Nachhaltigkeit braucht ein faires Klima

Umgang mit Industrieskepsis in der Umweltschutz-Diskussion

Der Umwelt- und Klimaschutz stellt für die Chemieindustrie eine Herausforderung dar: Trotz belegbarer Erfolge in Sachen Nachhaltigkeit wächst die Industrieskepsis in der Bevölkerung zusehends. Für einen Chemiepark bedeutet dies zweierlei: verstärkte Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit einerseits sowie weitere Investitionen andererseits.

Young people protesting of climate emergency on the street

  • In der gesellschaftlichen – und teilweise auch der politischen – Umwelt- und Klimaschutzdiskussion kommt gerade die chemische Industrie oft schlecht weg.
  • Dabei können viele Unternehmen und die Branche insgesamt beachtliche Erfolge bei einer nachhaltigeren Produktion und Zukunftsinnovationen vorweisen.
  • Der Chemiepark reagiert auf diese Diskussion mit verstärkter Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit sowie weiteren Investitionen in den Umweltschutz.

Gefühlte Wahrheit und Wirklichkeit klaffen beim Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit manchmal weit auseinander. Das zeigt das Beispiel des Chemieparks Gendorf. Die Fakten sind: Die Umweltbelastungen des größten Chemieparks in Bayern sind heute so gering wie noch nie. Die Umweltsituation in der Umgebung ist unauffällig. Sowohl der Wasserverbrauch als auch die Abwassermengen sanken in den letzten zehn Jahren deutlich – und das obwohl die Produktion um knapp 40 % zulegte. Der CO2-Ausstoß reduzierte sich im gleichen Zeitraum um 30 %. Kurz: Die Unternehmen im Chemiepark produzieren heute umweltschonender und nachhaltiger als je zuvor in der über achtzigjährigen Geschichte des Chemiestandorts. Ihrer Verantwortung für Anwohner, Umwelt und Klima kommen sie nach.

Trotz dieser Fakten wird in der Öffentlichkeit manchmal der Eindruck erweckt, die Umweltbelastung durch den Chemiepark erreiche derzeit einen Höhepunkt. In der Vergangenheit, insbesondere in den Jahrzehnten nach der Gründung des Werkes Gendorf, ging die Herstellung vieler chemischer Produkte tatsächlich mit einer starken Belastung für die Umwelt einher. Das bestreitet heute niemand. Das Thema Nachhaltigkeit war in diesen Jahrzehnten noch kein wichtiges Ziel, und Umweltstandards spielten in der gesamten Chemieindustrie kaum eine Rolle.

Investitionen in Sicherheit und Umweltschutz

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Derzeit investiert der Chemiepark in sein Rückkühlsystem, um das Kühlwasser noch effizienter einzusetzen. Bilder: Infraserv Gendorf

Aber diese Haltung ist schon seit Jahrzehnten überholt. Als Betreibergesellschaft des Chemieparks hat Infraserv Gendorf große Summen in innovative Technologien und eine moderne Analytik investiert: Mit freiwilligen Messungen überprüft und dokumentiert das Unternehmen laufend die Auswirkungen auf die Umwelt. In die Modernisierung und den Ausbau der Kläranlage wurde stark investiert. Derzeit wird für einen knapp zweistelligen Millionenbetrag das gesamte Rückkühlsystem modernisiert, um das Kühlwasser noch effizienter einzusetzen. Dasselbe gilt für die Sicherheitstechnik. In Gendorf steht heute eine hochmoderne Feuerwache, um auch für Notfälle gerüstet zu sein. Gleichzeitig werden bei den Gendorfer Standortunternehmen fortlaufend Produktionsverfahren neu- und weiterentwickelt, um Emissionen auf ein Minimum zu begrenzen.

In puncto Nachhaltigkeit leistet der Chemiepark sogar Pionierarbeit. Das zeigt zum Beispiel die Beteiligung an einem Forschungsprojekt „geschlossene Stoffkreisläufe in der Industrie“, das vom bayerischen Umweltministerium initiiert wurde. Dabei geht es um die Erforschung und Optimierung technischer Möglichkeiten, um etwa im Gewässerschutz (Abwasser-)Kreisläufe zu schließen und Stoffbelastungen vollständig zu vermeiden. Stichwort: Zero Liquid Discharge. Dem Chemiepark Gendorf kommt die Rolle eines Pilotstandorts für diese zukunftsweisende Technologie zu, die irgendwann vielleicht sogar einmal ein neuer Standard in der Industrie werden könnte.

Fiktion statt Fakten untergräbt Vertrauen

Einem Teil der Gesellschaft sind solche Bemühungen und Fortschritte jedoch zunehmend schwer zu vermitteln. Die Chemieindustrie steht stattdessen schnell unter Generalverdacht. Noch gravierender ist, dass auch den Einschätzungen von Institutionen wie Behörden und Ämtern immer weniger Vertrauen entgegengebracht wird – teilweise sogar von Politikern, um zu Wahlkampfzeiten Vorteile herauszuschlagen. Dabei lassen sich komplexe Themen nicht durch Aktionismus lösen. Simple Parolen und schmissige Headlines sind aber leider oft wirkmächtiger als komplizierte Fakten. Eine angemessene Reaktion auf diese Entwicklung ist nicht einfach. Für den Chemiepark besteht sie aus zwei Teilen: maximale Transparenz und verstärkte Öffentlichkeitsarbeit einerseits und weitere Investitionen in modernen Umweltschutz, Sicherheit und Zukunftsfähigkeit des Standorts andererseits.

Bildergalerie: Die größten Chemieparks in Deutschland

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Mit 180 Hektar Gesamtfläche kommt der von Yncoris (ehemals Infraserv Knapsack) betriebene Chemiepark Knapsack auf Platz 19 des Chemiepark-Rankings deutscher Standorte.
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Der von Infraserv Gendorf betriebene Chemiepark Gendorf umfasst 197 Hektar Gesamtfläche.
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Als Chemie- und Industriepark sieht sich der Standort Zeitz in Ostdeutschland. Die Gesamtfläche beträgt 232 ha.
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Im Chempark Krefeld, der von Currenta betrieben wird, hat unter anderem der Kunststoffhersteller Covestro Produktionsanlagen in Betrieb. Gesamtfläche: 260 ha.
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Solvay betreibt in Rheinberg Chlor-Vinyl-Anlagen und vermarktet die freien Flächen des Industrieparks (261 ha Gesamt, frei: 80 ha).
Im Coker der BP-Raffinerie in Gelsenkirchen geht es heiß her
Klarer Fokus auf Petrochemie hat der Standort Gelsenkirchen-Scholven, der von Ruhröl - BP Gelsenkirchen betrieben wird. (280 ha)
BASF nimmt erweiterte Compoundieranlage für technische Kunststoffe in Betrieb / BASF puts expanded compounding plant for engineering plastics into operation
Der von der BASF betriebene Standort Schwarzheide umfasst 290 ha, davon stehen 95 ha für neue Ansiedler zur Verfügung.
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Auch Dormagen ist ein von Currenta betriebener Chempark-Standort. Dort stehen von einer Gesamtfläche von 360 ha nur noch 25 ha für Ansiedler zur Verfügung.
Die Agrochemie steht unter Dampf: Beim Hersteller SKW Stickstoffwerke Piesteritz wird der Dampf aus Elbwasser aufbereitet.
Agrochemie bildet einen Fokus am Chemiestandort Piesteritz, der von SKW betrieben wird. Von 390 ha sind noch 30 für Ansiedler frei.
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Der Industriepark Brunsbüttel ist zwar auch ein ehemaliger Bayer-Standort, wird aber nicht wie die Chempark-Standorte von Currenta betrieben, sondern vom Kunststoffhersteller Covestro. Von 420 ha sind 250 ha frei.
Infraserv Höchst investiert in Umbau der Klärschlammverbrennungsanlage
Infraserv Höchst betreibt mehrere Chemieparks, der größte davon ist der Standort Höchst (460 ha, 50 ha Freifläche).
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Der größte unter den von Currenta betriebenen Chempark-Standorten ist das Werksgelände in Leverkusen (480 / 30 ha).
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Am Standort Lingen im Emsland wird nicht nur Chemie hergestellt, sondern wird auch Strom und Dampf aus Kernkraft produziert. Von 500 ha Gesamtfläche sind 80 verfügbar.
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Der Chemiepark Marl landet mit einer Gesamftfläche von 650 ha auf Platz 6 unseres Rankings.
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Der Standort Schwarze Pumpe in der Lausitz kommt auf 720 ha, von denen 70 ha verfügbar sind.
M&W Group_übernimmt Ingenieur-Unternehmen IPSC in Schwedt_Werner Weber-Fotolia
Der Industriepark Schwedt wird von der PCK Raffinerie beherrscht, die gleichzeitig Betreiber des 800 ha umfassenden Geländes ist.
Tanklager der BASF in Ludwigshafen / BASF’s central fuel storage site in Ludwigshafen
Auf Platz 3 der Chemiestandorte landet das BASF-Gelände in Ludwigshafen (1000 ha). Nach jüngster Erhebung stehen dort noch 50 ha für neue Anlagen zur Verfügung.
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Mit 1200 ha Gesamtfläche und noch verfügbaren 120 ha Freifläche für Neuansieldlungen steht der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen auf Platz 2 unseres Rankings.
Photo: InfraLeuna GmbH
Die Total-Raffinerie in Kombination mit dem Chemiepark-Gelände sorgen dafür, dass der Chemiestandort Leuna mit einer Gesamtfläche von 1300 ha klar auf Platz 1 landet.

Gegenmittel: Transparenz und Verantwortung

Der transparente Umgang auch mit kritischen Themen zeigt sich in Gendorf beim Eintrag von Perfluoroctansäure (PFOA) in die Umgebung. PFOA ist eine Industriechemikalie, die seit den 1960er Jahren hier hauptsächlich als Hilfsstoff bei der Herstellung von Fluorpolymeren eingesetzt wurde. Sie verleiht Oberflächen besondere wasser-, öl- und schmutzabweisende Eigenschaften und wird deshalb vielseitig eingesetzt. In der EU ist PFOA ab 2020 verboten, da der Stoff unter anderem in der Umwelt nicht abbaubar sowie bioakkumulierend ist und die Exposition von Verbrauchern minimiert werden soll. Doch bereits 2004 wurde die Herstellung von PFOA im Chemiepark beendet. 2008 konnte das Standortunternehmen Dyneon als weltweit erster Hersteller von Hochleistungskunststoffen die Verwendung von PFOA komplett einstellen, indem es einen Ersatzstoff mit verbessertem Umweltprofil nutzte, der damals eigens in Gendorf erforscht und entwickelt wurde. Zur Vervollständigung behördlicher Analysen hat man außerdem 2009 ein unabhängiges Umweltbüro mit umfangreichen und mehrjährigen Detailuntersuchungen beauftragt, um die Auswirkungen früherer PFOA-Emissionen auf Boden und Grundwasser zu erforschen.

Um das Trinkwasser vor einem noch möglichen Anstieg von PFOA-Konzentrationen zu schützen, entschlossen sich die Industriepartner in Abstimmung mit den Behörden Aktivkohlefilteranlagen bei den Wasserversorgern der unmittelbar angrenzenden Gemeinden zu installieren. So kann der erst 2016 neu abgesenkte Leitwert für PFOA im Trinkwasser auch in Zukunft eingehalten werden. Industrieparkbetreiber und Standortunternehmen informierten die Öffentlichkeit fortlaufend über neue Erkenntnisse und stimmten sich intensiv mit den Behörden und den betroffenen Gemeinden ab. Darüber hinaus nutzen die Unternehmen im Chemiepark regelmäßig stattfindende Dialogforen mit Nachbarn und Umweltverbänden, um über Entwicklungen zu informieren, offene Fragen zu klären und auf Sorgen aus den Anwohnergemeinden einzugehen. Nicht bei allen trägt diese Strategie Früchte: Bisweilen ist eine allgemeine Industrie- und Chemieskepsis spürbar, gegen die rational schwer zu argumentieren ist.

Chemiebranche als Schmiermittel für Innovationen

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Gendorf ist ein wichtiger Standort der Fluorchemie, der eine Schlüsselrolle beim Klimaschutz zukommt. Bilder: Infraserv Gendorf

Solche Kritiker scheinen dabei einen Aspekt auszublenden: Dass in der Chemiebranche sowohl unverzichtbare Basis- und Spezialitätenprodukte für den Alltag entstehen als auch nachhaltige Produkte mit gesellschaftlichen Zukunftspotenzial. Gendorf ist beispielsweise auch ein wichtiger Standort der Fluorchemie in Europa, deren Produkte und Marken für viele Branchen essenziell sind. Fluorpolymere kommen überall dort zum Einsatz, wo lange Lebensdauer, hohe Zuverlässigkeit, Hygienestandards und Gewichtsreduktion eine große Rolle spielen. Ihr Einsatz ist etwa in der modernen Kommunikationselektronik, im Automobilbau oder in der Medizintechnik nicht wegzudenken.

Fluorpolymere haben auch eine Schlüsselrolle beim Thema Nachhaltigkeit, beispielsweise wenn es um Elektromobilität, die Energiespeicherung oder die Nutzung regenerativer Energien geht. Das sind alles Bereiche, die für die Gesellschaft immer wichtiger werden. Diese Rolle als Schmiermittel für Innovationen können Chemieunternehmen aber nur dann weiterhin ausfüllen, wenn die Standortbedingungen stimmen. Dazu zählen neben dem hohen Qualifikationsniveau der Arbeitnehmer vor allem wettbewerbsfähige Energiepreise, eine stabile Stromversorgung und Planungssicherheit. Für das Bayerische Chemiedreieck, zu dem Gendorf gehört, ist deshalb der zügige Netzausbau, um regenerative Windenergie von Nord nach Süd zu transportieren, eine wichtige Grundbedingung.

All diese Faktoren hängen von einem fairen und wertschätzenden sozialen Klima ab. Bürger und Politiker sollen Aufsichtsbehörden und Unternehmen durchaus kritisch auf die Finger schauen. Das gehört zu einer lebendigen Demokratie. Doch neben den Risiken müssen auch die Leistungen und Bedürfnisse der Branche in diesem gesellschaftlichen Dialog adäquat berücksichtigt werden – mit einem nüchternen, rationalen, und objektiven Blick auf die Tatsachen statt Panikmache. Von diesem wechselseitigen Grundvertrauen wird abhängen, ob Chemiestandorte auf lange Sicht in Deutschland eine Zukunft haben oder ob Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe zukünftig in anderen Ländern mit besseren Voraussetzungen investieren. Mit allen Konsequenzen, die das für die Zukunftsfähigkeit vieler anderer Branchen und für den Wohlstand einer Region bedeutet.

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