Die enorme Sprengkraft von Ammoniumnitrat rührt von den komplett gasförmigen Zersetzungsprodukten her: Ein Kilogramm NH4NO3 zerfällt zu 980 Litern Wasserdampf, Stickstoff und Sauerstoff.

Die enorme Sprengkraft von Ammoniumnitrat rührt von den komplett gasförmigen Zersetzungsprodukten her: Ein Kilogramm NH4NO3 zerfällt zu 980 Litern Wasserdampf, Stickstoff und Sauerstoff. (Bild: Fotolia)

Im September kommenden Jahres jährt sich das bislang größte Chemieunglück bei der BASF in Ludwigshafen zum hundertsten Mal – und die Parallelen zu den gestrigen Geschehnissen in Beirut drängen sich auf: Hier wie dort kam es zu zwei kurz aufeinander folgenden Explosionen. Während in Ludwigshafen 400 Tonnen Ammoniumsulfatnitrat-Dünger explodierten, könnten es in Beirut bis zu 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat gewesen sein. So viel des Dünger- und Sprengmittel-Grundstoffs lagerten dort seit sechs Jahren – offenbar ohne ausreichende Sicherheitsmaßnahmen.

Große Teile des Hafens der libanesischen Hauptstadt seien zerstört worden, die Druckwelle sei sogar noch im 200 km entfernten Zypern zu spüren gewesen, heißt es in Medienberichten.

Hohe Sprengkraft

Das Ammoniumnitrat stammt von einem Frachtschiff, das den Stoff 2013 von Georgien nach Mosambik befördern sollte und aufgrund von Mängeln in Beirut an der Weiterfahrt gehindert wurde. Der kristalline Stoff ist wärmeempfindlich, bei 32,2 °C wechselt Ammoniumnitrat seine polymorphen Phasen. Die Zersetzung, bei der Lachgas entsteht, beginnt bei 170 °C. Durch eine starke Initialzündung zerfällt Ammoniumnitrat direkt zu Wasser, Stickstoff und Sauerstoff, was die hohe Sprenkraft des Salzes (Schwadenvolumen 980 l/kg) erklärt. Bei vollständiger Umsetzung des in Beirut gelagerten Ammoniumnitrats könnten also in Sekundenbruchteilen 2,7 Milliarden Liter Gase freigesetzt worden sein, was die Wucht der in Videoaufnahmen zu sehenden Detonation erklärt. In der Hafenanlage in Beirut war Berichten zufolge vor der Detonation die Feuerwehr aufgrund eines Brandes im Einsatz. Medien berichten zufolge könnten Schweißar beiten an der Lagerhalle ein Auslöser für die Katastrophe gewesen sein.

Ammoniumnitrat war bereits häufig die Ursache für Explosionskatastrophen. In Tianjin waren am 12. August 2015 800 Tonnen des Stoffs explodiert, zwei Jahre zuvor bei West Fertilizer in Texas kam es zu einem Unglück mit 14 Toten, 2001 starben im französischen Toulouse 31 Menschen infolge einer Ammoniumnitrat-Explosion. Die bislang verheerendsten Unglücke waren die Texas-City-Eplosion  im April 1947 (bis zu 600 Tote,  8.000 Verletzte) sowie die Explosion des Oppauer Ammoniakwerks der BASF im September 1921 (559 Tote, 1977 Verletzte). Im BASF-Werk erinnert die „Trichterstraße“ an die Katastrophe.

(as)

Hier finden Sie einen CT-Bericht zur Ammoniaksynthese und Düngerproduktion nach dem Haber-Bosch-Verfahren.

Sie möchten gerne weiterlesen?