Messgerät über einem Gewässer

(Bild: Vega)

Ralf Höll ist bei Vega Produktmanager für die Papierindustrie sowie die Wasser- und Abwasserindustrie
„Der Wasser- und Abwasserbereich ist auf jeden Fall weltweit ein Wachstumsmarkt.“ Ralf Höll ist bei Vega Produktmanager für die Papierindustrie sowie die Wasser- und Abwasserindustrie (Bild: Vega)

CT: Die industrielle Wasserwirtschaft gehört nicht gerade zu den Vorreitern in Sachen Digitalisierung und Automatisierung. Wie ist der aktuelle Stand?
Ralf Höll: Ja, die Wasserwirtschaft, egal ob jetzt kommunal oder in der Industrie, war in diesem Bereich lange eher behäbig unterwegs. Aber in den letzten Jahren ist hier deutlich mehr Schwung reingekommen. Dies liegt zum einen an neuen gesetzlichen Bestimmungen, denken Sie etwa an die Einführung der vierten Reinigungsstufe, aber auch an den europäischen Vorgaben der kritischen Infrastrukturen, zu denen auch die Wasserwirtschaft gehört. Zusätzlich schaffen die zunehmende
Wasserknappheit und auf der anderen Seite Starkregen­­ereignisse neue Herausforderungen, bei denen die Automatisierung helfen kann. Branchen wie die Papierindustrie, in denen die permanente Versorgung mit Wasser besonders entscheidend ist, sind daher zu einem Treiber in diesem Bereich geworden.

CT: Inwiefern haben Sie bei Vega davon profitieren können?
Ralf Höll: Die neue Dynamik haben wir vor allem gemerkt, als wir neue Produkte im Bereich Wasser/Abwasser auf den Markt gebracht haben. Zum einen gibt es da die neuen Radarsensoren wie den Vegapuls 6X sowie kompakte und leistungsfähige Radarsensoren unserer so genannten Basic-Linie, wie auch kompakte Drucksensoren mit einer robusten keramischen Messzelle. Außerdem haben wir Steuergeräte mit neuen digitalen Funktionen ausgestattet und batteriebetriebene Radarsensoren mit Funkübertragung im Portfolio. Hier haben wir deutlich gemerkt, wie der Wasser- und Abwassermarkt diese neuen Produkte angenommen hat. Der Fokus lag dabei für uns immer auf einer einfachen Montage und schnellen Inbetriebnahme. Das erleichtert es den Anwendern deutlich, an der ein oder anderen Stelle einen neuen Sensor zum Einsatz zu bringen und dadurch den Automatisierungsgrad der eigenen Anlage zu steigern. Wenn wie beim Radarsensor die Zuverlässigkeit und die einfache Handhabung zusammenkommen, ist das für viele natürlich eine attraktive Lösung, die beispielsweise dabei hilft, die Ressource Wasser effizienter einzusetzen.

 

Die autarken 80-GHz-Radar-Füllstandsensoren Vegapuls Air übertragen ihre Messwerte per Funk.
Die autarken 80-GHz-Radar-Füllstandsensoren Vegapuls Air übertragen ihre Messwerte per Funk. (Bild: Vega)

CT: Sie haben die Radarsensoren angesprochen. Was können diese, was bisher nicht möglich war?
Ralf Höll: In meinen Augen sind die neuen Geräte ein wahrer Gamechanger. Radarsensoren sind natürlich gerade in Europa auch schon vorher im Einsatz gewesen. Aber mit dem neuen Radarchip mit 80 GHz war es erstmals möglich, solche Sensoren wirklich kompakt und kostengünstig zu bauen und dies auch an den Markt weiterzugeben – und damit auch die ganzen Vorteile der Radartechnik. Das bedeutet zum Beispiel, dass der Sensor im Vergleich zu Ultraschall unbeeinflusst bleibt von Prozess- und Umgebungsbedingungen. Außerdem haben wir auch keine Blockdistanz, das heißt, wir können permanent bis an den Sensor heran messen. Selbst wenn das Gerät überflutet wird, arbeitet es weiter und zeigt einen Füllstand von 100 % an. Gerade im Abwasserbereich ist auch entscheidend, dass Ablagerungen und Verschmutzungen dem Sensor nichts anhaben können. Und durch das Messprinzip kann das Gerät auch in engen Platzverhältnissen eingesetzt werden. Kurzum: Die Radarsensoren bieten eine sehr einfache und zuverlässige Füllstandmessung und sind nun auch vom Preis für viele neue Anwendungen attraktiv geworden. Und diese Technologie setzen wir nun auch konsequent in unseren neuen autarken batteriebetriebenen Sensoren ein, die ihre Daten per Funk mittels NB-IoT oder Lora über­tragen.

CT: Haben Sie ein Beispiel?
Ralf Höll: Ein typisches Einsatzfeld ist die Wasser-/Abwasserindustrie wie auch das Prozesswasser. Aber auch in der Pharma- und Chemieindustrie kommen damit zusätzliche Messstellen, die überwacht werden sollen, in Betracht. Wenn Sie also an einer entlegenen Messstelle den Füllstand messen wollen, dann können sie nun einfach den Sensor dort installieren, und dieser überträgt die Daten beispielsweise per Lora-Funktechnik direkt in das Lora-Netzwerk. Die kompakten Sensorvarianten mit Kabel bieten zusätzlich eine einfache Lösung durch eine Vergusskapselung für explosionsgeschützte Bereiche an. Der Anwender muss nichts mehr nachmessen oder berechnen, was Induktivitäten und Leitungslängen angeht. Er kann ein ganz normales Netzteil an den Sensor anschließen und loslegen. Der Nachweis der Eigensicherheit entfällt. Das hilft natürlich auch dem Bediener vor Ort. Insgesamt müssen wir alle ja immer mehr komplexe Technik beherrschen – auch im Arbeitsumfeld. Daher ist es uns wichtig, dass wir Sensoren anbieten können, die einfach zu planen, zu installieren und zu bedienen sind.

CT: Apropos Cloud und Co.: Eine immer größere Herausforderung ist auch das Thema Cybersecurity. Wie gehen Sie damit um?
Ralf Höll: Da kommt natürlich gerade mit dem schon angesprochenen Thema der kritischen Infrastruktur immer mehr auf uns zu. So bieten wir beispielsweise in unseren Sensoren auch einen zweiten sicheren Datenkanal per Bluetooth an. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Anwender, die sagen: Ich möchte, dass der Sensor einfach gar nicht funkt. Das können wir dann anbieten, weil die Bluetooth-Schnittstelle optional ist. Das heißt, der Anwender kann sich je nach Bedürfnis dafür entscheiden, ob er eine solche Schnittstelle im Gerät möchte oder nicht. Und auch im Bereich Security-Normen tut sich einiges. Bereits bei der Entwicklung von neuen Geräten achten wir auf die Einhaltung der IEC-62443-Norm, die sich nun als De-facto-Standard für den OT-Bereich der Automatisierung herauskristallisiert. Der Vegapuls 6X ist nun auch der erste Füllstandsensor auf dem Markt, der diese Norm erfüllt.

Cybersecurity spielt bei den Unternehmen eine immens wichtige Rolle, da die Gefahrenpotenziale zunehmen.
Cybersecurity spielt bei den Unternehmen eine immens wichtige Rolle, da die Gefahrenpotenziale zunehmen. (Bild: Vega)

CT: Wie wird sich der Markt für Automatisierung in der Wasserwirtschaft aus Ihrer Sicht entwickeln, wo sehen Sie Chancen?
Ralf Höll: Der Wasser- und Abwasserbereich ist auf jeden Fall weltweit ein Wachstumsmarkt. Die Situation ist jedoch je nach Region verschieden. In Europa haben wir die größten Potenziale bei der Modernisierung und Renovierung von Anlagen. Im Bereich Abwasser kommt da dann auch die vierte Reinigungsstufe, aber daneben allgemein ein verstärktes Bedürfnis nach Monitoring. Daher wird auch die Nachfrage nach Automatisierung und Digitalisierung weiter wachsen. Mit Blick auf die weltweiten Märkte, gerade was Asien angeht, geht es zudem um Neuanlagen, und der Bedarf im Bereich Trinkwasser ist deutlich höher als bei Abwasser. Angesichts der Wasserknappheit werden beispielsweise Entsalzungsanlagen zukünftig immer wichtiger werden. Ein Beispiel ist Indien: Was die Trinkwasserbehandlung angeht, sind wir hier Jahrzehnte hinter dem europäischen Standard zurück. Hinzu kommt, dass im Bereich Wasser/Abwasser weltweit mit Ausnahme von Europa das Radarmessprinzip noch kaum etabliert ist – obwohl es eben deutliche Vorteile gegenüber der bisherigen Ultraschalltechnik bietet. Auch hier wird uns die Arbeit also so schnell nicht ausgehen.

Titelseite industrieWasser April 2023
(Bild: hespasoft – stock.adobe.com)

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