Die Explosion im Hafen von Beirut am 4. August 2020 entfaltete enorme zerstörerische Wirkung. Bild Wikipedia Freimut Bahlo CCBY-SA 4.0.png

Die Explosion im Hafen von Beirut am 4. August 2020 entfaltete enorme zerstörerische Wirkung. (Bild: Wikipedia Freimut Bahlo (Creative Commons, CCBY-SA 4.0)

Heute jährt sich die Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut, die den gesamten Libanon auch ein Jahr danach noch prägt: Am 4.8.2020 um 18:08 Uhr war bei Schweißarbeiten in Halle 12 des Hafens von Beirut ein Feuer ausgebrochen, infogedessen nicht nur gelagerte Feuerwerkskörper explodierten, sondern auch 2.750 Tonnen des Düngemittels und Sprengstoff-Rohstoffs Ammoniumnitrat. Mindestens 207 Menschen verloren in der Folge ihr Leben, über 6.500 wurden verletzt und 300.000 Einwohner von Beirut mussten ihre Häuser verlassen. In einem News-Ticker informierten wir damals über die Explosion und deren Ursachen.

Auch ein Jahr nach der Katastrophe beschäftigt das Ereignis nicht nur Ermittler und Gerichte, sondern bleiben auch die Erschütterungen im politischen System des Libanon noch spürbar: Massenproteste hatten sechs Tage nach der Explosion zum Rücktritt der Regierung geführt. Regierung und Behörden wurde und wird massives Versagen bei der Sicherung der brisanten Chemikalie vorgeworfen.

Das Ammoniumnitrat stammte vom georgischen Chemieunternehmen Rustavi Azot und war auf dem Weg nach Mosambik, wo es in einer Sprengstofffabrik verarbeitet werden sollte. Der dazu genutzte russische Frachter unter moldawischer Flagge wurde 2013 in Beirut auf Grund mangelnder Seetauglichkeit festgesetzt und das Nitrat 2014 in ein Lagerhaus im Hafen verbracht. Obwohl die Zollbehörde die Justiz in der Folge um Eine Entscheidung bat und auf die Gefahr hingewiesen hatte, verblieb das brisante Material im Hafen.

Verantwortliche nach wie vor nicht ermittelt

Kurz vor dem Ereignis seien im Juli 2020 sowohl der Präsident als auch der Ministerpräsident über das im Hafen gelagerte Ammoniumnitrat und dessen Brisanz informiert worden. Die Sicherheitsbehörden hatten in dem Schreiben an die Politiker auch darüber informiert, dass in derselben Halle auch Feuerwerkskörper, Kerosin und Tausende Autoreifen gelagert wurden.

In der Folge der Explosion und der Zerstörungen waren zunächst der Zollchef, der Chef der Staatssicherheit und der Hafendirektor verhaftet worden. Wer tatsächlich die Verantwortung hatte, ist bis heute noch nicht gerichtlich geklärt. Der zuständige Ermittlungsrichter war geschasst worden, nachdem er Anklage gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten und drei ehemalige Minister erhoben hatte.

 

 

Klarheit über Chemie der Explosion

Klarheit herrscht allerdings über die Chemie der Explosion, denn Ammoniumnitrat ist ein aus früheren Explosionsereignissen guter Bekannter: Der kristalline Stoff ist wärmeempfindlich, bei 32,2 °C wechselt Ammoniumnitrat seine polymorphen Phasen. Die Zersetzung, bei der Lachgas entsteht, beginnt bei 170 °C. Durch eine starke Initialzündung zerfällt Ammoniumnitrat direkt zu Wasser, Stickstoff und Sauerstoff, was die hohe Sprenkraft des Salzes (Schwadenvolumen 980 l/kg) erklärt.

Ammoniumnitrat war auch die Ursache für folgende Explosionen:

  • Tianjin, 12.8.2015
  • Texas, West Fertilizer, 2013
  • Toulouse, 2001
  • Texas City, 1947
  • Ludwigshafen-Oppau, 1921

 

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