BASF-Chef definiert Voraussetzungen für eine klimaneutrale Chemie
Jedes Jahr lockt das World Economic Forum Unternehmenslenker aus aller Welt nach Davos. BASF-Chef Martin Brudermüller hat die Plattform genutzt, um in einem Namensbeitrag zu formulieren, wie eine klimafreundliche Chemieindustrie Realität werden kann.
Zusammenfassung von Armin Scheuermann, Chefredakteur der CHEMIE TECHNIKZusammenfassung von Armin Scheuermann, Chefredakteur der CHEMIETECHNIK
Martin Brudermüller, CEO und CTO der BASF„Die Transformation mag schwierig sein, …aber es ist möglich, wenn wir alle es wollen.“
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Die chemische Industrie hat eine wichtige Rolle in der Klimadiskussion zu spielen“, schreibt Dr. Martin Brudermüller, CEO und CTO des Chemiekonzerns BASF. Denn auf der einen Seite helfen die Produkte der Chemie Kohlendioxid-Emissionen zu verhindern, andererseits ist die Produktion von Chemikalien energie- und damit klimaintensiv. „Unsere Produkte bestehen zu 50 % aus Kohlenstoff, sodass eine kohlenstofffreie chemische Industrie einfach nicht möglich ist“, formuliert Brudermüller. Damit die Chemie Kohlenstoff effizienter nutzen kann und in die Lage versetzt wird, ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren, ist dem BASF-Vorstandschef zufolge ein mehrgleisiger Ansatz erforderlich, wobei Forschung und Entwicklung eine entscheidende Rolle spielen:
Optimierung von Prozessen und Energieverbräuchen,
Einsatz erneuerbarer Energien und
sogenannte Durchbruch-Technologien.
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„Da die meisten Unternehmen bereits große Effizienzsteigerungen und eine erhebliche Reduzierung der Treibhausgasemissionen durchgeführt haben, werden weitere Effizienzsteigerungen relativ geringe Auswirkungen auf die Emissionen haben“, schreibt Brudermüller. Prinzipiell sei eine CO2-freie chemische Produktion mit den bestehenden Technologien möglich, aber die würde in Europa mehr Strom aus erneuerbaren Quellen erfordern, als selbst mit dem optimistischsten Szenario für erneuerbare Energien in Europa verfügbar ist.
Grünstrom limitiert emissionsarme Verfahren
Klimaneutrale Verfahren wie der gemeinsam von BASF und Linde entwickelte Trockenreformer-Prozess ermöglichen es, CO2 zu vermeiden.Bild:Linde
Als Beispiel führt Brudermüller in seinem Artikel ein Pyrolyseverfahren an, bei dem Methan mit vergleichsweise geringem Energieaufwand in festen Kohlenstoff und Wasserstoff gespalten wird. Wenn die Energiezufuhr aus erneuerbaren Quellen stammt, kann das Verfahren Wasserstoff ohne Treibhausgas-Emission liefern. Um keine Zeit zu verlieren, werden deshalb bei dem Ludwigshafener Konzern mehrere Projekte parallel entwickelt. Dazu gehört beispielsweise die Elektrifizierung exothermer Prozesse wie das Dampfreformieren (Steamcracking). Denn bei der Spaltung von Kohlenwasserstoffen die chemischen Grundbausteinee entsteht typischerweise eine Tonne Kohlendioxid pro Tonne Olefine. Durch die Elektrifizierung würde der CO2-Ausstoß aus den Crackern um bis zu 90% verringert. Auch die Produktion von emissionsfreiem Synthesegas nach einem Verfahren, das BASF zusammen mit dem Gasespezialisten und Anlagenbauer Linde entwickelt hat, sieht der CTO als bahnbrechenden Weg.
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Bereits im Juli 2019 hatte der Chemiekonzern Technologiechefs von 20 Chemieunternehmen eingeladen, um klimafreundliche Technologien zu diskutieren.Bild: BASF
Erstmals deutlich wird in dem Artikel auch, dass die im Wettbewerb stehenden Chemiefirmen bereits konkrete Schritte unternehmen, um gemeinsam kohlenstoffarme Technologien zu entwickeln. Der Vorstandsvorsitzende von BASF berichtet in seinem Beitrag, dass sich im Sommer 2019 die Technologiechefs und Experten von mehr als einem Dutzend Chemieunternehmen getroffen haben, um Möglichkeiten zu diskutieren, wie die Industrie ihre Klima-Bilanz drastisch verbessern kann.
Sektor-übergreifende Zusammenarbeit notwendig
Doch für eine erfolgreiche Umsetzung solcher Maßnahmen genügt es nicht, wenn Unternehmen einer Branche kooperieren. Die Zusammenarbeit müsse Sektor-übergreifend sein, so Brudermüller. An die Adresse der Politik betont der Chemiker, dass Unternehmen, politische Entscheidungsträger und Zivilgesellschaft umfassende Maßnahmen zum Klimaschutz im Einklang mit den Zielen des Pariser Abkommens vorantreiben sollten: „Die globale Erwärmung kann dank dieses einfachen Plans besiegt werden“, glaubt der BASF-Chef. Eine neues Netzwerk aus Wirtschaftsführern verschiedener Branchen (Alliance of CEO Climate Leaders) will kosteneffiziente Lösungen für den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft voran bringen. Die CEOs wollen ihre Position und ihren Einfluss bei politischen Entscheidungsträgern und Unternehmenspartnern nutzen.
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Weil die Elektrifizierung der Chemie enorm viel erneuerbare Energie erfordert, muss der Energiesektor einen raschen Wandel durchlaufen: Allein für das BASF-Stammwerk in Ludwigshafen wird sich, so Brudermüller, der Strombedarf auf über 20 TWh verdreifachen. Hier sind noch zahlreiche Fragen offen, wie eine sichere erneuerbare Energieversorgung realisiert werden kann. „Solange es keinen ausreichenden globalen Kohlenstoff-Preismechanismus gibt, müssen Anreize für Pionierarbeit geschaffen werden“, mahnt der Konzernchef und gibt sich dennoch zuversichtlich: „Die Vorteile werden sich weit über diesen Sektor hinaus verbreiten, denn die Chemie ist der Ausgangspunkt und die Grundlage für viele Wertschöpfungsketten… die Transformation mag schwierig sein, …aber es ist möglich, wenn wir alle es wollen.“ [as]
CT-Artikelsammlung: Treibhausgas-Sparpotenziale durch Chemie:
Die europäische Chemie könnte bis 2050 klimaneutral werden – wenn die Politik die Weichen richtig stellen würde. Über die Vision berichten wir seit 2017 – und haben eine ganze Reihe an Beiträgen zum Thema veröffentlicht.
Den Anfang macht eine Studie, die im Juli 2017 gemeinsam vom europäischen Chemieverband Cefic und der Dechema vorgestellt wurde. Diese untersuchte die Voraussetzungen dafür, damit die chemische Industrie bis 2050 klimaneutral werden kann.(Bild: Serghei Velusceac - Fotolia)
Ein halbes Jahr später erschienen die Prognosen der Welt-Energieexperten, denenzufolge das hehre Ziel der Dekarbonisierung des Planeten ins Reich der Utopie gehört.(Bild: 3dsculptor - Adobestock)
Dem zur Seite sprang 2018 eine Studie der Energieforscher der IEA, die ein Schlaglicht auf einen bislang blinden Fleck der Energiewirtschaft warf. Demnach wird die Petrochemie schon bald den Mobilitätssektor als größter Nachfragetreiber für Erdöl ablösen.(Bild: irina - Adobestock)
Dessen ungeachtet schmiedete die Deutsche Energie-Agentur Dena im selben Jahr mit internationalen Partnern ein Bündnis, um grüne Kraftstoffe voran zu bringen.(Bild: Thomas Söllner - Adobestock)
Einen weiteren blinden Fleck beleuchteten wir in einem viel beachteten Artikel zur Bedeutung von Beton als Ursache für Treibhausgasemissionen und attestiert dem Baustoff eine verheerende Klimabilanz.(Bild: 7crafts- Adobestock)
Wie sehen Europa und die Welt im Jahr 2050 aus? Welche Herausforderungen kommen auf uns zu? Und wie kann die europäische Chemieindustrie bei den Lösungen helfen? Spekulative, aber plausible Antworten auf diese Fragen gab der europäische Chemieindustrieverband Cefic im vergangenen Jahr in einer weiteren Studie.(Bild: NicoElNino – AdobeStock)
Die Auswirkungen des Klimawandels sind Risiko Nr. 7. (Bild Wolfisler – AdobeStock)
Genuss ohne Verzicht - auf diesen plakativen Nenner lässt sich die Treibhausgas-Vermeidung per Effizienzmaßnahmen bringen. Dass hier noch großes Potenzial besteht, konstatiert unser Trendbericht.(Bild: maho – AdobeStock)
Das Wahlergebnis bei der Europawahl 2019, bei der Klimapolitik im Vordergrund stand, löste nicht nur Schockwellen bei den "Volksparteien" aus, sondern auch eine Flut an Pressemeldungen, mit denen sich Industrie und Verbände zum Thema profilieren wollten.(Bild: claudia Otte, sarahdoow – AdobeStock)
Anfang Mai 2019 wurde die Meldung publik, dass ein Konsortium in Stade an der Elbe eine industrielle Power-to-Liquid-Anlage (PtL) plant. Mit dieser soll die Produktion von Kerosin auf Basis von Windstrom geprüft werden.(Bild: bluepilot – AdobeStock)
Unsere jüngste Meldung zeigt, dass die Kohlendioxid-Emissionen in Deutschland sind im vergangenen Jahr überraschend stark gesunken sind. Zu diesem Ergebnis kommt das Denk- und Politiklabor Agora Energiewende.(Bild: Schmittchen – Fotolia)
Auch eine Studie des Weltchemieverbands ICCA stimmt hoffnungsvoll: Diese kommt zum Ergebnis, dass sich mithilfe von 17 Chemie-Technologien bis 2050 bis zu einem Viertel der heute jährlich emittierten Treibhausgase einsparen lassen.(Bild: Olivier-Le-Moal-AdobeStock)