Chemieanlagen in der Dämmerung

Hochwertige Dichtungen sind essenziell für den sicheren Betrieb von Chemieanlagen. (Bild: TTstudio – StockAdobe.com)

  • Die richtige Auswahl der Dichtung ist entscheidend, um Prozesssicherheit zu gewährleisten, Emissionen zu minimieren und die Lebensdauer von Anlagen zu verlängern.
  • Grafit bietet in vielen Anwendungen eine PFAS-freie Alternative zu PTFE und hat in verschiedenen Anforderungsparametern Vorteile.
  • Grafitdichtungen weisen sehr gute Dichtungseigenschaften auf und bieten langzeitstabile Abdichtungseigenschaften.

Aufgrund der einzigartigen Eigenschaften vieler PFAS, zu denen unter anderem das Vermögen, Wasser, Öle, Fette sowie Schmutz abzuweisen, sowie deren sehr gute Temperatur- und ausgezeichnete Chemikalienbeständigkeit gehören, werden diese in vielen Konsum- und Industrieprodukten eingesetzt oder bei deren Herstellung verwendet.

Fluorpolymere, deren bekanntester und wichtigster Vertreter PTFE (Polytetrafluorethylen) ist, gehören zu den PFAS. Sie stellen eine PFAS-Untergruppe dar und unterscheiden sich in einigen Eigenschaften deutlich von den nicht polymeren PFAS, die die Mehrzahl der Verbindungen ausmachen. So werden Fluorpolymere nach den anerkannten OECD-Kriterien als „Product of low concern“ (PLC) eingestuft.

ECHA-Verbotsinitiative

PFAS können über Produktions- und Abfallströme oder Konsumprodukte in die Umwelt gelangen und in modernen Kläranlagen nicht vollständig entfernt werden. Mittlerweile sind die Stoffe weltweit in Luft, Böden und Gewässern nachweisbar. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat deshalb in diesem Jahr ein Beschränkungsverfahren eingeleitet, das ein EU-weites Verbot der Herstellung, Vermarktung und Verwendung aller PFAS vorsieht. Die sechsmonatige Konsultationszeit ging am 25.9.2023 zu Ende, es wurden über 5.600 Kommentare von mehr als 4.400 Organisationen, Unternehmen und Einzelpersonen eingereicht, die nun durch die Agentur überprüft werden.

SGL Carbon bietet Dichtungsmaterialien aus flexiblem Grafit an, von denen einige wenige auch PFAS enthalten. Das Unternehmen unterstützt das Verbot von nachweislich schädlichen und substituierbaren PFAS-Substanzen und in Teilen auch den PFAS-Beschränkungsansatz.

In einigen Anwendungen wäre ein Verzicht insbesondere auf PTFE jedoch kontraproduktiv beziehungsweise würde Fortschritte im Umweltschutz oder beim Ausbau erneuerbarer Energien behindern. So wird der Kunststoff beispielsweise für den Umgang mit hoch korrosiven Medien benötigt, wie etwa bei der Herstellung von fluorierter Zahnpasta, Solarmodulen oder Lithium-Ionen-Batterien.

Hochwertige Dichtungen für eine sichere Produktion

In ihren Anwendungen sind Dichtungen auf den ersten Blick eher unscheinbar, haben aber einen maßgeblichen Einfluss auf den zuverlässigen Betrieb von Industrieanlagen und die Sicherheit von Mensch und Umwelt. Die richtige Dichtung für eine bestimme Anwendung auszuwählen, ist daher unerlässlich. Diese ermöglicht eine hohe Prozesssicherheit, minimiert diffuse Emissionen und Ausfallzeiten und verlängert die Lebensdauer der Anlage oder des Bauteils.


PTFE wird aufgrund seiner ausgezeichneten Chemikalien- und Hitzebeständigkeit auch als hochwertiges Dichtungsmaterial verwendet. Daneben werden auch flexibler Grafit und gummigebundene Faserstoffe als weitere wichtige Materialien in Flachdichtungen zur sicheren Abdichtung von Standardflanschen nach EN 1092-1 eingesetzt.


Auswahlkriterien für die richtige Dichtung

Bei der Auswahl eines geeigneten Dichtungswerkstoffes für eine bestimmte Anwendung sind neben der zuvor genannten Beständigkeit gegen Medien und Temperatur auch die Kriterien Dichtheit, Langzeitstabilität und Reinheit sowie Handhabung und Preis zu berücksichtigen. Darüber hinaus kann das Streben nach Standardisierung zur Reduzierung der Variantenvielfalt der in einem Betrieb oder Werk verwendeten Dichtungen die Entscheidung für ein bestimmtes Dichtungsmaterial beeinflussen. Auch Erfahrung und Gewohnheit spielen eine wichtige Rolle, wenn sich ein Werkstoff in der Vergangenheit im Einsatz bereits bewährt hat. Häufig ist das aktuell verwendete Dichtungsmaterial nur eine von mehreren Auswahlmöglichkeiten und kein Material der alleinige Alleskönner. Falls auf PFAS-freie Dichtungen umgestellt werden soll, sind Dichtungsmaterialien aus flexiblem Grafit oft die beste Alternative. Sie bieten bei entsprechender Eignung deutliche Vorteile gegenüber anderen Flachdichtungsmaterialien. Um im Einzelfall beurteilen zu können, welches Material besser geeignet ist, werden im Folgenden die Eigenschaften von Grafitflachdichtungen mit Faser- und PTFE-Dichtungen für verschiedene Anforderungsparameter verglichen.

PFAS-freie Grafitdichtungsplatten zur Herstellung von Flachdichtungen als PTFE-Ersatz
Zahlreiche PFAS-freie Grafitdichtungsplatten zur Herstellung von Flachdichtungen als PTFE-Ersatz. (Bild: SGL Carbon)
Universal Pro-Flachdichtung mit Innenbördel.
Universal Pro-Flachdichtung mit Innenbördel. (Bild: SGL Carbon)

Chemische Beständigkeit

PTFE weist eine nahezu universelle chemische Beständigkeit auf. Dies gilt selbst für oxidierende und hochkonzentrierte anorganische Säuren. Grafit ist gegen fast alle organischen und die meisten anorganischen Medien beständig, beispielsweise gegen nicht oxidierende Säuren, Laugen, wässrige Salzlösungen und die meisten technischen Gase. Hinsichtlich der chemischen Beständigkeit und damit auch der Korrosionsbeständigkeit weist Grafit deutliche Vorteile gegenüber Faserdichtungen auf. Ein 1:1-Ersatz von PTFE durch Grafitdichtungen ist in vielen, allerdings nicht in allen Fällen möglich.


Temperaturbeständigkeit

Grafit ist Best-in-Class bei der Temperaturbeständigkeit und bietet im Vergleich zu PTFE und Fasermaterialien die größte Bandbreite in Bezug auf die  Anwendungstemperatur. Die Medientemperatur darf in den meisten Anwendungsfällen zwischen -269 °C und 450 °C liegen. Theoretisch sollte sogar ein Einsatz bei -273 °C möglich sein, hierzu fehlen jedoch Erfahrungswerte.

Bezüglich der maximalen Betriebstemperatur führt in den meisten Anwendungen der Kontakt der Dichtung mit dem in der Umgebung vorhandenen Luftsauerstoff zu einer Einschränkung der Lebensdauer. Je nach Qualität des Grafits ist dies unter Umständen bereits ab etwa 300 °C oder erst bei deutlich höherer Temperatur zu berücksichtigen.   Steht die Dichtung nur mit nicht oxidativen Medien in Kontakt, so begrenzt die Edelstahlverstärkung in Grafitflachdichtungen die Einsatztemperatur auf maximal ca. 800 °C.

Hochdruck-Dichtung im Flansch.
Hochdruck-Dichtung im Flansch. (Bild: SGL Carbon)

Langzeitstabilität

Grafit ist der einzige der drei Werkstoffe, der langzeitstabile Eigenschaften mit sich bringt: Er altert nicht, versprödet nicht und kriecht nicht. Aufgrund des in Fasermaterialien enthaltenen Gummibinders altern und verspröden diese mit der Zeit. Das Kriechen bei PTFE-Dichtungen hingegen führt zu einem Verlust an Dichtungsflächenpressung. Beide Phänomene führen dazu, dass die Leckage bei diesen Materialien mit der Zeit deutlich ansteigt.


Dichtheit

Einige Grafitdichtungsmaterialien weisen bereits bei sehr niedrigen Flächenpressungen von beispielsweise
5 MPa eine TA-Luft-konforme Dichtheit auf, niedrige Mediendrücke von 6 oder 10 bar vorausgesetzt. Während viele PTFE- oder Faserdichtungsmaterialien bereits im Prüfstandtest höhere Leckagen aufweisen, bauen die entsprechenden Grafitdichtungsmaterialien in der langjährigen Anwendung ihren Vorsprung bei der Dichtheit sogar noch aus.


Handhabung

Sigraflex Grafitdichtungsmaterialien mit einer speziellen Antihaftbeschichtung tragen als „Antistick-Klassenbeste“ zusätzlich zu kurzen Wartungszeiten und damit zu niedrigen Gesamtbetriebskosten bei. Sie weisen damit deutliche Vorteile gegenüber allen anderen auf dem Markt erhältlichen Grafitdichtungsmaterialien auf. Lediglich PTFE schneidet im Antistick-Vergleich besser ab. Ein weiterer Handhabungsvorteil flexibler Grafitdichtungen im Vergleich zu gefülltem PTFE und Faserdichtungen ist die gute Anpassungsfähigkeit des flexiblen Materials bei der Montage.

Reinheit

Hinsichtlich der Reinheit hat PTFE eindeutig die Nase vorn, weshalb PTFE-Dichtungen vor allem in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie weit verbreitet sind. Aber auch die gesundheitliche Unbedenklichkeit einiger Grafitdichtungsmaterialien ist durch Zulassungen nach FDA oder EG1935/2004 eindeutig belegt. Darüber hinaus kann einer möglichen Verunreinigung des Mediums durch Grafitpartikel durch konstruktive Maßnahmen, wie zum Beispiel metallische Innenbördel, entgegengewirkt werden. Daher können bestimmte hochwertige Grafitdichtungen in vielen Anwendungen als PFAS-freie Alternativen eingesetzt werden.


Flexibler Grafit oft bestes PTFE-Substitutionsmaterial

PTFE ist der thermisch und chemisch beständigste Kunststoff. Er wird in vielen industriellen Prozessen eingesetzt und spielt auch als chemisch beständigstes und reinstes Dichtungsmaterial eine wichtige Rolle. Aus heutiger Sicht sind PTFE-Dichtungen nicht in allen Anwendungen durch aktuell am Markt verfügbare PFAS-freie Alternativen ersetzbar. Bestimmte Grafitdichtungen sind jedoch in vielen Anwendungen und für zahlreiche Medien und Anforderungen als PTFE-Ersatz geeignet. Einige weisen nicht nur erstklassige Dichtungskennwerte auf, sondern unterstützen in der Praxis auch eine hohe Betriebssicherheit mit langzeitstabil guten Abdichteigenschaften.

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