Fang das Hütchen

(Bild: DOC RABE Media – AdobeStock)

  • Seit 2019 waren die Übernahmen und Fusionen im Chemiesektor rückläufig.
  • Nun steigen laut dem „Chemicals Executive M&A Report 2022“ die angekündigten Transaktionen gegenüber dem Pandemiejahr 2020 wieder um 50 % an.
  • Neben nachhaltigkeitsgetriebenen Veräußerungen schreitet demnach auch der Verkauf von Infrastruktur und Dienstleistungen voran.

Die Übernahmen und Fusionen im Chemiesektor waren seit 2019 rückläufig, wobei der Transaktionswert um 29 % von 333 Mrd. US-Dollar im Jahr 2019 auf 236 Mrd. USD im Jahr 2021 gesunken ist. Im Jahr 2019 überstiegen 21 % der erfassten Deals die 10-Milliarden-Dollar-Marke, verglichen mit nur 3 % im Jahr 2021.

Nun steigen laut dem „Chemicals Executive M&A Report 2022“ die angekündigten Transaktionen gegenüber dem Pandemiejahr 2020 wieder um 50 % an. Kearney wertet das als gutes Zeichen, schließlich gilt die chemische Industrie als konjunktureller Frühindikator. „Da die Chemie immer eng mit dem BIP verknüpft ist, haben sich die letzten Jahre sehr stark auf das Transaktionsvolumen ausgewirkt. Jetzt herrscht wieder mehr Optimismus und die Chemiebranche verspürt Aufwind. Während wir in den beiden letzten Jahren gesehen haben, wie Investoren auf Nummer sicher gingen und kleinere Deals mit Fokus auf die Heimatregion verfolgten, zeigen unsere Daten, dass für Unternehmen, die ihre Aktivitäten im Chemiebereich vergrößern wollen, jetzt der beste Zeitpunkt ist, um mit der Jagd zu beginnen, bevor der Wettbewerb zwischen strategischen und Finanzinvestoren und wahrscheinlichen, nationalen Ölgesellschaften weiter zunimmt“, erklärt Thomas Rings, Partner bei Kearney.

Branche ist optimistisch

Der Report, der zum insgesamt neunten Mal einen Rückblick und einen Ausblick auf die globalen Transaktionen in der Chemieindustrie gibt, stützt sich auf Untersuchungen abgeschlossener und angekündigter Deals sowie auf eine weltweite Umfrage von Führungskräften aus Industrie, Investment Banking und Private-Equity-Häusern.

In der Branche herrscht laut den Studienautoren Optimismus hinsichtlich einer Erholung in den nächsten 12 Monaten, da das Volumen der angekündigten Transaktionen im Jahr 2021 bereits um 50 % gegenüber 2020 gestiegen ist. 41 % der befragten Führungskräfte erwarten, dass die M&A-Aktivitäten in den nächsten 12 Monaten zunehmen werden, wobei weitere 9 % einen starken Anstieg prognostizierten, verglichen mit nur 36 %, die mit einer stabilen Anzahl an Deals rechneten, und nur 14 % mit einem Rückgang. Die Zahl der angekündigten Deals war 2021 höher als in den Jahren 2017 und 2018. Auch der Wachstumspfad der chemischen Industrie führt dieses Jahr nach oben.

Nachhaltigkeit als Treiber

Wald und Fußabdruck
Chemiehersteller verkaufen immer mehr Unternehmensteile, welche ihre Nachhaltigkeits-Ziele nicht unterstützen. (Bild: malp – AdobeStock)


Die Einhaltung von Nachhaltigkeits-Kriterien (ESG – Environmental Social Governance), insbesondere die Dekarbonisierung, stellt die Chemieindustrie vor Herausforderungen. Die befragten Führungskräfte sehen ESG als den wichtigsten Treiber für M&A in der chemischen Industrie über die nächsten 12 Monate. 85 % der Führungskräfte halten es für notwendig, neue Technologien zu erwerben, um die eigene ESG-Strategie zu erfüllen, und 75 % sagen, dass die M&A-Aktivitäten die Veräußerung von Unternehmensteilen betrifft, die die ESG-Ziele nicht unterstützen.

Rings meint: „Es ist sehr ermutigend zu sehen, dass ESG eine hohe Priorität hat und als treibender Faktor gesehen wird. Bisher haben wir nur sehr wenige echte M&A-Deals gesehen, die aufgrund von ESG passiert sind, aber das wird sich dramatisch ändern. Zum ersten Mal veräußern Chemieunternehmen Geschäfte aus ESG-Gründen, und wir werden möglicherweise bald die vollen Auswirkungen des ESG Trends auf M&A im Chemiebereich bemerken. Dafür muss man den Blickwinkel aber über M&A Transaktionen im eigentlichen Sinne erweitern, denn natürlich werden Unternehmen auch über den reinen Kauf und Verkauf hinausblicken, um ihre Klimaziele zu erreichen, wobei sich Partnerschaften, Joint Ventures und Innovationen für klimabewusste Unternehmen auszahlen.“

Neben ESG-getriebenen Veräußerungen schreitet auch der Verkauf von Infrastruktur und Dienstleistungen voran. Chemieunternehmen veräußern dabei Unternehmensanteile, die nicht zum Kerngeschäft gehören, und Investoren haben die Chance, ein relevantes, neues „Stand-alone“-Geschäftsmodell zu etablieren, das Synergien und Wachstum entwickelt. „Diese Divestments werden die M&A-Aktivitäten weiter antreiben und stärker werden“, prophezeit Tobias Lewe, Partner und Leiter der Energie und Prozess Industrie Practice in Europa.

2021 und auch schon in den Vorjahren haben viele Chemieunternehmen, vor allem in Deutschland, ihr Geschäftsportfolio durch eine Vielzahl von Veräußerungen und wenigen gezielten Zukäufen weiterentwickelt. Die Veräußerungen durch deutsche Chemieunternehmen in den letzten drei Jahren haben die M&A Pipeline mit fast 20 Mrd. Euro befeuert. Lewe: „Wir beobachten, dass über die letzten Jahre viele Chemieunternehmen durch M&A Wert geschaffen haben. Das Ende der Fahnenstange ist hier aber lange noch nicht erreicht. Vor allem bei Divestments haben Chemieunternehmen die Wertpotenziale nur selten vollständig ausgeschöpft. Das trifft besonders auf die neuen Assetklassen wie Infrastruktur zu, da es hier weniger Erfahrungen gibt.“

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