Energie

(Bild: peterschreiber.media – stock.adobe.com)

  • Zum Jahrestart 2021 ist ein novelliertes Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft getreten, das auch für Chemieunternehmen einige geänderte Regelungen mit sich bringt.
  • So soll in Zukunft etwa Strom für die Herstellung von Wasserstoff teilweise oder sogar ganz von der EEG-Umlage befreit werden.
  • Auch für Chemieunternehmen, denen wegen der Coronapandemie ein Verlust ihrer Privilegien drohte, wurden besondere Regelungen getroffen.

Kurz vor der Weihnachtspause 2020 hat der Bundestag das neue EEG verabschiedet – gerade noch rechtzeitig, denn ohne Novelle wäre mit dem 31. Dezember eine Reihe von befristeten Regelungen ersatzlos ausgelaufen. Schon den Entwurf des Gesetzes hatte das Bundeswirtschaftsministerium erst im September, ein halbes Jahr später als vorgesehen. Industrieverbänden und -unternehmen blieben nur noch wenig Zeit für Stellungnahmen. Das Energie-Bratungsunternehmen Enexion spricht daher im Falle des EEG 2021 von einem Gesetzgebungsprozess, der „mit heißer Nadel gestrickt“ sei.

Zwei Drittel Erneuerbare bis 2030

Dennoch wurde das neue Gesetz Ende Dezember als großer Wurf präsentiert. Wirtschaftsminister Altmaier sprach von einem „zentralen Schritt für die Energiewende.“ Das zentrale Signal, das vom EEG 2021 ausgeht, ist, dass die Novelle zum ersten Mal das Langfristziel der Treibhausgasneutralität des in Deutschland erzeugten und verbrauchten Stroms bis 2050 gesetzlich verankert. Als Zwischenschritt sieht das Gesetz das Ziel vor, bis 2030 einen Anteil der Erneuerbaren von 65 % zu erreichen.

Das klingt ehrgeizig – die Tücken liegen hier jedoch im Detail. So geht aus der Abstimmungsvorlage des Gesetzes vor, dass für die Erreichung des 65-Prozent-Ziels „ein Bruttostromverbrauch im Jahr 2030 in Höhe von 580 TWh angenommen“ wird. Diese Schätzung dürfte jedoch deutlich zu niedrig liegen. Der VCI bezeichnet die Annahme sogar offen als „unrealistisch“. Der Jahresstrombedarf in Deutschland lag nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen im Vor-Corona-Jahr 2019 schon über 600 TWh. Und trotz aller Investitionen in Fortschritte im Bereich Energieeffizienz wird der Strombedarf im Zuge der Energiewende eher noch zu- als abnehmen. Denn: Strom wird immer wichtiger – etwa für die Elektrifizierung industrieller Prozesse. Die Chemieindustrie ist dafür nur ein Beispiel. Eine treib­hausgasneutrale Chemie benötigt etwa zehnmal so viel Strom wie heute, betonte zuletzt erst wieder VCI-Präsident Christian Kullmann. Aber auch in der Stahlindustrie, im Verkehr und im Wärmesektor dürfte der Strombedarf noch steigen. Die vom EEG errechneten 377 TWh erneuerbarer Energien könnten so schnell deutlich weniger als 65 % werden.

Lkw
Die Herstellung von Wasserstoff soll künftig von Umlage-Privilegien profitieren. (Bild: Linde)

Wasserstofferzeugung wird priviliegiert

Um die Energiewende zu beschleunigen, führt die EEG-Novelle ein „ganzes Bündel an Einzelmaßnahmen“ ein. Das Gesetz legt fest, in welcher Geschwindigkeit die erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren ausgebaut werden sollen. Dazu zählt eine Neuregelung der Förderbedingungen für die einzelnen Technologien, von dem unter anderem private Betreiber von Photovoltaik-Anlagen profitieren. Profitieren soll aber auch der Bereich Wasserstoff, den die Bundesregierung immer mehr zu einem Schlüssel der Energiewende aufwertet. Die Regelungen dazu wurden noch relativ kurzfristig in den Gesetzesentwurf eingebracht. So soll für Strom, der zur Wasserelektrolyse zum Einsatz kommt, unter bestimmten Voraussetzungen wie in anderen privilegierten Bereichen nur noch 15 % der EEG-Umlage fällig werden. Die Erzeugung von sogenanntem „grünen Wasserstoff“ soll sogar ganz von der Umlage befreit werden. Diese Regelung gilt aber erst, nachdem eine spätere Verordnung genau definiert hat, was unter grünem Wasserstoff überhaupt genau zu verstehen ist.

Entlastungen sollen trotz Corona weiter gelten

Neben der Beschleunigung beim Ausbau der erneuerbaren Energien ist es auch ein dezidiertes Ziel der Gesetzesnovelle, „die weitere Kostenbelastung durch das EEG“ sowohl für Bürger wie für Unternehmen zu begrenzen, wie es vom Wirtschaftsministerium heißt. Das Gesetz solle auch die „Wettbewerbsfähigkeit der stromkostenintensiven Industrie“ sichern. Solche Belastungen entstehen etwa durch die EEG-Umlage, die laut Konjunkturpaket ab diesem Jahr auf 6,5 und 2022 schließlich auf 6,0 Cent/KWh Strom sinken soll. Die Chemieindustrie zahlt nach Angaben des VCI derzeit etwa 1,2 Mrd. Euro im Jahr für die Umlage. Das wäre noch deutlich mehr, wenn die Branche nicht von diversen Ausnahmen, Vergünstigungen und Privilegien für besonders energieintensive Unternehmen profitieren würde.

Durch Produktionsausfälle und Werksschließungen wegen der Corona-Pandemie drohten nun einige Unternehmen aus diesen Ausnahmetatbeständen zu fallen. Dem schafft die EEG-Novelle nun Abhilfe: Für die Prüfung der Berechtigung zählen nunmehr die Werte aus zwei der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre. Berechtigte Unternehmen können somit nun das „Corona-Jahr“ 2020 herausrechnen. Auch Unternehmen, deren Stromkostenintensität durch Corona – oder durch erfolgreiche Energieeffizienzmaßnahmen – unter die „magische Schwelle“ von bisher 14 % fällt, sollen weiter profitieren: Die Grenze wird auf 13 % ab 2022 und 11 % ab 2024 gesenkt.

EEG-Umlage
Auch von Corona betroffene Unternehmen sollen weiterhin entlastet werden.

stock.adobe.com (Bild: bluedesign –)

„Milliarden-Amnestie“ für große Konzerne?

Auch eine andere Ausnahme wurde verlängert: Eigentlich sollten privilegierte Unternehmen spätestens ab 2021 ein gesetzeskonformes Messkonzept für die Abgrenzung selbstgenutzten zu weitergeleiteten Strommengen vorlegen müssen. Diese Frist wurde aber nun um ein weiteres Jahr verschoben.

Deutlich kontroverser wurde eine Regelung des EEG 2021 bezüglich der sogenannten „Scheibenpacht“ aufgenommen. Hier herrschte jahrelang Uneinigkeit über die EEG-Zahlungen in Fällen, in denen unter anderem Chemieunternehmen Anteile – also „Scheiben“ – von Kraftwerken großer Energieerzeuger pachteten und so als „Eigenversorger“ von den Umlage-Privilegien profitierten. Diese rechtliche Konstruktion ist umstritten, nach Spiegel-Informationen drohten Konzernen wie Evonik, Covestro aber auch Daimler möglicherweise Nachzahlungen in Milliardenhöhe. Die EEG-Novelle erlaubt den Unternehmen nun, mit den zuständigen Übertragungsnetzbetreibern einen Vergleich auszuhandeln. Die Unternehmen müssen dann nicht mehr fürchten, gerichtlich für mögliche Rückzahlungen belangt werden zu können. Das Nachrichtenmagazin Spiegel spricht daher von einer „Milliardenamnestie für Konzerne“.

Sie möchten gerne weiterlesen?