Keramische Messzelle VEGA

Durch den Einsatz von zwei getrennt arbeitenden Sensoren, die elektronisch miteinander verbunden werden, lassen sich Differenzdruckmessungen ohne aufwändige und anfällige Impulsleitung realisieren. (Bild: VEGA)

Wenn an einem wichtigen Reaktor in einer Chemieanlage der Prozessdruck ungewöhnlich steigt oder abfällt, steigt der Puls der Anlagenfahrer:

  • Was bedeutet das für die Sicherheit der Anlage?
  • Welche Konsequenzen hat der Vorgang für die Qualität der Charge?
  • Was ist der Grund für den Vorgang?

Indizien liefert dann ein Blick auf den Messwertverlauf – nicht nur der am Reaktor verbauten Drucksensoren, sondern auch anderen Messstellen: Temperatur, Durchfluss, Füllstand und mehr. Sind diese innerhalb der üblichen Spezifikationen, kann die Ursache ein Sensorfehler sein.

Druckmessung in Chemieanlage
Die Druckmessung gehört zu den häufigsten Anwendungen in der Betriebsmesstechnik, wie hier an einem Dampferzeuger. (Bild: VEGA)

Warum sind Drücke ein wichtiger Parameter für Sicherheit und Produktqualität?

Grafik Druckmessung
Das Prinzip einer Drucksensor-Messung. (Bild: VEGA)

In der chemischen Industrie werden Drücke jedoch nicht nur an Reaktoren gemessen. Auch Füllstände, Volumenströme oder Zustände von Filtern lassen sich über Druck- und Differenzdruckmessungen ableiten. So ist Druck nach der Temperatur in der Chemie die am häufigsten gemessene Prozessgröße und ein wichtiger Parameter für die Sicherheit und Produktqualität. Doch die Chemie stellt auch besondere Herausforderungen an die eingesetzten Sensoren.

Drucksensoren aus Metall bilden seit Jahrzehnten das Rückgrat der Betriebsmesstechnik in chemischen Prozessen. Die Geräte werden in der Regel aus Edelstahl oder anderen hochwertigen Legierungen hergestellt und sind für den Einsatz in rauen Industrieumgebungen ausgelegt. Dank ihrer robusten Bauweise eignen sie sich für Hochdruckanwendungen und solche, bei denen extreme Temperaturen herrschen. Weil die Prozess- und Einbaubedingungen in der Chemieindustrie sehr vielfältig sind, wurde über die Jahre eine Vielzahl an unterschiedlichen Ausführungen und Messtechniken entwickelt. Neben einem breiten Temperatur- und Druckbereich spricht für metallische Sensoren vor allem die Fähigkeit, extremen Bedingungen standzuhalten. Zu den Nachteilen zählen allerdings ihre Anfälligkeit gegenüber Korrosion, wenn die Prozessmembran aggressiven Chemikalien ausgesetzt wird, und die Alterung des Materials, die sich unter anderem im Driften der Messwerte zeigt. Um die Genauigkeit der Messung langfristig zu erhalten, sind dann Kalibriervorgänge notwendig.

Zitat

„Obwohl keramische Sensoren in schätzungsweise 60 bis 70 Prozent aller Chemieanwendungen zur Druckmessung eingesetzt werden können und dort klare Vorteile haben, sind ihre Eigenschaften immer noch nicht in der Breite bekannt.“

Robin Müller, International Product Manager bei VEGA.

Warum sind keramische Messzellen in der Chemieindustrie eine bessere Wahl?

Robin Müller, International Product Manager bei VEGA
Robin Müller, International Product Manager bei VEGA (Bild: VEGA)

Seit den 90er Jahren steht mit keramischen Drucksensoren eine interessante Alternative zu den Geräten aus Metall zur Verfügung. Diese Sensoren zeichnen sich durch ihre außergewöhnliche Korrosionsbeständigkeit aus, eine Eigenschaft, die sie ideal für chemische Prozesse mit aggressiven Substanzen macht. Darüber hinaus bieten Keramiken eine ausgezeichnete Langzeitstabilität und eine minimale Drift, was zuverlässige Messungen über einen langen Zeitraum gewährleistet.

Obwohl keramische Sensoren in schätzungsweise 60 bis 70 Prozent aller Chemieanwendungen zur Druckmessung eingesetzt werden können und dort klare Vorteile haben, sind ihre Eigenschaften immer noch nicht in der Breite bekannt“, erklärt Robin Müller, International Product Manager bei VEGA. Denn häufig haftet dem Material der Vorurteil an, bruchempfindlich zu sein. „Eine unberechtigte Sorge,“ weiß Robin Müller: „Keramische Messzellen haben eine deutlich höhere Überlastfestigkeit als metallische Zellen. Während sich Metallmembranen bei sehr hoher Druckeinwirkung irreversibel verformen können, legt sich die Keramik-Membran einfach am Grundkörper an und kehrt später wieder in ihre Ausgangsposition zurück.“

Und noch weitere Merkmale sprechen für den Einsatz keramischer Sensoren: Während Messzellen aus Metall mit einem Druckmittleröl als Übertragungsmedium arbeiten das im Fall eines Membranbruchs in den Prozess austreten kann, sind keramische Messzellen trocken. Sie funktionieren ähnlich wie ein Kondensator: In die Membran und den Grundkörper eingelassene Messelektroden und Luft als Dielektrikum bilden ein elektrisches Feld. Durch den Druck auf die keramische Membran wird diese minimal ausgelenkt, wodurch sich die Kapazität verändert. Aus der Kapazität lässt sich schließlich anhand der Werkskalibrierung der Druck ableiten. „Im Gegensatz zu Metallmembranen, bei denen das Material ermüdet, kehrt die Keramik immer wieder zu ihrem Nullpunkt zurück und hat damit eine sehr hohe Langzeitstabilität. Deshalb müssen die Sensoren in der Regel später nicht mehr kalibriert werden“, verdeutlicht Müller: „Und das ist insbesondere bei Anwendungen im Hochvakuum von Vorteil.“

Reinraum VEGA
Die Fertigung der keramischen Messzelle ist Präzisionsarbeit und erfolgt im Reinraum. (Bild: VEGA)

Welche technischen Innovationen unterstützen die Leistungsfähigkeit keramischer Messzellen?

Keramische Messzelle
Aufbau der keramischen Messzelle. (Bild: VEGA)

Basis der „VEGABAR“ genannten Sensoren ist die im badischen Schiltach gefertigte keramische Messzelle CERTEC®. In einem enorm präzisen Fertigungsverfahren werden Membran und Grundkörper aus Aluminiumoxid-Keramik unter Reinraubedingungen mit Goldpaste bedruckt und über ein Glaslot in einem Hochtemperaturprozess zur Messzelle zusammengefügt.

Einen in den Anfangsjahren der keramischen Drucksensoren vorhandenen Nachteil gegenüber Messzellen aus Metall haben die Tüftler aus dem Schwarzwald vor rund zehn Jahren gelöst: Die Empfindlichkeit der keramischen Sensoren gegenüber Temperaturschocks und Feuchtigkeit. Neben der Messung der Prozesstemperatur, über die der Temperatureinfluss auf den Druck-Messwert kompensiert wird, detektiert ein zweiter Temperatursensor in der Glasnaht hinter der Keramikmembran auch kleinste Temperaturänderungen. Ein in der Sensorelektronik implementierter Algorithmus sorgt schließlich dafür, dass Temperaturschocks kompensiert werden. „Die Werte aus dieser relativ empfindlichen Temperaturmessung stehen auch als eigenes Signal zur Verfügung und können genutzt werden“, beschreibt Robin Müller eine weitere nützliche Funktion.

Prozesssensoren mit keramischer Messzelle

Im Programm von VEGA ist der Druckmessumformer VEGABAR 82 der Allrounder. Der Sensor misst in einem Temperaturbereich von -40 bis 150 °C Drücke von absolutem Vakkum (-1 bar) bis 100 bar. Die keramische Messzelle widersteht und kompensiert Temperaturschocks und kann in den meisten Applikationen der Chemie eingesetzt werden.

Für die sichere Messung hochkorrosiver Medien bei Temperaturen von -90 bis 400 °C und Drücken bis 1.000 bar kommt der Druckmessumformer VEGABAR 81 zum Einsatz. Durch die Kombination von zwei Geräten aus der VEGABAR-Serie 80 lassen sich Differenzdruckmessungen ohne Impulsleitungen realisieren.

Richtig spannend wird der Einsatz der keramischen Sensoren im Vergleich zu ölgefüllten metallischen Messzellen bei Anwendungen mit Vakuum oder Wasserstoff. Denn im Vakuum sinkt bekanntlich der Siedepunkt von Flüssigkeiten, sodass es vorkommen kann, dass das Öl in der Messzelle bereits bei Temperaturen unter dem atmosphärischen Siedepunkt zu kochen beginnt. Bei Wasserstoff-Anwendungen kommt ein anderer Effekt zum Tragen: Die Moleküle des kleinsten chemischen Elements können Metalle durchdringen – und die dünne Membrane einer metallischen Druckmesszelle bildet hier keine Ausnahme. „Diffundiert Wasserstoff in und durch die Membran, reagiert er mit dem Transmitteröl hinter der Metallmembran. Die Folge sind Wasserstoffanlagerungen, die zu dauerhaften Veränderungen der Messleistung führen“, weiß Robin Müller.

Dazu kommt, dass sich Wasserstoff mit dem Kohlenstoff in C-Stählen verbindet und die Materialien dadurch nach und nach verspröden. „Bei keramischen Messzellen passiert dies nicht – und selbst wenn Wasserstoff in die Messzelle gelangen würde, dann richtet das keinen Schaden an. Für den Einsatz in der Wasserstoff-Produktion durch Elektrolyse, die im Gegensatz zu bisherigen Hochdruckanwendungen bei niedrigen Drücken arbeitet, sind keramische Drucksensoren deshalb prädestiniert“, so Müller.

Warum eignet sich die keramische Messzelle besonders für die Messung aggressiver und toxischer Gase?

Ein anderer für die Chemie wichtiger Einsatzbereich ist die Messung aggressiver und toxischer Gase. Hier kommt es vor allem auf eine hohe Sicherheit an. Vor allem bei Anwendungen mit Phosgen bevorzugen Planer und Betreiber häufig die keramische Messzelle und verzichten auf die Ölfüllung. VEGA arbeitet hier, aber auch in Anwendungen mit aggressiven Säuren und Laugen, einerseits mit hochbeständigen Materialien für die Prozessanschlüsse und Messzelle und andererseits mit einer „Second Line of Defense“. Messzelle und Elektronikraum werden dabei von einer gasdichten Glasdurchführung getrennt. Der Druck- und Füllstandspezialist aus dem Schwarzwald bietet diese Sicherheitsfunktion für die Geräte der VEGABAR 82- und VEGABAR 83-Reihe an. Interessant ist dabei auch die Möglichkeit, die verschweißten Sensoren mit der Elektronik für Relativdruckmessungen einzusetzen.

Eine in der Durchfluss-, Füllstand- und Behälterdruck-Messung wichtige Anwendung in Prozessen der Chemie ist die Differenzdruckmessung. Diese kommt beispielsweise zum Einsatz, wenn der Füllstand in einem Behälter gemessen werden soll, der unter Druck steht. Aber auch die Durchflussmessung an Messblenden oder die Überwachung von Filtern oder Wärmeübertragern erfolgt durch den Vergleich der Drücke vor und nach der Blende, dem Filter oder dem Wärmeübertrager. Üblicherweise wird dazu ein Differenzdrucksensor eingesetzt und dessen Messzelle über eine Impulsleitungen mit den zu vergleichenden Prozessbereichen verbunden.

„Die Impulsleitungen sorgen in der Praxis immer wieder für Probleme“, weiß Robin Müller. Im Winter kann es beispielsweise dazu kommen, dass Flüssigkeiten oder Kondensat in den Leitungen einfriert und diese blockiert. Bei mit Flüssigkeit gefüllten Impulsleitungen kann die Messung durch Gaseinschlüsse ungenau werden, denn Gase sind im Gegensatz zu Flüssigkeiten komprimierbar. VEGA löst das Problem durch den Einsatz von zwei getrennt arbeitenden Sensoren, die elektronisch miteinander verbunden werden. So lassen sich Differenzdruckmessungen ohne aufwändige und anfällige Impulsleitung realisieren.

Fazit

Keramische Messzellen sind auch in der Chemie eine leistungsstarke Alternative zu metallischen Drucksensoren. Vor allem ihre hohe Sicherheit und Zuverlässigkeit über lange Einsatzzeiten sprechen für den Einsatz in anspruchsvollen Anwendungen.

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