perfluorierten Alkylverbindungen (PFAS)

Die EU-Kommission diskutiert ein Verbot von perfluorierten Alkylverbindungen (PFAS). Die sogenannten "Ewigkeitschemikalien" könnten dann jedoch an wichtigen Stellen empfindlicher Lieferketten fehlen. (Bild: Sergej Shimanowitsch – stock.adobe.com)

Der Verbotsvorschlag, den die ECHA im Februar vorgelegt hat, umfasst mehr als 10.000 Per- und Polyfluoralkyl-Chemikalien. Diese PFAS sind eine seit den 1940ern weitverbreitete und sehr beständige Gruppe synthetischer Stoffe. Aufgrund ihrer hohen Beständigkeit gegenüber extremen Temperaturen, ihren stark wasser- und ölabweisenden Eigenschaften sowie ihrer elektrischen Isolierfähigkeit kommen PFAS-Chemikalien vielfältig in industriellen Prozessen und Produkten zum Einsatz. Viele davon sind essenziell, beispielsweise bei der Oberflächenbehandlung metallischer Gegenstände, in Kabeln, Dichtungen, Kühlmitteln oder Feuerlöschschäumen. Auch in zahlreichen Alltagsprodukten sind sie enthalten, etwa in beschichteten Pfannen, regenabweisender Kleidung oder Backpapier. Nicht zuletzt finden PFAS-Chemikalien in der Medizintechnik breite Anwendung – in Geräten wie auch als Bestandteil von Medikamenten.

Die Beständigkeit ist sowohl Stärke als auch Herausforderung der PFAS-Chemikalien. Sie stellt ein ernstes Problem für die Umwelt dar: PFAS werden dort fast gar nicht abgebaut. Sie verbleiben als Überreste industrieller Prozesse oder auch nach Degradierung von Produkten, in denen sie enthalten sind, in Abfall und Abwasser. Daher sind sie auch als „Ewigkeitschemikalien“ bekannt. Gleichzeitig sind sie bioakkumulativ und gehen leicht von einem Medium in das andere über. Über Nahrungskette und Trinkwasser gelangen PFAS-Chemikalien in den tierischen und menschlichen Organismus, wo sie toxische Wirkung entwickeln können. Sie stehen im Verdacht, eine Ursache für viele Gesundheitsschäden zu sein, etwa Fortpflanzungs- und Nierenfunktionsstörungen, Schilddrüsenerkrankungen oder verschiedene Formen von Krebs.

10.000 Substanzen müssten schnell ersetzt werden

Angesichts dieser schädlichen Wirkung erfahren PFAS-Chemikalien hohen Stellenwert in der öffentlichen Wahrnehmung. Es ist wahrscheinlich, dass der Vorschlag für ein umfassendes Verbot von PFAS-Chemikalien angenommen wird. Gegebenenfalls müssten dadurch über 10.000 per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen vom EU-Markt verschwinden. Zum Teil sind diese zwar nur „theoretisch“, da die Europäische Kommission eine gruppenbasierte Liste von PFAS anhand chemischer Eigenschaften als Grundlage heranzieht, jedoch hätte dies starken Einfluss auf mögliche Substitutionen, auch sogenannte „regrettable substitutions“.

Wegen des hohen öffentlichen Drucks und auch weil Milliarden Euro an Investitionen bedroht sind, werden Diskussionen um ein PFAS-Verbot mit hoher Priorität geführt. Nicht zuletzt werden sie auch als „Gold-Thema“ bei der Begründung von neuen, unter Reach 2 zu erwartenden Mechanismen bei der Gefahrenbewertung von Stoffen gesehen, was ebenfalls zu einem Platz weit oben auf der Agenda führt. Bei PFAS ist ausreichender Wille für eine schnelle Entscheidungsfindung vorhanden.
Hierbei werden Übergangsfristen zwischen achtzehn Monaten und dreizehneinhalb Jahren diskutiert. Je nach Anwendung haben Unternehmen unterschiedlich lange Zeit, PFAS-Substanzen durch Alternativen zu ersetzen. Die ersten Einschränkungen sind nach aktuellem Stand voraussichtlich 2025 zu erwarten. Die letzten Ausnahmen (etwa im Medizingerätsektor) dagegen würden um 2037 herum auslaufen. Für einige Bereiche, wie Human- und Tierarzneimittel, stehen unbefristete Ausnahmen zur Diskussion.

Zahlreiche Prozesse brauchen Ersatzstoffe

Ein umfangreiches Verbot wird nicht nur PFAS-Produzenten erhebliche Obsoleszenz-Probleme bereiten. Nicht weniger schwer wird es alle Unternehmen treffen, die PFAS-Chemikalien in ihren Produkten und Prozessen einsetzen. Da PFAS-Hersteller ihre Produktplanung jetzt bereits überdenken müssen, ist die Verfügbarkeit von PFAS auf dem Markt gefährdet. Unternehmen, die auf PFAS angewiesen sind und von einem Verbot ausgenommen wären, hätten dennoch Schwierigkeiten, PFAS-Chemikalien zu beschaffen. Ebenso herausfordernd wie das Verschwinden aus Produkten ist dabei das Verschwinden von PFAS aus Prozessen. Zahlreiche industrielle Prozesse sind in hohem Grad vom Einsatz von PFAS abhängig, etwa bei der Oberflächenbehandlung metallischer Erzeugnisse.

Die Chemieindustrie muss als Folge mit hohem Innovationsdruck rechnen. Ersatzstoffe für die verbotenen PFAS werden benötigt und müssen entwickelt werden. Dies wird zu erheblichem Aufwand führen, wie Investitionen in Produktentwicklung, dem Aufbau neuer Produktionskapazitäten, Kosten für Ausbildung und Kommunikation sowie eventuell auch Kosten für Folgeschadenbeseitigungen (Polluter Pays Principle).

Lieferketten werden sich massiv ändern

Ein Verstoß gegen das PFAS-Verbot wiederum wäre schwerwiegend. Egal ob bewusst oder unbewusst wird er zum Verlust des Zugangs zum EU-Markt führen. Hersteller und Nutzer sehen sich hohen Obsoleszenz-Risiken gegenüber, sowohl für den Warenfluss nach Europa als auch den aus Europa heraus. In vielen kritischen Bereichen werden aber PFAS nicht im Endprodukt zu finden sein, sondern in der Herstellung. Damit sind PFAS verwendende Lieferanten kritisch für die Lieferketten. Dies zeigt die konstant steigende Bedeutung von transparenten Lieferketten und aussagekräftigen Daten über Zulieferer. Wissen Hersteller nicht, ob und wo diese
PFAS-Chemikalien einsetzen, entsteht ein bedeutsames operatives Risiko. Oft ist Wissen über den Einsatz von PFAS in der nachgelagerten Lieferkette oder bei Prozess­chemikalien Stand heute nicht vorhanden.

Mit Blick auf die Versorgungssicherheit ist ein proaktives Vorgehen notwendig. Um PFAS zu ersetzen, müssen Unternehmen Produktionslinien stark modifizieren. Vor allem anfangs könnte dabei zudem Knappheit an PFAS-freiem Ersatz auf dem Markt zu Verzögerungen und Unterbrechungen der Lieferketten führen. Ersatztechnologien müssen häufig erst noch entwickelt werden oder sie sind bislang noch teuer und schlecht anwendbar. Ebenfalls können Produzenten gezwungen sein, bestehende Zulieferer durch neue zu ersetzen. Auch bei diesen muss Transparenz hinsichtlich des Gehalts an PFAS-Chemikalien geschaffen werden. Die damit verbundenen Prozesse können äußerst zeitintensiv sein.
PFAS-Risiken identifizieren, Compliance-­Strategien implementieren

Um die drohenden Folgen abzumildern, gilt es schon jetzt, spezifische PFAS-Risiken zu identifizieren. Hersteller sollten Produkte und Prozesse im Detail untersuchen. Bereits dadurch können sich Hinweise ergeben, ob PFAS eingesetzt werden und wenn ja, wo in der Lieferkette das der Fall ist.
Außerdem sollten sie eine konkrete PFAS-Strategie in Compliance-Programmen verankern, die Auskunft gibt, bis wann das jeweilige Unternehmen seine Produktion an die bevorstehenden gesetzlichen Vorschriften anpassen wird. Bei der Festlegung von Fristen sollten sich Unternehmen dabei an den Daten des Inkrafttretens gesetzlicher Vorschriften orientieren, aber auch Anfragen für verlängerte Fristen einbeziehen.

Das Risiko, PFAS in den eigenen Lieferketten zu finden, steigt mit der Anzahl der Zulieferer. Schnell kann es beinahe unüberschaubar werden. Die Anzahl der verfügbaren Experten ist niedrig und oft ist es schwierig, Daten aller Zulieferer zu bekommen. Hilfe bieten spezialisierte Anbieter wie Assent, die mit ihrer Expertise in Zulieferer-Monitoring, Datenbeschaffung und Compliance Regulatorik Lieferketten transparent machen. Solche tiefen Einblicke in die Supply Chains und Unterstützung hinsichtlich der sich permanent weiterentwickelnden Gesetzgebung sind notwendig. Nachhaltigkeit und Compliance stehen auf der Agenda der Gesetzgeber weit oben wie selten zuvor. Auch bei PFAS ist es wahrscheinlich, dass mit einem EU-Verbot noch lange nicht das letzte Wort gesprochen ist.

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