
Die Brückenlösung erhielt auch die Zustimmung in der Bundestarifkommission der Gewerkschaft. (Bild: IGBCE)
Laut der Einigung gelten die bisherigen Entgelttabellen bis Oktober zunächst unverändert weiter. Jede und jeder der 580.000 Tarifbeschäftigten der Branche in insgesamt 1.900 Betrieben erhält aber spätestens im Mai eine Brückenzahlung in Höhe von einmalig 1.400 Euro. In Betrieben mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kann der Betrag auf 1.000 Euro reduziert werden. Auszubildende erhalten pro Kopf 500 Euro.
Die Zwischenlösung war von der Gewerkschaft IGBCE wegen der ungewissen Folgen des Krieges in der Ukraine ins Spiel gebracht worden. Diese, so das Kalkül der Tarifparteien, lassen sich im Oktober, wenn die Verhandlungen fortgesetzt werden, besser abschätzen. „In einer Phase extremer Unsicherheit sorgen wir für etwas mehr Verlässlichkeit auf beiden Seiten“, erklärte Kai Beckmann, Präsident des Arbeitgeberverbandes BAVC. „Diese Zwischenlösung ist alles andere als unsere Wunschvorstellung“, heiß es von Gewerkschaftsseite. „Aber sie gibt uns die nötige Atempause, um die geopolitischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der kommenden Monate abzuwarten und diese Tarifrunde auf Basis einer dann hoffentlich klareren Datenlage im Herbst fortzusetzen“, so der Verhandlungsführer und stellvertretende Vorsitzende der IGBCE, Ralf Sikorski.
Bei den Gesprächen im Oktober soll dann geklärt werden, ob und inwieweit die zunächst kurzfristig gegen die ausufernde Inflation wirkende Entlastung in eine nachhaltige, tabellenwirksame Entgelterhöhung gewandelt werden kann. Dies bleibe weiterhin das Ziel der Verhandlungen, wie die IGBCE betonte. Die Arbeitgeber gehen daher nicht davon aus, dass die Gespräche dann einfacher werden. „Aber sie finden hoffentlich auf einer solideren Grundlage und in Friedenszeiten statt“, so BAVC-Präsident Beckmann.
Einigung bei Schichtzuschlägen und Homeoffice
Während in der Entgelt-Frage eine Übergangslösung steht, konnten sich beide Seiten bereits in einigen Punkte einigen:
Bei der Schichtarbeit werden für die besonders belastenden Nachtschichten die Zulagen vom 1. Juli an auf 20 % vereinheitlicht. Bisher galt dies nur für unregelmäßige, nicht aber für regelmäßige Nachtarbeit. Die Lösung entspricht laut der Gewerkschaft einem Lohnplus von 1,7 % für die in Schichtarbeit Beschäftigten. Gefordert hatte die Gewerkschaft ursprünglich eine Vereinheitlichung auf 25 %.
Eine weitere Einigung sieht vor, dass die Praxis der mobilen Arbeit in den Unternehmen wissenschaftlich evaluiert werden soll. Ergebnisse der Studie sollen im Jahr 2023 vorliegen. Ziel ist es, die bisherige Praxis mobiler Arbeit mit Blick auf die Auswirkungen auf Arbeits- und Gesundheitsschutz, Arbeitszeitgestaltung, Mitbestimmung, Produktivität, Arbeitsorganisation und Datensicherheit zu hinterfragen und daraus gegebenenfalls tarifpolitische Maßnahmen und Handlungsperspektiven abzuleiten.
Mit dem Förderprogramm „Ausbildungplus“ soll die Ausbildung in kleinen und mittleren Unternehmen gestärkt und Pandemie-bedingte Defizite der Ausbildungs- und Prüfungsjahrgänge 2022 und 2023 ausgeglichen werden. Auszubildende erhalten bei Bedarf eine zusätzliche Lernunterstützung und Prüfungsvorbereitung. Dafür sollen die Instrumente des Unterstützungsvereins der chemischen Industrie (UCI) ausgeweitet werden. Das Fördervolumen beträgt 3 Mio. Euro. Generelles Ziel ist es, Ausbildungshemmnisse abzubauen.
Zum Vergleich: Das waren die Forderungen der Gewerkschaft im Vorfeld

Die Chemie-Tarifverhandlungen betreffen deutschlandweit rund 580.000 Beschäftigte in der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Die Gespräche zwischen der Gewerkschaft und den Arbeitgebern sind am 2. März zunächst auf regionaler Ebene gestartet, am 21. März wird in Hannover erstmals auf Bundesebene verhandelt. (Bild: IG BCE)

Ins Zentrum ihrer Forderungen hat die Chemiegewerkschaft die Erhöhung der Löhne und Gehälter sowie der Ausbildungsvergütungen gestellt. Angesichts des Fachkräftemangels seien Investitionen ins Personal im ureigenen Interesse der Chemiebetriebe. "Sie brauchen dringend eine Investitionsoffensive – mit Blick auf ihre Attraktivität als Arbeitgeber, die Wertschätzung ihrer Beschäftigten, die Nachwuchsarbeit“, sagte der stellvertretende IGBCE-Vorsitzende Ralf Sikorski. (Bild: K.-U. Häßler – stock.adobe.com)

Eine genaue Zahl, um wieviel die Entgelte steigen sollen, nennt die Gewerkschaft nicht. Da die Beschäftigten wie der Rest der Bevölkerung derzeit von der hohen Inflation betroffen ist, müsse aber am Ende "ein Plus oberhalb der Teuerungsrate" stehen. Die Inflationsrate in Deutschland lag im Januar 2022 bei 4,9 % (im Vergleich zum Vorjahr). (Bild: sewcream – stock.adobe.com)

Gefordert wird außerdem eine Erhöhung der Schichtzuschläge für die Beschäftigten in Nachtschichten auf einheitlich 25 %. „Es waren die Schichtarbeiter, die in der Pandemie 24/7 den Laden am Laufen gehalten haben, während ihre Vorstände im Homeoffice arbeiten konnten“, so Gewerkschaftsfunktionär Sikorski. Heute sei Schichtarbeit für junge Menschen unattraktiver denn je. „Wir müssen und werden das ändern.“ (Bild: Thorsten Frisch – stock.adobe.com)

Die Attraktivität des Arbeitsplatzes steht auch beim Thema "mobile Arbeit" und Homeoffice im Vordergrund. Die Arbeitswelt werde sich in den nächsten Jahren "massiv verändern", glaubt die Chemiegewerkschaft. Daher bedürfe es klarer tariflicher Leitplanken für betriebliche Vereinbarungen, "damit wir für die gesamte Branche zu einheitlichen Qualitätsanforderungen an gute mobile Arbeit kommen". (Bild: Jürgen Fälchle – stock.adobe.com)

Eine weitere wichtige Forderung betrifft die Ausbildung. In der Corona-Krise hatten zudem viele Chemieunternehmen ihre Ausbildungsanstrengungen zurückgefahren, so die Gewerkschaft. Das sei "ein falsches Signal an die junge Generation". Die IGBCE will deshalb neue Fördermöglichkeiten zur Ausbildung Jugendlicher schaffen. (Bild: industrieblick – stock.adobe.com)

Ihre Forderungen stützt die Gewerkschaft auf die Beobachtung, dass die wirtschaftliche Situation der Chemie- und Pharmabranche positiv sei. In einer Umfrage gaben 78 % der befragten Beschäftigten an, ihrem Arbeitgeber gehe es gut bis glänzend. (Bild: IG BCE)

Die Arbeitgeber sehen dies naturgemäß anders. Trotz der deutlichen Erholung der letzten Monate liege die Produktion der chemisch-pharmazeutischen Industrie nach Rezessionsverlusten und Corona-Krise noch nicht wieder auf Wachstumskurs, erklärte etwa der Hauptgeschäftsführer der Chemie-Arbeitgeber Westfalen Dirk W. Erlhöfer. Außerdem seien die Betriebe „flächendeckend durch massiv gestiegene Energie- und Rohstoffkosten sowie Logistikprobleme belastet“. Die Arbeitgeberverbände weisen die Forderungen der IG BCE daher als „teures Überraschungspaket“ weitgehend zurück. (Bild: wsf-f – stock.adobe.com)
Strittig zwischen IGBCE und Arbeitgebern war lange, ob Teilzeitbeschäftigte anteilig Anspruch auf Altersfreizeit haben. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts haben die Tarifparteien diesen Anspruch nun im Manteltarifvertrag festgeschrieben. Zudem werden weitere Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Altersfreizeit geschaffen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, den Anspruch auf Altersfreizeiten durch eine der folgenden Optionen zu ersetzen: flexibler Übergang in den Ruhestand, Einzahlung in die betriebliche Altersversorgung, Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung, Einbringung in das Langzeitkonto.
Beide Seiten haben sich auf Eckpunkte eines Tarifvertrags zur Einführung des so genannten Sozialpartnermodells verständigt, der bis 30. Juni stehen soll. Das Sozialpartnermodell soll die betriebliche Altersvorsorge attraktiver machen, indem es die Möglichkeit für andere Anlageformen und damit höhere Zinsen eröffnet. Der Arbeitgeber zahlt dabei einen 15-prozentigen Zuschuss zur Entgeltumwandlung des Arbeitnehmers sowie einen 5-prozentigen Sicherungsbetrag als Kompensation für den Wegfall der Arbeitgeberhaftung.
Gleichzeitig wollen die Sozialpartner ein klares Signal der Solidarität mit den Menschen aus der Ukraine senden. Beide Seiten verabredeten eine Spende des Unterstützungsvereins der chemischen Industrie (UCI) in Höhe von 1 Mio. Euro. Damit soll die Initiative von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil unterstützt werden, Qualifikationen von Geflüchteten aus der Ukraine schneller anzuerkennen und verstärkt Sprachkurse anzubieten.
Bildergalerie: Was verdienen Ingenieure in der Industrie?

8) Ingenieurbüros / Planer unter Plan - Die Durchschnittsgehälter für Ingenieure im Bereich Projektierung starten mit 54.600 Euro. Platz 8 im Gehaltsranking. (Bild: Nomad_Soul - Adobe Stock)

7) Baugewerbe / Stein auf Stein - Im Baugewerbe lag das Durchschnittsgehalt für Ingenieure 2020 bei 55.325 Euro im Jahr – und damit knapp 5.000 Euro unter dem Durchschnitt aller Branchen. (Bild: TimeStopper AdobeStock)

6) IT / Bits and Bitcoins - Informatiker sind gefragt, allerdings absolvieren auch überproportional viele Studenten der Ingenieurswissenschaften diese Fachrichtung. So verdienen Ingenieure in der Informatik-Branche laut dem acht Positionen umfassenden Ranking im Schnitt 61.000 Euro p.a. (Bild: BillionPhotos – Adobe Stock)

5) Elektrotechnik / Nieder- bis Hochspannung - Einen deutlichen Sprung macht das Gehaltsgefüge in der nächsten Position, der Elektrotechnik: Die Ingenieure verdienen in dieser Branche im Mittel 66.300 Euro. (Bild: industrieblick – Adobe Stock)

4) Maschinenbau / Heavy metal, heavy payday - Im Schnitt 100 Euro mehr als in der Elektrotechnik verdienen Ingenieure im Maschinenbau: Das Durchschnittsgehalt liegt hier bei 66.400 Euro pro Jahr. (Bild: Industrieblick – Adobe Stock)

3) Energietechnik / Power fürs Konto - Deutlich über dem Durchschnitt werden Ingenieure in der Energietechnik bzw. in der Energiewirtschaft bezahlt: Mit durchschnittlich 68.980 Euro landen sie auf Platz drei des Gehaltsrankings für Ingenieure. (Bild: Industrieblick – Adobe Stock)

2) Autoindustrie / 13.000 Euro über dem Schnitt - Besonders gut bezahlt die Autoindustrie ihre Ingenieure. Mit 73.100 Euro liegt die Branche mehr als 13.000 Euro über dem Durchschnitt aller Branchen und sichert sich damit Platz 2 im Ranking. (Bild: Small Town Studio Fotolia)

1) Chemie und Pharma / Lohnende Verbindungen - Mit Jahresgehältern von durchschnittlich 79.115 Euro werden Ingenieure in der Chemie am besten bezahlt. Die Zahl reflektiert allerdings auch das Durschnittsalter der Ingenieure in dieser Branche. Das Einstiegsgehalt liegt bei 54.000 Euro. (Bild: industrieblick ra2 studio – Adobe Stock)
Sie möchten gerne weiterlesen?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos:
Mit der Registrierung akzeptiere ich die Nutzungsbedingungen der Portale im Industrie-Medien-Netzwerks. Die Datenschutzerklärung habe ich zur Kenntnis genommen.
Sie sind bereits registriert?
Hier anmelden
Diskutieren Sie mit