- Acrylglas, das vom Chemieunternehmen Röhm unter der Marke Plexiglas vertrieben wird, kommt durch seine besonderen Eigenschaften in zahlreichen Anwendungen und Produkten zum Einsatz.
- Der Hersteller produziert das Material unter anderem in Worms und lässt die verschiedensten Lagercontainer dabei durch Füllstandsensoren Vegapuls 6X kontinuierlich überwachen.
- Weil die Radargeräte für alle Medien geeignet sind, konnte das Ersatzteillager am Standort zuletzt deutlich reduziert werden.
Ob im Museum, beim Autofahren oder im Gewächshaus: Es gibt kaum einen Ort, an dem nicht auch Plexiglas im Einsatz wäre – wenngleich seine optischen Eigenschaften dazu führen, dass es leicht übersehen wird. Erfunden von Otto Röhm und seit 1933 als Marke geschützt, besticht Acrylglas mit Eigenschaften, welche die Alternative Glas nicht liefern kann: Das Material ist einfach zu formen, in nahezu allen denkbaren Farbnuancen herstellbar, bruchfest und witterungsbeständig. In all diesen Eigenschaften sah vermutlich schon Otto Röhm riesiges Potenzial. Was sonst hätte ihn angetrieben, über Jahrzehnte hindurch daran zu forschen und zu tüfteln. Kaum abschätzen konnte er dagegen vermutlich, wie sich die industrielle Herstellung der chemischen Verbindung in der Zukunft entwickeln würde. Und sich immer noch weiterentwickelt.
Verbesserungen sind das Tagesgeschäft
Produkte der Marke Plexiglas gibt es in zwei Varianten: zum einen als Halbzeuge wie Platten, Rohre, Stäbe und Folien, aus denen unterschiedlichste Produkte gefertigt werden. Zum anderen sind es Formmassen – ein Granulat, das in Spritzgieß- und Extrusionsverfahren eingesetzt wird. Ein wichtiges Vorprodukt in der Produktion ist Methylmethacrylat, kurz MMA, eine flüssig-zähe Masse. MMA wird unter anderen zur Herstellung von Lacken, Klebstoffen und Baumaterialien verwendet.
Sowohl MMA als auch die Formassen werden am größten Produktionsstandort in Worms produziert und von dort aus in mehr als 100 Ländern vertrieben. Die Kunden verlassen sich auf die rechtzeitige Lieferung und die hohe Qualität. Weil Röhm sich selbst verpflichtet hat, bis 2050 klimaneutral zu produzieren, wird jede Initiative zur Effizienzsteigerung auch auf ihr Potenzial in Richtung Kreislaufwirtschaft und Recycling hin betrachtet. Ein Ausbau der Kapazitäten und die höhere Ausbeute durch intelligente und effiziente Prozessführung gehören untrennbar dazu.
Um seine MMA-Verfahren gemäß der Nachhaltigkeitsziele zu optimieren, werden die Ressourcen so effizient wie möglich genutzt. Die Vorgaben gehen auch an der Abteilung von Stephan Bettinger, in Worms zuständig für die Betreuung der elektrischen Prozesse, nicht spurlos vorüber. In seinem Fachbereich in den Gebäudeteilen 311 und 111 des weitläufigen Industriestandorts sind „Verbesserungen das Tagesgeschäft“.
Mehr Automatisierung braucht präzisere Messtechnik
Wenn Fehler keine Option sind, kommt alles auf die Zuverlässigkeit an. Gerade weil die Automatisierung spürbar zunimmt und immer öfter Aufgaben durch Maschinen erledigt werden, spielt die optimale Auslegung der technischen Prozesse eine umso wichtigere Rolle. „Um die Fertigungsprozesse zuverlässig zu überwachen, brauchen wir innovative Sensoren mit hoher Präzision, die ihre Messdaten zentral übermitteln“, erklärt Stephan Bettinger. Für ihn bleibt es weiterhin das zentrale Ziel, die hohe Prozessverfügbarkeit durch ein engmaschiges Instandhaltungskonzept zu sichern. Doch vermehrt kommen neue Sicherheitsreglements und wachsende Umweltschutzauflagen dazu. „Alles muss schneller und effizienter ablaufen, deshalb müssen wir noch aufmerksamer arbeiten und sicher überwachen.“ Entsprechend kritisch prüft er jeden einzelnen der Herstellungsschritte auf sein Potenzial.
Die Dosierung muss passen
Die Rohstoffe für MMA sind kostspielig – auch weil sie mit Aufwand verbunden sind: Die chemische Verbindung entsteht im Wesentlichen aus Acetoncyanhydrin (ACH) und Schwefelsäure. Als Gefahrgüter eingestuft, stellen die beiden Stoffe hohe Anforderungen an die sachgemäße Verwendung, an Recycling und die Verringerung der Restmengen.
Weil selbst kleinste Prozessabweichungen große Wirkung auf die Produktqualität haben, überwachen Radarsensoren Vegapuls 6X die Füllstände der mobilen Lagertanks, in denen Reststoffe aus der MMA-Produktion gesammelt werden, um sie in den Prozess zurückführen zu können. Während der Fertigung beeinflussen Eigenschaften wie Druck, Temperatur und die exakte Dosierung der Rohstoffe die finale Konsistenz der entstehenden MMA-Verbindung. Das breite Spektrum der möglichen Varianten reicht von besserer Wärmeleitfähigkeit, höherem Brechungsindex, besonderer Reißfestigkeit und mehr. Jede dieser Besonderheiten spiegelt sich zu Beginn der Produktion in der genauen Rezeptur.
Nicht verwertetes Material wird in Spezialbehältern aufgefangen, die jeweils zwischen 500 und 800 Litern fassen, und in ein Zwischenlager abtransportiert. Es steht hier zur Verwendung bereit, sobald die dazu passende Rezeptur erneut auf dem Fertigungsplan steht. Alle metallischen Kleinbehälter sind gegenüber hoch aggressiven Medien und Explosionsgefahr sicher geschützt, lassen sich einfach auf Paletten abtransportieren und bei Produktwechsel durch baugleiche Kleincontainer austauschen.
Aus Testgerät wurde perfekte Dauerlösung
„An dieser Stelle“, erklärt Stephan Bettinger mit Blick auf die Metallbehälter, „ist eine zuverlässige und kontinuierliche Füllstandmessung besonders wichtig.“ Eine zu spät realisierte Vollmeldung könne an den kleinen Mobiltanks leicht dazu führen, dass Teile der abgepumpten Reststoffe in den Schläuchen verbleiben, sobald für das vollständige Leerfließen nicht mehr genug Platz im Behälter ist. „Dann haben wir im anschließend eingesetzten Behälter schlimmstenfalls die Reststoffe aus zwei unterschiedlichen Prozessen vermischt.“
Seitdem Vega vor gut einem Jahr ein Testgerät ihrer neuen Radar-Füllstandserie Vegapuls 6X zur Verfügung stellte, ist genau dieser Sensor, der eigentlich nur drei Monate bei Röhm bleiben sollte, oberhalb der Metalltanks im Dauereinsatz. Stephan Bettinger ist begeistert: „Wir hatten an der Messstelle vorher eine Schwinggabel im Einsatz, die den Vollstand meldete.“ Das führte immer wieder zu Problemen mit der Messgenauigkeit und deshalb zu extra Arbeit: „Um wirklich sicher zu sein, haben wir den Tankdeckel trotz des Messgeräts immer mal geöffnet, um uns ein genaues Bild zu machen, wie viel wohl noch hineingehen würde.“
Mit der Einführung des Radarsensors gehört das Problem mitsamt den Extra-Prüfgängen endgültig der Vergangenheit an. Anstelle einer starr definierten maximalen Befüllungsgrenze messen die Radargeräte kontinuierlich die Füllhöhe und geben so zu jeder Zeit Auskunft darüber, wie voll der Tank gerade ist. Auf diese Weise lässt sich an den kleinen Zwischenlagertanks deutlich vorausschauender planen.
Bei Röhm betrachtet man es jedoch als besonderen Vorteil, dass sich der Radarsensor für alle Arten von Lagertanks eignet. Mit einer Vielzahl an Prozessanschlüssen und Antennenausführungen ist beinahe jede Systemintegration schnell möglich und der Sensor arbeitet zuverlässig, ganz gleich, ob das Medium darin flüssig oder fest ist, ob hohe Drücke herrschen oder extreme Temperaturen. Gleich mitabgedeckt ist immer auch die Ex-Zulassung.
Nachhaltige Prozesse, nachhaltige Gewinne
Der neue Sensor ist deshalb in den vielfältigsten Tanks im Einsatz. Im Außenbereich der MMA-Anlage misst er die Füllstände zweier jeweils 30 m³ fassenden Tanks, in denen das fertig produzierte Produkt auf seine Fassabfüllung und den Versand – per Lkw oder per Schiff über den nahegelegenen Rhein – wartet. Sobald der Radarsensor dort meldet, dass einer der Tanks voll ist, kann das Produkt darin final auf Qualität geprüft und in die bereitgestellten Fässer verladen werden. Weil für Lagerbehälter dieser Größe, die zudem Ex-Schutz erfordern, inzwischen die gleichen Füllstandsensoren verwendet werden wie für kleine mobile Reststoffbehälter, ist das Ersatzteillager entsprechend überschaubar geworden. „Wir bevorraten jetzt deutlich weniger verschiedene Produkte. Das ist auch ein wichtiger Beitrag, um unseren MMA-Prozess zu optimieren, denn so arbeiten wir nachhaltiger und mit weniger Arbeit und Kosten“, resümiert Stefan Bettinger. Ob Umwelt, Arbeitsbedingungen oder Wirtschaftlichkeit: „Von echter Nachhaltigkeit profitieren alle. Sie ist eine Win-win-win-Sache.“