Abkommen und institutionelle Lösungen zwischen Schweiz und EU
Die Schweiz, wenn auch kein Teil des europäischen Wirtschaftsraums, liegt mitten zwischen dessen Mitgliedsstaaten. Darum braucht es Verträge zwischen den Ländern, die den Handel über die Grenzen hinweg regeln – und davon gibt es einige.
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- Die Schweiz pflegt enge Handelsbeziehungen zur EU.
- Bilaterale Abkommen sichern Handel und Personenfreizügigkeit.
- Ein neues Paket soll Kooperation und Streitbeilegung modernisieren.
Obwohl die Schweiz kein Teil der Europäischen Union ist, unterhält sie rege Handelsbeziehungen mit den EU-Staaten. Die Schweiz exportierte 2024 über 50 % ihrer Waren in die EU, knapp 15 % nach Deutschland, und importierte 70 % ihrer Waren aus EU-Ländern, knapp 25 % aus Deutschland. Die Geschichte von Absprachen zwischen den Staaten begann 1973 mit einem Freihandelsabkommen, das zum einen den Handel mit verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten regelt, wozu Nahrungsmittel wie Schokolade, Kaffee, Getränke und Teigwaren gehören. Zum anderen werden durch das Abkommen Zölle abgeschafft und mengenmäßige Handelsbeschränkungen sowie ähnliche Maßnahmen für Industriewaren mit Ursprung im Gebiet der Schweiz und der EU verboten.
Verträge mit Guillotine-Klausel
Weiterhin existieren zwischen den Parteien zwei bilaterale Abkommen und seit Sommer 2025 zusätzlich das sogenannte Paket Schweiz-EU. Die Verhandlungen für die beiden bilateralen Abkommen begannen nach dem gescheiterten Beitritt der Schweiz in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1992. Ende 1993 stimmte die EU zu, in sieben Bereichen Verhandlungen aufzunehmen – allerdings unter der Bedingung, dass alle sieben Bereiche parallel verhandelt und im Anschluss in Kraft gesetzt werden müssten. Mit derselben Kondition für das Aufkündigen eines der Verträge: Wird einer aufgelöst, werden alle anderen auch aufgelöst. Dieses Vorgehen wird als Guillotine-Klausel bezeichnet.
Das bilaterale Abkommen I umfasst folgende sieben Bereiche: Personenfreizügigkeit, technische Handelshemmnisse, Luftverkehr, Landverkehr, Landwirtschaft, öffentliches Beschaffungswesen und Forschung. Die Bilateralen I traten im Sommer 2002 in Kraft und ermöglichen der Schweiz den Zutritt zum EU-Binnenmarkt.
Fortsetzung folgte
Schon während den Verhandlungen zu den Bilateralen I setzten Schweiz und EU eine Absichtserklärung auf, zukünftig noch weitere Punkte abzuklären. Ende 2004 einigten sich die Partner auf neun weitere Punkte, die sie in den Bilateralen II festhielten. Deren einzelne Verträge können im Gegensatz zu den Bilateralen I unabhängig voneinander in Kraft treten. Folgende Abkommen sind unter den Bilateralen II gebündelt: Schengen/Dublin, automatischer Informationsaustausch, Betrugsbekämpfung, landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte, kreatives Europa, Umwelt, Statistik, Ruhegehälter und Bildung, Berufsbildung, Jugend – alle bis auf das Betrugsbekämpfungsabkommen sind aktiv.
2011 trat dann ein Abkommen zu Zollerleichterungen und -sicherheit in Kraft, das das Güterverkehrsabkommen von 1991 ablöste. Dieses macht Zollkontrollen und -formalitäten im Güterverkehr zwischen der Schweiz und der EU einfacher und sorgt für eine koordinierte Zusammenarbeit an den Grenzstellen. Außerdem ist die Schweiz dadurch von Maßnahmen der EU gegenüber Drittstaaten wie der Voranmeldepflicht im Warenverkehr befreit.
Teile der älteren Abkommen wurden im Laufe der Zeit überarbeitet. So trat zum Beispiel 2005 eine Revision von Protokoll Nr. 2 des Freihandelsabkommens von 1973 in Kraft, das es der Schweizer Nahrungsmittelindustrie gestattet, ihre Produkte zollfrei zu verkaufen. 2014 kam noch ein Abkommen zur Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden hinzu. Dieses ermöglicht, vertrauliche Informationen auszutauschen und mit den Wettbewerbsbehörden zusammenzuarbeiten, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden. Seit 2017 ersetzt ein Abkommen zum automatischen Informationsaustausch das Zinsbesteuerungsabkommen von 2005 und soll so für mehr Steuertransparenz und weniger Hinterziehungen sorgen.
Neues Paket von 2025
Ganz aktuell haben Schweiz und EU ein neues Paket verhandelt, das sich aus neuen Abkommen und Aktualisierungen für bereits geschlossene Abkommen zusammensetzt. Die Verhandlungen, die 2024 begannen, wurden im Mai 2025 formell abgeschlossen. Mit dem Verabschieden der Botschaft zuhanden des Parlaments rechnen die beiden Parteien im ersten Quartal 2026.
Im Paket Schweiz-EU neu dabei sind Abkommen zu Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit, während die Abkommen zu technischen Handelshemmnissen, Landwirtschaft, Luft- und Landverkehr sowie Personenfreizügigkeit durch Aktualisierungen den Austausch zwischen den Staaten stabilisieren sollen. Ebenfalls im Paket enthalten sind institutionelle Elemente, die die Rechtsstabilisierung gewährleisten sollen. Dazu gehört das einheitliche Auslegen der Abkommen, deren Überwachen und zukünftige Streitbeilegung durch ein paritätisches Schiedsgericht. Gerade die neu aufgenommenen institutionellen Elemente sind dafür da, dass alle Abkommen auch unter neuen Bedingungen stets aktuell sind und ein entstehender Streit in geordneten Abläufen beigelegt werden kann. Auf diese Weise profitieren Menschen, Industrie und Wirtschaft vom Handel zwischen den Ländern – egal ob nun im EWR oder nicht.