• Der Welt-Energiebedarf wird nach jüngsten Prognosen bis mindestens 2040 weiter stark ansteigen. Das gilt auch für die Nachfrage nach allen Energieträgern, mit Ausnahme der Kohle.
  • Die globalen Reserven an fossilen Brennstoffen und die Stromproduktion können die steigende Nachfrage jedoch auf absehbare Zeit weitgehend decken.
  • Nicht nur die Ära des billigen Öls neigt sich langsam aber sicher ihrem Ende zu, die Preise für alle Energieformen werden bis 2040 in den meisten Weltregionen deutlich ansteigen.

Welt-Energiebedarf steigt weiter an

Für den weltweiten Energiehunger ist nämlich auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch kein Ende in Sicht. Die Auguren der Internationalen Energieagentur (IEA) und der US-amerikanischen Energie-Informationsbehörde EIA gehen von einem Plus des Primärenergie-Verbrauchs von 28 bis 30 % aus. Der Mineralölkonzern Exxon Mobil rechnet mit einer Steigerung um immerhin ein Viertel. Verantwortlich dafür sind vor allem ein stetiges Wachstum der Weltwirtschaft sowie demographische Trends.

So sagen die Experten mindestens eine Verdopplung der Weltwirtschaftsleistung bis 2040 voraus, die vor allem von Entwicklungsländern in Afrika und Asien getragen wird. Die IEA rechnet mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate der Weltwirtschaft von stattlichen 3,4 %. Außerdem soll die Weltbevölkerung von derzeit etwa 7,4 Mrd. auf mehr als 9 Mrd. im Jahr 2040 anwachsen. Trotz aller Bemühungen um mehr Energieeffizienz lautet die einfache Formel weiterhin: Mehr Menschen brauchen mehr Energie. Die zunehmende Verstädterung sowie die Ausdehnung der Mittelschichten, besonders in Indien, Afrika und China, lassen den Energiehunger des Planeten zusätzlich steigen.

Diese Phänomene befeuern vor allem die Nachfrage nach Elektrizität. Bis 2040 kommen jedes Jahr geschätzt 45 Mio. neue Stromkunden hinzu. Und immer mehr Menschen können sich elektronische Haushaltsgeräte und Klimaanlagen leisten. Die IEA und Exxon Mobil gehen von einem Anstieg des weltweiten Stromverbrauchs bis 2040 um etwa 60 % im Vergleich zu 2015/2016 aus. Der Bedarf an Elektrizität steigt damit mehr als doppelt so schnell wie der Gesamt-Energieverbrauch. Die Analysten der Internationalen Energieagentur rechnen damit, dass 2040 allein der Stromverbrauch für Raumkühlung in China den heutigen Strombedarf von Japan übersteigen wird. Auch die Zahl der Elektrofahrzeuge wächst in den Projektionen, vor allem in China, deutlich an. Die IEA sieht 2040 etwa 280 Mio. Elektrofahrzeugen auf den Straßen. Dennoch wird der Verkehrssektor weiterhin kein großer Faktor auf dem Weltstrommarkt sein. Nach den Schätzungen von Exxon macht er 2040 lediglich 2 % des weltweiten Stromverbrauchs aus.

Fossile Brennstoffe bleiben gefragt

Der steigende Energiebedarf lässt auch den Abgesang auf die fossilen Brennstoffe weitgehend verstummen. Vor allem die Nachfrage nach Erdgas wird allen Prognosen zufolge wenigstens bis 2040 noch deutlich steigen. Die Welt wird dann jährlich geschätzt zwischen 43 % und 46 % mehr Gas verbrauchen als noch 2015/2016. Auch der Ölbedarf wächst im gleichen Zeitraum an, allerdings deutlich langsamer: EIA und Exxon rechnen mit einer Steigerung der Nachfrage nach Erdöl und Biokraftstoffen um 18 %, die IEA geht von lediglich etwa 14 % aus. Angetrieben wird dieser Trend vor allem von Ländern in Asien und Afrika, während in Nordamerika und Europa nach Ansicht der Analysten immer weniger Öl gebraucht wird.

Was die Entwicklung der Kohlenachfrage angeht, sind sich die Forscher dagegen uneins. Während die Internationale Energieagentur zwischen 2015/2016 und 2040 ein moderates Wachstum von etwa 4 % prognostiziert, geht die amerikanische EIA von einer quasi stagnierenden Nachfrage aus. Exxon sagt gar einen Verbrauchsrückgang um 2 % voraus. In jedem Falle gilt: Die Bedeutung der Kohle nimmt ab. Dies lässt sich vor allem auf die Transformation des bisher von diesem Rohstoff dominierten chinesischen Energie- und Industriesystems auf umweltfreundlichere Energieformen zurückführen.

Apropos Industrie: Ein erheblicher Faktor der weltweit steigenden Energienachfrage ist der industrielle Sektor und dabei nicht zuletzt die Chemie. Die IEA prophezeit dem Industriebereich den von allen Sektoren am schnellsten wachsenden Energiebedarf – bei einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungssrate von 1,3 %. Die amerikanische EIA und der Mineralölkonzern Exxon erwarten dagegen nur eine jährliche Steigerung um etwa 0,8 % und sehen den Verkehrssektor als noch größeren Bedarfstreiber. Unbestritten ist jedoch der große Anteil der Petrochemie am wachsenden Ölbedarf. Die Schätzungen der jährlichen Steigerung des Bedarfs der Industrie insgesamt bewegen sich hier im Bereich von 1,2 %. Andere Sektoren mit einer starken Öl-Verbrauchssteigerung sind der Luftverkehr sowie der Güterverkehr auf Wasser und Land. Eine große Rolle spielt die Petrochemie auch beim Anstieg des Gasbedarfs.

Die Erwartungen für die jährliche Bedarfssteigerung des industriellen Sektors schwanken bei diesem Energieträger recht stark: Exxon rechnet mit jährlich 1,3 %, die IEA sogar mit über 2 %. Bei der Kohle sind die Unterschiede noch gravierender: Die Internationale Energiebehörde geht von einer Steigerung des industriellen Verbrauchs um jährlich 0,6 % aus, während Exxon -0,5 % prognostiziert. Größere Einigkeit herrscht hingegen bei der Nachfrage nach Strom. Diese wächst in den Szenarien bis 2040 jedes Jahr um etwa 1,7 %. Elektrizität ist damit auch in der Industrie die am schnellsten wachsende Energieform. Verantwortlich hierfür machen die Prognostiker vor allem die wachsende Verbreitung von industriellen Elektromotoren.

Ausreichend Ressourcen vorhanden

Die gute Nachricht für die Industrie angesichts der wachsenden Nachfrage: Anders als manch frühere Vorhersage sagen die aktuellen Prognosen in absehbarer Zukunft keinen Mangel an fossilen Brennstoffen voraus. Dies ist vor allem der Erschließung von unkonventionellen Ressourcen, wie Schiefergas und -öl, zu verdanken. Die Internationale Energieagentur und Exxon vermuten verbleibende – zumindest zukünftig – förderbare Ölreserven von etwa 6 Bio. Barrel. Diese Menge könnte die aktuelle Nachfrage noch etwa 150 Jahre decken. Erdgas reicht sogar noch 50 Jahre länger. Die Forscher gehen hier von verbleibenden Vorräten von etwa 800 Bio. m3 aus, etwas weniger als die Hälfte davon in unkonventionellen Formen.

Auch Kohle ist nicht knapp: Die IEA vermutet noch 23 Bio. t in den Kohleflözen des Planeten, was weit über alle Prognosehorizonte hinaus ausreicht. Die tatsächliche Förderung der fossilen Brennstoffe entwickelt sich jedoch regional höchst unterschiedlich: In Europa sinkt die Förderung aller fossilen Energieträger, am deutlichsten die der Kohle. Damit bildet der Kontinent beim Erdgas die einzige Ausnahme: In allen anderen Regionen zieht die Förderung an. Die weltweite Ölförderung steigt dank der Erschließung von Schieferöl- und Tiefwasser-Vorräten vor allem in Nord- und Südamerika. Die Kohleproduktion wächst lediglich in Afrika signifikant.

Auf die steigende Bedeutung der Elektrizität und der Versorgungssicherheit haben derweil die meisten Länder bereits reagiert. Die Staaten haben 2016 erstmals mehr in den Elektrizitätssektor investiert als in Öl und Gas. Die weltweite Stromproduktion steigt laut IEA bis 2040 um 58 % auf 39.920 TWh und damit etwas langsamer als der Bedarf. Der Stromüberschuss wächst jedoch auf 4.823 TWh. Die fossilen Brennstoffe bleiben dabei ein wichtiger Faktor für die Stromerzeugung. Der Anteil des durch Erdgas erzeugten Stroms ist weitgehend konstant und beträgt 2040 je nach Szenario etwa ein Viertel. Trotz deutlicher Einbußen bleibt die Kohle der dominierende Faktor auf dem Energiemarkt. Die Quote von aktuell 37 % sinkt auf Werte zwischen 31 % (EIA) und
26 % (IEA). Die erneuerbaren Energien können ihren Anteil von derzeit 13 % in allen Prognosen steigern.

Mitte der 2020er Jahre sollen Sonne, Wind und Co. erstmals eine günstigere Option zur Stromerzeugung sein als Gas. Über das Ausmaß des Booms herrscht bei den Prognostikern jedoch keine Einhelligkeit: Die Internationale Energiebehörde sieht die Erneuerbaren 2040 bei 40 %, während die amerikanische EIA mit lediglich 31 % rechnet. Als größter Wachstumstreiber in den meisten Weltregionen gilt dabei die Photovoltaik. Den Anteil von Nuklearstrom erwarten die Forscher trotz des deutschen Ausstiegs weltweit konstant bei etwa ungefähr einem Zehntel. Erdöl hingegen bleibt nach allen Prognosen bei der Stromerzeugung ein marginaler Faktor.

Preise steigen für alle Energieformen

Man muss kein Volkswirt sein, auf die Idee zu kommen, dass die dargestellten Entwicklungen in Angebot und Nachfrage Auswirkungen auf die Energie- und Rohstoffpreise haben. Alle Prognosen sind sich dabei einig: Die Preise steigen in den nächsten Jahrzehnten und zwar bei allen Energieformen. So neigt sich auch die Ära des billigen Öls langsam, aber sicher ihrem Ende zu. Die IEA rechnet 2025 mit einem Ölpreis auf dem Weltmarkt von 83 US-Dollar pro Barrel, der dann 15 Jahre später auf 111 US-Dollar steigt. Die amerikanische Behörde EIA geht ganz ähnlich 2040 von 110 US-Dollar pro Fass aus.

Anders als beim Öl unterscheiden sich (noch) die Preise für Gas, Kohle und Strom regional – zum Teil deutlich. Die IEA geht – trotz zuletzt deutlich fallender Preise – ab sofort wieder von steigenden Preisen in den wichtigsten Gasmärkten aus. 2040 erwarten die Prognostiker den Gaspreis in Japan und Europa bei knapp unter 10, in den USA knapp unter 6 US-Dollar per
MBTU.

Ähnlich verhält es sich bei der Kohle. Hier fällt der Anstieg nach Einschätzung der IEA jedoch geringer aus. 2040 sehen die Forscher den Kohlepreis in China (Küste) bei 90, in Europa bei 82 und in den USA bei etwa 60 US-Dollar pro t. Durch ihre Bedeutung für die Stromproduktion haben die Kohle- und Gaspreise auch Auswirkungen auf die Strompreise. Die IEA erwartet in Europa bis 2040 durchgehend weiter steigende Industrie- und Verbraucherpreise für Elektrizität, in den USA bleiben sie annähernd konstant. Eine große Ausnahme bildet Japan, wo mit leicht sinkenden Strompreisen zu rechnen ist.

Gute und schlechte Nachrichten

Der allgemeine Trend steigender Energiepreise stellt freilich besonders den Unternehmen des energieintensiven Chemiesektors eine große Aufgabe für die Zukunft. Dies gilt besonders in Europa, wo sich die Preise ohnehin bereits auf einem vergleichsweise hohen Niveau befinden. Es gibt jedoch auch gute Gründe, optimistisch in die Zukunft zu blicken: Die Versorgung mit den für viele Chemieunternehmen zumindest im Moment noch unverzichtbaren fossilen Rohstoffen ist auch auf lange Sicht weitgehend gesichert. Und auch wenn die Utopie der vollständigen Dekarbonisierung auf absehbare Zeit eine solche bleiben wird, bringt die Aussicht auf zunehmend sauberen Strom die Welt und die Chemie diesem Ziel zumindest ein gutes Stück näher.

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