Mit Bäumen bepflanzter Parkplatz, im Hintergrund Industrieanlagen

Bei nachhaltiger Wärmeversorgung sollten Chemie­industrie und Kommunen zusammenarbeiten. (Bild: Uwe – stock.adobe.com)

Wärme – aber bitte klimaneutral. Diese Forderung gewinnt zunehmend an Bedeutung in politischen Debatten und der Gesellschaft. Eine klimaneutrale Wärmeversorgung ist nicht nur entscheidend, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen: Sie wird auch immer wichtiger, da fossile Brennstoffe wie Gas oder Öl zunehmend teurer werden. Die Preisanstiege belasten nicht nur die Haushaltskassen der Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch die Budgets von Industrie und Unternehmen.

Die Wärmewende zielt darauf ab, Heizen wirtschaftlicher zu machen und dabei gleichzeitig CO₂-Emissionen zu reduzieren. Das jüngst entworfene Gesetz zur Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze treibt diese Bestrebungen weiter voran. Es fordert von Kommunen und Städten, Fahrpläne für den weiteren Ausbau von Wärmenetzen und die Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung aufzustellen. Die Wärmeplanung soll zeigen, wo es vor Ort klimafreundliche Möglichkeiten für Fernwärmeversorgung gibt oder geben wird und wie Gebäude daran angeschlossen werden können. Das schafft flächendeckend Planungs-, Versorgungs- und Investitionssicherheit. Hieran könnte sich auch die Chemieindustrie beteiligen – und davon profitieren.

 

Lokale Wärmequellen gesucht

Um Deutschlands Wärmenetze bis 2045 klimaneutral zu gestalten, prüfen Städte und Kommunen nicht nur Möglichkeiten zum Ausbau ihrer Fernwärmenetze, sondern auch die Erweiterung dezentraler Nahwärmekonzepte. Dabei suchen sie verstärkt nach Energiequellen abseits der großen Müllverbrennungsanlagen und Kraftwerke, nahe der Verbraucherinnen und Verbraucher. Hierzu gehören beispielsweise große Rechenzentren oder Industrieunternehmen und -standorte, die beträchtliche Abwärme erzeugen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Abwärme an Städte und Kommunen weiterzugeben: Wärmeübertrager leiten dabei die Energie vom Erzeuger ins Wärmeleitungssystem. Die Wärmeenergie wird entweder über ein neues Leitungssystem zum bestehenden Kraftwerk weitergeleitet und dort in die vorhandene Wärmeverteilung eingespeist oder es wird ein kleines Wärmenetz für nahegelegene Abnahmestellen aufgebaut.

Phasen industrieller Projekte und Projektsteuerungsbedarfe.
Phasen industrieller Projekte und Projektsteuerungsbedarfe. (Bild: Thost Projektmanagement)

Schlüsselrolle für die Chemieindustrie

Neben Industriestandorten können Wärmequellen wie Luft, Geothermie und Gewässer mithilfe von Großwärmepumpen als Wärmeerzeuger genutzt werden. So funktioniert eine effiziente Wärmebereitstellung ohne fossile Brennstoffe auch in dicht besiedelten Gebieten bei geringem Platzbedarf.

Die Chemieindustrie kann in diesem Kontext eine Schlüsselrolle spielen. Einige, insbesondere große Chemiestandorte, nutzen ihre Abwärme bereits heute für nachgelagerte Prozesse im Verbund und zur Beheizung von angrenzenden Büro- oder Wohnkomplexen. Doch nicht jeder Standort verbraucht seine Abwärme vollständig. Das eröffnet Möglichkeiten für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Stadtwerken und Kommunen, die vom Bund Fördermittel erhalten, um ihre Wärmeplanung in die Tat umzusetzen. Unter anderem unterstützt die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) den Umbau zur treibhausgasneutralen kommunalen Wärmeinfrastruktur.

Zudem bieten sich weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Industrie und Stadtwerken an: Neben der Weitergabe unvermeidbarer Abwärme an Stadtwerke und Kommunen wird auch der Ausbau von erneuerbaren Energien gefördert. Um diese Projekte wirtschaftlich umsetzen zu können, benötigen die Energieerzeuger industrielle Abnehmer als verlässliche Verbraucher. In Stuttgart ist beispielsweise eine Pipeline für klimaneutralen Wasserstoff zur Energieversorgung im Bau, die Esslingen und Stuttgart vernetzen soll – mit Erweiterungspotenzial. Das Förderprogramm „Modellregion Grüner Wasserstoff“ der EU und des Landes Baden-Württemberg unterstützt dieses Modellvorhaben mit elf Millionen Euro.

Sowohl Energieerzeuger als auch Anwenderinnen und Anwender sollen sich auf der Strecke der Wasserstoffpipeline anschließen und so ein weitreichendes Verteilernetzwerk entwickeln. Diverse Unternehmen interessieren sich für einen potenziellen Anschluss, da­runter die Stuttgarter Straßenbahnen AG und der Automobilhersteller Mercedes-Benz. Auch die lokale Chemieindustrie könnte bei derartigen Projekten als geeigneter Partner und verlässlicher Abnehmer mitwirken und von einer Win-win-Situation profitieren: Als Abnehmer unterstützt sie nicht nur die Projekte der Stadtwerke – sie stellt auch ihre Energieversorgung auf klimaneutral um und spart mit dem Verzicht auf fossile Brennstoffe künftig bares Geld.

Dekarbonisierung in der Praxis

Die Dekarbonisierung und die Weiterverwendung von Abwärme sind in der Chemieindustrie seit Jahren ein wichtiges Thema. Nun gewinnen sie nicht nur durch weiter steigende Energie- und CO₂-Kosten, sondern auch durch fordernde und fördernde Maßnahmen des Gesetzgebers weiter an Dringlichkeit – unter anderem in Form des Gesetzes zur Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze sowie zugehöriger Fördermaßnahmen. Es ist an der Zeit, von der Strategie in die praktische Umsetzung überzugehen und Transformationsprozesse auf den Weg zu bringen. Dies schließt den Umgang mit überschüssiger Abwärme aus industriellen Prozessen ein, ebenso wie die Möglichkeiten, die eigene Energie- und Wärmeversorgung klimaneutral umzustellen.

Eine intensivere Zusammenarbeit der Industrie mit Stadtwerken und Kommunen kann dabei vorteilhaft sein – erst recht, nachdem der Bedarf an klimafreundlicher Wärme durch die politische Diskussion rapide gestiegen ist. Die Bürgerinnen und Bürger des Landes sind zunehmend dazu bereit, ihre Gebäude anschließen zu lassen, statt sich selbst zu versorgen. Stadtwerke berichten von kaum zu bewältigender Zunahme der diesbezüglichen Anfragen, so ein Vertreter eines der von Thost betreuten Stadtwerke.

Die Chemieindustrie kann und sollte in diesem Zusammenhang beides sein: Anbieter und Abnehmer. Die Mammutprojekte zur Transformation der Netzinfrastruktur und zum Ausbau der Wärmenetze sind dabei in erster Linie Aufgaben der Stadtwerke und Kommunen. Bei der Projektinitialisierung sollten sie einige wesentliche Faktoren berücksichtigen und sich insbesondere mit dem Fördermittelmanagement und Genehmigungswesen frühzeitig auseinandersetzen. Die Anforderungen und Unterlagen für die Fördermittel von EU-, Bund- oder Länderebene können variieren und erfordern genaue Aufmerksamkeit. Daneben gilt es, sämtliche Stakeholder mit ins Boot zu holen und eine solide Projektorganisation sowie Terminplanung auf die Beine zu stellen.

Ein professionelles Projektmanagement ist in den verschiedenen Projektphasen der Initialisierung, Planung, Steuerung und Umsetzung aufgrund der besonderen Komplexität und Zwangspunkte im Kontext Fördermittel und Stakeholder wesentlicher Erfolgsfaktor. Thost bringt Industrie, Stadtwerke und Kommunen an einen Tisch – und treibt gemeinsam den Ausbau von klimaneutralen Wärmenetzen voran.

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