Klimaschutz zwischen Fortschritt und Hürde

Wie läuft das U in CCUS?

Carbon Capture, Utilization and Storage (CCUS) entwickelt sich rasant vom Zukunftskonzept zu einem zentralen Baustein industrieller Klimastrategien. Dabei gewinnt besonders die Nutzung von CO₂ als Rohstoff an Bedeutung. Eine Bestandsaufnahme.

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KI-generiertes Symbolbild, Kreislaufführung von abgeschiedenem CO2

Die Abscheidung von CO₂ ist keine Zukunftstechnologie mehr, sondern industriell etabliert. Ob aus den Abgasen von Zementöfen, Stahlwerken oder chemischen Crackern: Die gängigen Verfahren funktionieren zuverlässig und lassen sich an unterschiedliche Prozessbedingungen anpassen.

Doch trotz der technologischen Reife bleibt Carbon Capture in einer ökonomischen Zwischenwelt stecken. Die Abscheidung kostet viel Energie und damit viel Geld, und für viele Industrien ist es (Stand Ende 2025) schlicht günstiger, Emissionen zuzulassen und zu kompensieren als sie aufzufangen. Entsprechend verlagert sich die Aufmerksamkeit dorthin, wo es kaum Alternativen gibt: Zement, Kalk, Stahl und bestimmte chemische Grundstoffe. In diesen „hard-to-abate“-Sektoren entstehen Prozessemissionen, die physikalisch nicht vermeidbar sind. Genau dort wird Carbon Capture von einer Option zu einer Notwendigkeit.

Parallel dazu beginnt sich ein neues Ökosystem herauszubilden: Anbieter für CO₂-Abscheidung, Engineering-Firmen, spezialisierte Absorber, modulare Anlagenkonzepte. Der Sektor professionalisiert sich, aber er steht noch weit vor dem Punkt, an dem Abscheidung als Standardlösung verfügbar wäre. Die nächsten Jahre werden davon geprägt sein, diese Nische in einen Markt zu verwandeln, der Preise, Standards und verlässliche Lieferketten kennt.

Bei Carbon Storage dreht sich viel um Akzeptanz

Während die technische Diskussion um Carbon Capture vor allem Effizienz und Kosten behandelt, dreht sich bei Carbon Storage vieles um Akzeptanz. Die geologische Speicherung ist gut erforscht; ehemalige Erdgasfelder oder saline Aquifere können große CO₂-Mengen sicher aufnehmen. Projekte wie Sleipner in der Nordsee oder Snøhvit in Norwegen zeigen seit Jahrzehnten, dass der geologische Untergrund zuverlässig funktioniert.

Doch die gesellschaftliche Bewertung hinkt der technischen Realität hinterher. In vielen Ländern gilt CCS noch immer als letzte Verteidigungslinie fossiler Industrien. Das macht die politische Umsetzung schwer und führt zu einem paradoxen Befund: Während die Speicherpotenziale vorhanden sind, fehlen vielerorts die Genehmigungen, Leitungsnetze und Geschäftsmodelle. In Deutschland ist die Speicherung von CO₂ seit Ende 2025 durch eine Gesetzesänderung grundsätzlich wieder möglich.

Dennoch bewegt sich etwas in der europäischen Nachbarschaft. Rund um die Nordsee entsteht gerade eine der ersten echten CO₂-Logistikinfrastrukturen der Welt – inklusive Pipelines, Terminals und CO₂-Schiffen. Länder wie Dänemark, Großbritannien, die Niederlande und Norwegen positionieren sich als CO₂-Hubs, weil sie Speicherkapazitäten besitzen und sie wirtschaftlich nutzen wollen. Beispiele sind die auch mit Beteiligung deutscher Unternehmen hochgezogenen Projekte Greensand in Dänemark und Northern Lights in Norwegen.

Für die Industrie bedeutet das: Speicher wird nicht nur technisch möglich, sondern auch buch- und planbar. Speicherung bleibt der unverzichtbare zweite Teil jeder CCUS-Strategie. Selbst wenn die Nutzung von CO₂ zunimmt, wird ein beträchtlicher Teil dauerhaft verpresst werden müssen, weil nicht jedes CO₂ ein sinnvolles Produkt werden kann. Die Debatte verschiebt sich daher zunehmend von der Frage „Ob?“ zu „Wie schnell und in welchem Umfang?“.

Beispielprojekte zeigen Umsetzbarkeit von CCUS

Ein Blick auf aktuelle Industrievorhaben zeigt, wie unterschiedlich Carbon Utilization bereits gedacht und umgesetzt wird. Beispielsweise wurde in einem Stahlwerk von Voestalpine in Linz eine Pilot‐Carbon-Capture-Anlage von Andritz installiert: Sie trennt CO₂ aus den Rauchgasen der Eisenerzeugung mittels eines Amin-basierten Verfahrens. Das abgeschiedene CO₂ wird zunächst in Gasflaschen abgefüllt und einem Forschungsunternehmen im Bereich Energiespeicher zur Verfügung gestellt, mit dem Ziel, den Kohlenstoff in einem Kreislauf zu nutzen – etwa zur Rückführung in Produktionsprozesse oder als Rohstoff-Quelle, statt fossile Brennstoffe zu verwenden. Diese Initiative bringt mehrere Aspekte zusammen: Abscheidung in einer energieintensiven Branche (Stahlproduktion), Nutzungsansatz (nicht nur Speicherung) und Forschung zur stofflichen Verwertung. Als Herausforderung bleibt, dass der Nutzungsweg noch nicht vollständig skaliert ist und die Wirtschaftlichkeit sowie Lieferketten für CO₂-Rohstoffnutzung weiterentwickelt werden müssen.

Im Zementsektor entstehen Prozessemissionen, die sich technisch kaum vermeiden lassen. Umso wichtiger sind großindustrielle CCU-Vorhaben. Heidelberg Materials und Linde wollen im Zementwerk Lengfurt eine gemeinsame CCU-Anlage errichten, die abgeschiedenes CO₂ aufreinigt und anschließend für Anwendungen unter anderem in der Lebensmittelindustrie nutzbar macht. Das Projekt zeigt exemplarisch, wie die Verbindung von Abscheidung und stofflicher Nutzung in einem klassischen „hard-to-abate“-Sektor funktionieren kann.

Linde gehört auch zu dem Partnern des arabischen Erdölkonzerns Aramco. Gemeinsam mit SLB plant die Unternehmen, den nach Angaben von Aramco weltweit größten Carbon-Capture-and-Storage-Hub (CCS) in Saudi-Arabien zu bauen. Der Hub soll CO₂ aus verschiedenen Industriequellen wie petrochemischen Anlagen sammeln und langfristig speichern. Die erste Phase des CCS-Zentrums soll über eine Kapazität zur Abscheidung von 9 Mio. t CO2 aus drei Gasanlagen des Erdölkonzerns und anderen industriellen Quellen verfügen.

Zusammen mit Carbon Clean und Samsung E&A entwickelt Aramco außerdem eine modulare Lösung zur CO₂-Abscheidung (CCS), die insbesondere in bestehenden Raffinerien und petrochemischen Anlagen zum Einsatz kommen soll. Die geplante CCS-Einheit kann am Abgaskamin einer Gaskompressorturbine installiert werden und liefert Daten über die Leistung unter realen Bedingungen. Die Leistung der Einheit – selbst bei niedrigen CO2-Konzentrationen – soll durch eine Kombination von zwei Technologien erreicht werden: rotierende Festbetten (RPB) und ein spezielles von Carbon Clean entwickeltes Lösungsmittel.

Die Beispiele zeigen, dass das „U“ in CCUS kein Randthema mehr ist, sondern sich Schritt für Schritt zu einem eigenständigen Teil industrieller Klimastrategien entwickelt. Vieles steht noch am Anfang, doch die Richtung ist vorgegeben: CO₂ wird zunehmend als Rohstoff verstanden, der sich in industrielle Kreisläufe überführen lässt. Wenn sich verlässliche Infrastrukturen und Geschäftsmodelle etablieren, wächst auch das Potenzial für echte Wertschöpfung.