Vessel on river Rhine with low water level by Bad Honnef and Dra

Gerade Flüsse spiegeln schwankende Niederschlagsmengen mit niedrigen Wasserständen gut wider. (Bild: kathomenden – StockAdobe.com)

  • Besonderes Potenzial bietet Abwasser für die wasserintensive chemische Industrie.
  • Mit einem geeigneten Wasserkonzept können Unternehmen ihren Prozesswasserbedarf aus Abwasser und Regenwasser decken.
  • Die Nähe zu einer kommunalen Kläranlage kann ein Vorteil sein.

Das verarbeitende Gewerbe ist einer der größten Wasserverbraucher in Deutschland. Während die Ressource Wasser immer kostbarer wird, müssen die Bemühungen um die Erschließung von Wasserkreisläufen, Abwasserwiederverwendung und alternative Nutzwasserquellen weiter zunehmen. Auch kommunales Abwasser kann zukünftig eine wichtige Quelle für Brauch- und Prozesswasser sein. Erste Anwendungsbeispiele gibt es bereits.

Deutschland verfügt, gemittelt über die Jahre 1991 bis 2020, über ein potenzielles Wasserdargebot von rund 176 Mrd. m3 pro Jahr. Das Wasserdargebot beschreibt das potenziell nutzbare Grund- und Oberflächenwasser aus dem natürlichen Wasserkreislauf. Aus dem Wasserdargebot entnahmen Energieversorger, Bergbau und verarbeitendes Gewerbe, Landwirtschaft und öffentliche Wasserversorger als wichtigste Wassernutzungen im Jahr 2019 rund 20 Mrd. m3. Dies entspricht etwa 11,4 % des potenziellen Wasserdargebots und liegt damit unter der kritischen Schwelle von 20 %, ab der von Wasserstress gesprochen wird. Die Gesamtentnahme ist durch effizientere Prozesse seit vielen Jahren rückläufig – so lag sie 1995 noch bei 42,6 Mrd. m3 und damit deutlich über der Schwelle zum Wasserstress.

Die Industrie hat Durst

2019 entnahmen laut Umweltbundesamt Bergbau und verarbeitendes Gewerbe rund 5,4 Mrd. m3 Wasser für industrielle Zwecke. Das entspricht rund 26,8 % der Gesamtentnahmen von rund 20 Mrd. m3. Das verarbeitende Gewerbe allein ist für etwa 16 % des jährlichen Wasserverbrauchs verantwortlich. Spitzenreiter im Verbrauch ist dem Umweltbundesamt zufolge die chemische Industrie mit etwa 58 % der gesamten Wassernutzung des verarbeitenden Gewerbes.

Gleichzeitig ist das Wasserdargebot jedoch regional und saisonal schwankend. Geringe Niederschläge verzeichnen vor allem der Osten und Nordosten Deutschlands. Regionen mit hohen Niederschlägen befinden sich im Westen und Süden. Gleichzeitig geht der langfristige Trend zu nasseren Wintern und trockeneren Sommern. So kam es in den vergangenen Jahren temporär zu lokalen oder regionalen Wasser­engpässen in Deutschland.


Ressourcenschonende Süßwasserquelle: Abwasser

Ein effizienter und ressourcenschonender Umgang mit Wasser wird für Industrieunternehmen dadurch zunehmend wichtig. Dieser zahlt nicht nur auf die Nachhaltigkeitsziele ein – er trägt außerdem dazu bei, die Wasserversorgung sicherzustellen und damit auch die Produktionssicherheit. Wie die Erfahrung von Drees & Sommer aus Kundenprojekten in der Industrie und speziell in der Chemie- und Pharmabranche zeigt, gewinnt kommunales Abwasser als potenzielle Wasserquelle immer mehr an Relevanz – insbesondere an Standorten, wo keine ausreichenden Süßwasservorkommen verfügbar sind und alternativ auf Trinkwasser oder auf kostenintensiv aufbereitetes Meerwasser zurückgegriffen werden müsste. Wasserkonzepte, die auf kommunales Abwasser setzen, zahlen aber nicht nur auf die Nachhaltigkeitsziele von Unternehmen ein, sie sind meist auch eine wirtschaftlich attraktive Lösung zur Prozesswasserversorgung.

Kommunale Kläranlagen leiten ihr Abwasser nach der Reinigung in der Regel in den nächstgelegenen Fluss oder das Meer ein. Mit geeigneten Anlagen können produzierende Unternehmen dieses Wasser jedoch für sich zu Prozess- und Brauchwasser aufbereiten und damit Trink-, Grund- und Oberflächenwasser schonen. Besonderes Potenzial bietet Abwasser für die wasser­intensive chemische Industrie und deren Unternehmen, die große Mengen an Kühlwasser benötigen. Zu Kühlzwecken ist in vielen Fällen Brauchwasser ausreichend, woraus sich ein enormes Einsparpotenzial von Frischwasser ergibt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass ein Unternehmen eine eigene Wasseraufbereitung auf dem Werksgelände aufbaut und darin die kommunalen Abwässer mit behandelt. Dadurch entstehen Vorteile für beide Seiten.

Regenwasser als wirtschaftliche Ergänzung

Entsprechende Wasserkonzepte, die Drees & Sommer für Kunden entwickelt, sehen vor, dass Abwasser aus der eigenen oder der kommunalen Kläranlage auf dem Werksgelände zu Brauchwasser aufbereitet wird. Mit speziellen Anlagen lässt sich das Abwasser zudem zu Reinstwasser (DI-Wasser) für den Produktionsprozess aufreinigen.
Um saisonale Schwankungen in der Wasserverfügbarkeit auszugleichen, können Unternehmen ihren Wasserbezug durch alternative Nutzwasserquellen ergänzen, beispielsweise indem sie Regenwasser verwenden. Das Regenwasser können Anwender auf den Verkehrs-, Grün- und Dachflächen des Werksgeländes auffangen, in extra dafür angelegten Rückhaltebecken speichern und ebenfalls zu Brauch- und DI-Wasser aufbereiten.

Aerial view of water treatment factory at city wastewater cleaning facility. Purification process of removing undesirable chemicals, suspended solids and gases from contaminated liquid
Wenn von Standorten am Wasser die Rede ist, muss es nicht um Flüsse oder Seen gehen, auch die Nähe zu Kläranlagen bietet Vorteile. (Bild: bilanol – StockAdobe.com)

Win-win-Situation durch Wasserkreislauf

Wird Abwasser aus einer kommunalen Kläranlage bezogen, bietet es sich an, das Abwasser aus der Produktion in die Kläranlage zurückzuführen. Das Unternehmen muss dazu die anfallenden Abwässer in der Regel auf dem Werksgelände vorbehandeln. Indem das Abwasser aus dem Werk in die Kläranlage zurückgeführt wird, schließt sich ein Wasserkreislauf, der Grund- und Oberflächenwasser schont und im Idealfall die Auslastung der Kläranlage balanciert, sodass sie einen guten Wirkungsgrad erreicht.
Besteht eine eigene Kläranlage auf dem Werksgelände, wird das Abwasser dort hineingeführt, vor Ort recycelt und somit ebenfalls im Kreislauf gehalten. In beiden Fällen gilt es, nicht in die Kläranlage einleitbare Stoffe mittels Flüssigkeitsabtrennung aufzukonzentrieren und über spezielle Dienstleister separat zu entsorgen.


Resilienz in der Wasserversorgung steigern

Mit solchen Wasserkonzepten können Unternehmen ihren Prozesswasserbedarf potenziell vollständig aus Abwasser und Regenwasser decken und eine Konkurrenzsituation um Frischwasser vermeiden. Mehrere regenerative Wasserversorgungsquellen und eine zuverlässige Prozesswasseraufbereitung erhöhen für Unternehmen zudem die Produktionssicherheit. In der Prozesswasseraufbereitung müssen dazu Aggregate redundant aufgebaut und ausreichende Pufferspeicher integriert werden, um Schwankungen zu kompensieren.

Zudem empfiehlt es sich, unterschiedlich stark belastete Wasserströme strikt zu separieren. Das schützt beispielsweise Regenwasser oder nicht kontaminiertes Wasser vor dem Kontakt mit kontaminiertem Industrieabwasser und verhindert, dass unnötig große Wassermengen die aufwendige und kostenintensive industrielle Aufreinigung durchlaufen müssen.

Faultürme in der Kläranlage gegen blauen Himmel fotografiert
Abwasserschlamm aus kommunalen Kläranlagen kann zur Produktion von Klärgas genutzt werden. (Bild: Werner – StockAdobe.com)

Synergiepotenziale erkennen und ausschöpfen

Die Nutzung des kommunalen Abwassers in Industrieunternehmen, um Brauch- und DI-Wasser herzustellen, ist nur eines von diversen Synergiepotenzialen zwischen Unternehmen und kommunalen Kläranlagen. So bieten nährstoffreiche Industrieabwässer leicht verfügbare Nahrung für Bakterien in Klärprozessen. Zudem kann Abwasserschlamm aus kommunalen Kläranlagen sowie aus der Wasseraufbereitung von Industrieanlagen für die Produktion von Klärgas (Methan) genutzt werden, indem es vergärt wird.

Die dabei entstehende Abwärme kann in ein Fernwärmenetz eingespeist werden, das Methan lässt sich in Blockheizkraftwerken verstromen. Industrieunternehmen können dadurch auf regenerativen Strom und regenerative Wärme für ihre Produktion zurückgreifen und die Abwärme aus der Industrie ist wiederum eine potenzielle Energiequelle für die Klärschlammtrocknung.


Kläranlagen als relevanter Standortfaktor

Kooperationen zwischen Industrieunternehmen und kommunalen Abwasserverbänden können die Ansiedlung von wasserintensiver Industrie in Gegenden mit unzureichenden natürlichen Süßwasservorkommen ermöglichen und so dazu beitragen, neue Industriestandorte zu erschließen. Indem Industrieunternehmen kommunale Abwasser verwenden – und im Idealfall das Abwasser aus der Anlage in die kommunale Kläranlage zurückführen – entsteht ein nachhaltiger Wasserkreislauf.

Solche Modelle in der Breite der deutschen Industriestandorte könnten ein Zukunftstrend werden: So ist die Kreislaufführung von Kühl- und Prozesswasser Teil der im Frühjahr 2023 verabschiedeten Nationalen Wasserstrategie für Deutschland. Das Ziel sollte es sein, die Verwendung von Trinkwasser für die industrielle Produktion auf ein Minimum zu reduzieren.

 

Industriewasser
(Bild: AUUSanAKUL+ / Tasha Vector – stock.adobe.com)

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