Komponenten „akustisch“ testen

Schallemissionsprüfung in Chemieanlagen

Acoustic Emission Testing (AT) ist ein zerstörungsfreies Verfahren, das die Prüfung von Chemieanlagen im laufenden Betrieb ermöglicht. Damit können Betreiber Schäden früher erkennen, ihre Instandhaltung optimieren und so wirtschaftlicher agieren.

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Acoustic Emission Testing an einem Flachbodenbehälter.
Acoustic Emission Testing an einem Flachbodenbehälter.

  • Acoustic Emission Testing ist ein anerkanntes Prüfverfahren sowohl für die innere Prüfung als auch die Festigkeitsprüfung von überwachungsbedürftigen Anlagen.
  • Das Verfahren ermöglicht das frühzeitige Erkennen von Schäden oftmals im laufenden Betrieb, ohne aufwendigen Anlagenstillstand.
  • Sachverständige Prüforganisationen unterstützen Betreiber bei Planung und Durchführung der Prüfung, die im Vergleich mit anderen Verfahren oft beträchtlich kostengünstiger ist.

Maschinen und Anlagen der Chemieindustrie sind mechanischen, thermischen und chemischen Belastungen ausgesetzt. Als überwachungsbedürftige Anlagen unterliegen sie regelmäßigen Prüfungen zum Nachweis ihrer technischen Integrität und Einhaltung der Sicherheitsanforderungen.

Materialermüdung ist ein schleichender Prozess, der sich zuerst in Mikrorissen zeigt. Unter Beanspruchung wachsen diese Risse und werden an der Oberfläche sichtbar. In der Folge ist die technische Integrität beeinträchtigt und es kann z. B. zum Bruch oder Leckagen kommen. Das gilt insbesondere für Maschinen und Komponenten in Chemieanlagen: Hier verursachen etwa Säuren Korrosion durch elektrochemische Reaktionen in Lagerbehältern und Rohrleitungen. Kompressoren und Pumpen unterliegen wechselnden Drücken, die Ermüdungsrisse auslösen. Dampfkessel, die Prozessdampf bereitstellen, werden regelmäßig heruntergefahren, wodurch die Komponenten wieder abkühlen; der Temperaturwechsel erzeugt thermische Spannungen.


Herkömmliche Verfahren sind aufwendig

Die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) verpflichtet Betreiber überwachungsbedürftiger Anlagen wie Druckbehälter und Tanks daher zu wiederkehrenden Prüfungen. Etablierte Prüfverfahren erfordern es, die Maschinen und Anlagen außer Betrieb zu nehmen: Für Sichtprüfungen begehen Prüfer beispielsweise Tanks, die vorher entleert werden müssen. Hydrostatische Methoden hingegen erfordern, dass – gegebenenfalls nach vorausgegangener Entleerung – Prüfflüssigkeiten in den Kreislauf eines Systems gespeist werden, was wiederum den Stillstand dieses Systems voraussetzt. Damit gehen zum einen Produktionsausfälle einher, zum anderen kostet die erneute Inbetriebnahme teils viel Energie. Die Prüfflüssigkeit muss nach Abschluss entsorgt und das System getrocknet werden. Zudem besteht das Risiko von Korrosion.

Prüfen statt pausieren

Nicht so beim Acoustic Emission Testing. Bei diesem Verfahren kommen piezoelektrische Sensoren für Messungen und Überwachungen zum Einsatz, die am Prüfobjekt, etwa an der Tankwand, installiert sind. Sie nehmen bereits kleinste Schallemissionen auf, die durch Verformungen oder Risse unter Belastung im Betrieb ausgelöst werden.

Deshalb eignet sich das Verfahren auch besonders gut für Rotating Equipment wie Pumpen, Kompressoren oder Motoren, wo viel mechanische Bewegung im Spiel ist. Es kann Materialveränderungen bereits in der Frühphase aufdecken, bevor sie sich zu größeren Schäden auswachsen.

Weil die Prüfobjekte beim Acoustic Emission Testing weder betreten noch mit Prüfflüssigkeiten befüllt werden müssen, ist das Verfahren weniger personalintensiv als andere und zudem relativ günstig zu implementieren. Da die Behälter geschlossen bleiben, müssen die Dichtungen nicht ausgetauscht werden, und es kann keine Verunreinigung entstehen. Auch ein dauerhaftes Monitoring, das es Betreibern erlaubt, ihre Instandhaltungsmaßnahmen zu optimieren, ist so möglich. Die Wirksamkeit des Acoustic Emission Testing können die Sachverständigen mit einer Software auch belegen: In der Regel können Betreiber mit dem Acoustic Emission Testing Kosten in Höhe von 50 bis 80 % gegenüber den Kosten einsparen, die für die klassischen Prüfungen und der damit verbundenen aufwendigen Vor- und Nachbereitung insgesamt anfallen.

Acoustic Emission Testing an einem Prozessbehälter.
Acoustic Emission Testing an einem Prozessbehälter.

Anerkannter Ersatz

Als ein Ersatzprüfverfahren für überwachungsbedürftige Anlagen ist Acoustic Emission Testing sowohl für die innere Prüfung als auch die Festigkeitsprüfung rechtmäßig. Möchten Unternehmen es statt herkömmlicher Methoden implementieren, müssen sie einer Prüforganisation wie TÜV Süd ein Prüfkonzept gemäß BetrSichV Abschnitt 4 Nummer 5.7 vorlegen und bestätigen lassen.

Die Sachverständigen unterstützen auch bei den Prüfungen selbst an Druckbehältern und Tanks in Chemieanlagen und auch anderen Branchen. Dafür werten sie Amplituden, Frequenzen und zeitliche Dauer der Schallemissionen aus und vergleichen die Daten mit bekannten Merkmalen von Materialschäden und ggf. anderen Änderungen im Prozess. Auf diese Weise lässt sich bestimmen, an welcher Stelle welche Art von Schaden in welchem Stadium aufgetreten ist. Damit weisen die Sachverständigen nicht nur die Sicherheit der Komponenten nach, sondern können auch veränderte Strömungs- und Mischverhältnisse in Prozessen feststellen oder Ablagerungen identifizieren. Je früher Schäden oder Abweichungen an Prozessparametern entdeckt werden, desto weniger Kosten entstehen durch Instandhaltungsmaßnahmen, Reparaturen und ineffiziente Prozessführung.

Sensoren für das Acoustic Emission Testing sind auf einem Druckgasbehälter angebracht. In solchen Behältern wird bspw. Wasserstoff gespeichert und transportiert.
Sensoren für das Acoustic Emission Testing sind auf einem Druckgasbehälter angebracht. In solchen Behältern wird bspw. Wasserstoff gespeichert und transportiert.

Praxisbeispiel: Akustische Prüfung einer Chemieanlage

Ein Produzent von Polymerharzen beauftragte TÜV Süd mit einer Schallemissionsprüfung seiner Anlage. Die Sachverständigen sollten die strukturelle Integrität der Druckgeräte in den Reaktoren und Behältern sichern. Langfristig sollen so Produktionsausfälle minimiert werden. Mittels Acoustic Emission Testing konnten die Anlagenprüfer vielfältige Einsparungen für den Kunden erzielen:

  • Keine Wasserbefüllung
    Durch das Acoustic Emission Testing entfiel die aufwendige Wasserbefüllung der Behälter ebenso wie die Trocknungszeiten und damit auch das Korrosionsrisiko durch Restfeuchte. Damit verkürzte sich die Stillstandszeit um ganze zwei Tage, was dem Betreiber Gewinnausfälle sparte. Insgesamt sanken die Prüfkosten um 20 %.
  • Kein Dichtungsaufwand
    Dank der Schallemissionsprüfung blieben die Behälter geschlossen. Die jährlichen Kosten für den Austausch von Dichtungen entfielen vollständig. Dadurch reduzierte sich zusätzlich das Risiko ungeplanter Stillstände durch Leckagen.
  • Frühzeitige Erkennung von Materialermüdung
    Weil die Sachverständigen mit dem Acoustic Emission Testing Schäden wie Risse und Korrosion früher identifizierten, konnte der Betreiber gezielte Instandhaltungsmaßnahmen ergreifen, anstatt teure Notfallreparaturen durchführen zu lassen. Das führte zu erheblichen jährlichen Einsparungen bei den Instandhaltungskosten und verlängerte zudem die Lebensdauer der Komponenten.
  • Mehrere Anlagenteile zugleich prüfen
    Acoustic Emission Testing erlaubt die gleichzeitige Prüfung mehrerer Druckkreise. Dadurch ist weniger Personal erforderlich und die Prüfzeiten sind kürzer. Dementsprechend sanken die jährlichen Prüfkosten der Anlage um 10 %.
  • Integrierbar in bestehende Verfahren
    Weil das Acoustic Emission Testing andere zerstörungsfreie Prüfverfahren (ZfP) ergänzt, waren gezielte Nachprüfungen kosteneffizient möglich. Dies sparte 5 % der jährlichen Prüfkosten.
  • Materialschonung
    Da die akustische Prüfung ohne An- und Abfahrprozesse erfolgte, war der Materialstress durch Temperatur- und Druckwechsel minimal. Dies senkte die Ersatzteilkosten um etwa 5 %.

Insgesamt beliefen sich die Einsparungen unter Berücksichtigung realistischer Umsetzungsgrenzen auf beträchtliche jährliche Summen. Neben finanziellen Vorteilen konnten die Sachverständigen mit dem Acoustic Emission Testing zudem die Nachhaltigkeit und Verfügbarkeit der Anlage verbessern.

In prozesstechnischen Anlagen herrschen mitunter große Drücke. Damit dies nicht zu gefährlichen Zuständen oder am Ende zu Ereignissen führt, ist eine regelmäßige Prüfung (z. B. mit dem Acoustic Emission Testing) der technischen Integrität gemäß Betriebssicherheitsverordnung vorgeschrieben. Bilder: TÜV Süd Industrie Service
In prozesstechnischen Anlagen herrschen mitunter große Drücke. Damit dies nicht zu gefährlichen Zuständen oder am Ende zu Ereignissen führt, ist eine regelmäßige Prüfung (z. B. mit dem Acoustic Emission Testing) der technischen Integrität gemäß Betriebssicherheitsverordnung vorgeschrieben.

Fortschrittliche Sensortechnologie mit Perspektive

Kontinuierliche Fortschritte in der Sensortechnologie machen die akustische Prüfung zu einem bevorzugten Verfahren in der chemischen Industrie. Durch kontinuierlichen Datenaustausch IoT-fähiger Hochleistungssensoren können sich Betreiber mit dem Acoustic Testing zudem Schwarmeigenschaften zunutze machen: Modernere und kostengünstigere Sensoren können in größerer Zahl eingesetzt werden, die bereits kleinste Schallwellen präzise erfassen und auch unsichtbare Veränderungen im Betrieb detektierbar machen. Das erlaubt eine sehr feinmaschige Überwachung mit hoher Genauigkeit bei der Lokalisation und Auflösung. Zugleich wird der Ausfall einzelner Sensoren kompensiert. In KI-gestützte Überwachungssysteme integriert, wird das akustische Verfahren künftig noch effektiver.

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