Qualmende Industrieschornsteine

(Bild: Wolfilser – AdobeStock.com)

  • Die schnelle Dekarbonisierung der Industrie ist zur Erreichung der Klimaziele dringend notwendig.
  • Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft muss massiv beschleunigt werden.
  • Durch Subventionen im Ausland ist eine Abwanderung von Fachkräften und Unternehmen zu befürchten.

Der Höhepunkt der Emissionen sollte 2020 erreicht sein. Wie wir wissen, steigen sie weiter an. Das 1,5-Grad-Ziel der maximalen globalen Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter ist kaum mehr zu schaffen. Gleichzeitig werden uns die Auswirkungen des Klimawandels bereits deutlich vor Augen geführt. Auch in Europa werden die Sommer immer heißer und trockener und mit der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal sind die drastischen Folgen des Klimawandels vor unserer Haustür angekommen.


Die Dekarbonisierung der Industrie

Neben dem Verkehrs- und dem Gebäudesektor bietet die Dekarbonisierung der Industrie den größten Hebel auf dem Weg in die Klimaneutralität. Hier steht die Stahl­industrie an erster Stelle, aber auch weitere energieintensive Industrien wie etwa die chemische Industrie rangieren weit vorne beim CO2-Ausstoß.

Möglichkeiten zur Dekarbonisierung bieten sich vor allem durch die Elektrifizierung von Prozessen mit Strom aus erneuerbaren Energien an. Die direkte Nutzung von Strom ist aufgrund des hohen Wirkungsgrades sicherlich die beste Lösung. Da er aber nicht wie Strom aus konventionellen Kraftwerken konstant zur Verfügung steht, müssen außerdem Flexibilitätsoptionen und Speichertechnologien genutzt werden.

Neben der Vermeidung von CO2 sind Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) wesentlicher Bestandteil der Dekarbonisierung. Laut Umweltbundesamt gehen Wissenschaftler davon aus, dass durch die Abscheidung von CO2 bei der Verbrennung fossiler Energieträger und einer anschließenden unterirdischen Speicherung 65 bis 80 Prozent des CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre ferngehalten werden können. Auch CCU – das Abscheiden und Verwerten von CO2 – gilt als wichtige Komponente. In der chemischen Industrie der Zukunft ohne fossile Rohstoffe wird CO2 ein unverzichtbarer Grundstoff sein.

CT-Fokusthema Wasserstoff

(Bild: Corona Borealis – stock.adobe.com)

In unserem Fokusthema informieren wir Sie zu allen Aspekten rund um das Trendthema Wasserstoff.

 

  • Einen Überblick über die ausgewählten Artikel zu einzelnen Fragestellungen – von der Herstellung über den Transport bis zum Einsatz von Wasserstoff – finden Sie hier.
  • Einen ersten Startpunkt ins Thema bildet unser Grundlagenartikel.

Welche Rolle spielt Wasserstoff?

Der Heilige Gral der Dekarbonisierung ist aber offensichtlich die Nutzung von grünem Wasserstoff. Alle sprechen vom Wasserstoff: zur stofflichen Verwertung, zum Heizen oder als Energiespeicher. Der Aufbau der Wasserstoffindustrie wird von der Bundesregierung mit insgesamt rund 4 Mrd. Euro gefördert.

Die Nutzungskonkurrenz ist groß. Zudem hat der russische Angriffskrieg auf die Ukraine die Dekarbonisierungspläne verändert, denn damit fällt Erdgas als Brückentechnologie weitestgehend aus. Umso wichtiger ist der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft.

Dem Wasserstoff als Speichermedium und Energieträger kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Je nach Szenario wird laut Abschlussbericht des Projektes
Chemistry4Climate allein der Wasserstoffbedarf der chemischen Industrie auf 150 bis knapp 300 TWh p.a. im Jahr 2045 geschätzt, der Nationale Wasserstoffrat rechnet mit einem Gesamtbedarf in Deutschland für das Jahr 2045 mit etwa 1.000 bis 1.400 TWh.


Der Anlagenbau ist gefragt

Um diese Mengen Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung zu stellen, muss der Bau von Elektrolyseuren in großindustriellem Maßstab massiv vorangetrieben werden. Ebenso der Ausbau der Transportsysteme und Speichermedien. Dazu gehören Pipelines, Tankstellen, Batteriespeicher oder Anlagen, um Wasserstoff in Form von Ammoniak oder Methanol zu speichern.

Neben der Produktion von Wasserstoff ist der Anlagenbau auch für die Entwicklung und Implementierung von Technologien verantwortlich, die Wasserstoff als Energieträger nutzen. Dazu gehören Brennstoffzellen, die Wasserstoff direkt in elektrische Energie umwandeln, sowie andere Wasserstoffverbrennungs- oder Wasserstoffnutzungstechnologien in verschiedenen Industriezweigen.

Technologisch ist Deutschland hierzu gut aufgestellt. Aber der Industriestandort ist nicht nur wegen der hohen Energiepreise gefährdet.

Engineering Summit 2023

Engineering Summit 2023 in Darmstadt
Engineering Summit | 19. & 20. September 2023 | Darmstadtium, Darmstadt (Bild: Hüthig Medien)

Die Industrie zu transformieren ist eine der drängendsten Aufgaben im Kampf gegen den Klimawandel. Eine große Herausforderung für den Anlagenbau, der neue Verfahren, wie etwa die Wasserstoffwirtschaft in den großtechnischen Maßstab skalieren muss.
Ob das gelingen kann, hängt unter anderem von folgenden Fragen ab:
Gibt es ausreichend Fachkräfte?
Wie sind die politischen Rahmenbedingungen?
Welche Möglichkeiten gibt es, besonders energieintensive Industrien, wie die chemische oder die Zementindustrie zu dekarbonisieren?
Auf dem 9. Engineering Summit am 19.-20. September in Darmstadt werden die führenden Köpfe des Maschinen- und Anlagenbaus diese und weitere aktuelle Themen der Branche diskutieren.
Kommen Sie nach Darmstadt und diskutieren sie mit!

>> zur Website des Engineering Summits

>> zur Anmeldung für den 9. Engineering Summit

Inflation Reduction Act versus Green Deal Industrial Plan

Zunächst schien die EU mit dem Green Deal nicht schlecht aufgestellt zu sein – bis im August 2022 der Inflation Reduction Act kam. Nicht weniger als 369 Mrd. US-Dollar investiert die US-Regierung in Klimaschutzmaßnahmen. Einerseits ist dieses Engagement der USA für den Klimaschutz zu begrüßen. Es ist aber auch Anlass zur Sorge für den Industriestandort Europa und insbesondere Deutschland. Denn der IRA verfolgt eine klare America-first-Strategie und kommt deshalb nur Standorten in Nordamerika zugute. Es steht deshalb zu befürchten, dass Unternehmen in die USA abwandern oder zumindest Neuinvestitionen lieber dort als an ihren europäischen Standorten tätigen. Darüber hinaus planen weitere Staaten, etwa China, das Vereinigte Königreich oder Kanada, ähnliche Subventionsprogramme. Die Europäische Union hat als Antwort darauf Anfang Februar den Green Deal Industrial Plan angekündigt, um eine Abwanderung von Industrie und Fachkräften zu verhindern. Zwei Ideen stehen dabei im Mittelpunkt. Zum einen soll das regulatorische Rahmenwerk in der EU modernisiert werden. So sollen etwa Genehmigungsverfahren beschleunigt und günstige Energie für Unternehmen sichergestellt werden. Zum anderen wird eine Reform der europäischen Subventions- und Beihilferegeln angestrebt, die den Mitgliedsstaaten mehr freie Hand bei Subventionen und Steuerrabatten für die Förderung grüner Industrien gibt.

Kurzfristig wurden 250 Mrd. Euro aus nicht verbrauchten Mitteln, zum Beispiel aus REPowerEU, ein Programm der EU als Reaktion auf die Störung des Energiemarktes durch die russische Invasion, bereitgestellt. Langfristig soll es einen „Souveränitätsfonds“ geben.

Die Zauberformel lautet: mehr investieren, weniger regulieren. Denn während sich Unternehmen in Europa aufwendig um Förderprogramme bewerben, zahlen sie in den USA schlicht weniger Steuern.

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