechnischen Anlagenbau der BASF nach nur einem Standard geplant wird. Dieses Büro war die Keimzelle der heutigen Einheit Corporate Engineering, die seitdem alle großen Investitionsprojekte für die BASF-Gruppe koordiniert. Die Ammoniakfabrik in Oppau war 1907 die erste Großtat dieser neuartigen Kooperation zwischen Ingenieuren und Chemikern und wurde zum Vorbild dafür, wie das Chemieunternehmen neue Verfahren in den Produktionsmaßstab umsetzt. Nichts war bei diesem Projekt selbstverständlich – bei jedem Verfahrensschritt mussten die Ingenieure Pionierarbeit leisten: Das Beherrschen von Wasserstoff unter Hochdruck erforderte völlig neuartige Apparate, Armaturen und Maschinen. Die einzelnen Produktionsstufen mussten exakt aufeinander abgestimmt werden, umfangreiche Energieanlagen waren notwendig.
Auch der Produktionsstandort Leuna wurde nach diesem Muster gebaut – das Ammoniakwerk ging 1917 nach weniger als zwölf Monaten Bauzeit in Betrieb. Das Erfolgsrezept: konsequent serielle Bauweise und der Verzicht auf scale up. Mit Hilfe der neuen Hochdrucktechnik wurde 1923 in Oppau ein Verfahren für synthetisches Methanol gefunden und durch den Bau von drei größeren Öfen zur Produktionsreife gebracht. In der Zeit der I.G. Farben 1925 bis 1952 halfen die Ingenieure und Chemiker des zentralen maschinentechnischen Konstruktionsbüros dabei, Anlagen und Verfahren zur Kohlehydrierung, Benzinsynthese und Kautschuk-Synthese zu entwickeln, aus denen unter anderem die Chemiestandorte Marl, Schkopau und Zeitz entstanden sind.

Auch die Standorte Scholven, Marl, Schkopau wurden in LU geplant

Nach dem Krieg bestimmte der Wiederaufbau in Ludwigshafen das Projektgeschäft, nach und nach kamen Aufträge im Ausland dazu. Um die Teamarbeit und reibungslose Arbeitsabläufe weiter zu fördern, wurden die Ingenieure, die in den achtziger Jahren noch auf verschiedene Büros im Werk verteilt waren, 1988 im „Ingenieurgebäude Q 920“ zusammengezogen. Der rote Bau wurde zur Heimatbasis des global operierenden BASF-Anlagenbaus. War das Planen und Anfahren kompletter Werke bereits in den frühen Jahren eine besondere Spezialität des zentralen Anlagenbaus, ist diese Kompetenz bis heute beim Aufbau zahlreicher Standorte im Ausland gefragt: im 1964 gegründeten Werk in Antwerpen genauso wie an den US-Standorten Freeport und Geismar, die ebenso wie das Stammwerk in Ludwigshafen vom Verbundgedanken geprägt sind.

In sechs Jahren drei neue Standorte in Asien

„Verbund“ war auch das Schlagwort für drei Projekte in Asien, die innerhalb von sechs Jahren in Betrieb genommen wurden. 900 Millionen US-Dollar umfassten die von der BASF und dem Staatsunternehmen Petronas gemeinsam getätigten Investitionen in World-scale-Anlagen zur Acrylmonomer-Produktion, die im Juli 2000 im malaysischen Kuantan in Betrieb gegangen sind. In Nanjing, China, plante die BASF im Joint Venture mit Sinopec einen Petrochemiekomplex, der im Sommer 2005 praktisch störungsfrei angefahren wurde. Möglich wurde dies durch eine besonders sorgfältige Planung: Bis zu 200 Ingenieure des Bereiches Corporate Engineering waren zu Spitzenzeiten für das Projekt im Einsatz und mehr als 2000 Ingenieure arbeiteten Ende 2003 für die riesige Baustelle.

Fast parallel ließen die Planer in Caojing bei Shanghai einen Anlagenkomplex für die Herstellung von Isocyanaten in den Himmel wachsen, der im August 2006 in Betrieb ging. Insgesamt umfassten die Investitionen für die beiden Projekte in China ein Volumen von rund 3,5Milliarden US-Dollar.
Mit 78 Projekten sind die Ingenieure aus Q 920 auch zurzeit mehr als ausgelastet. Und obwohl das Anlagengeschäft längst global abläuft und auch in USA und China Engineeringkapazitäten aufgebaut wurden, ist das Bekenntnis für die zentrale Planung in Ludwigshafen klar. Im CT-Interview (siehe Folgeseiten) bringt es Dr. Stefan Deibel, Leiter der Einheit Corporate Engineering, auf den Punkt: „Da wir sehr stark konzeptionell veranlagt sind und großen Wert auf den Kontakt zu den Forschungs- und Technologiestellen legen, wird unser Schwerpunkt in Ludwigshafen bleiben.“
Text: BASF / AS

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67056 Ludwigshafen
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