Industrieanlage am Fluss

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  • Den Dürre- und Hochwasserereignissen der letzten Jahre will das Bundesumweltministerium mit der sogenannten Nationalen Wasserstrategie begegnen, die aktuell im Bundeskabinett diskutiert wird.
  • Erklärtes Ziel des Aktionsprogramms ist es unter anderem, Vorsorge gegen Wasserknappheit zu leisten sowie Nutzungskonflikten vorzubeugen.
  • Um allen Wasserverbrauchern wie Industrie und Haushalten gerecht zu werden, sieht die Wasserstrategie insgesamt 77 Maßnahmen vor, darunter den Aufbau einer überregionalen Wasserinfrastruktur.

Mit den Extremwetter-Ereignissen der vergangenen Jahre, etwa dem Hochwasser im Ahrtal, aber insbesondere den zahlreichen Dürresommern, ist das Thema Wasser ist auf die Agenda der höchsten politischen Ebene gerückt. „Die vergangenen Dürrejahre haben deutliche Spuren in unseren Wäldern, Seen und Flüssen und in der Landwirtschaft hinterlassen“, erklärte Bundesumweltministerin Steffi Lemke unlängst der Deutschen Presseagentur (DPA). Diesen Problemen will sie mit der sogenannten Nationalen Wasserstrategie begegnen, die Mitte März im Bundeskabinett beschlossen wurde. Erklärtes Ziel des Aktionsprogramms ist es unter anderem, Vorsorge gegen Wasserknappheit zu leisten sowie Nutzungskonflikten – etwa zwischen Industrie und Bevölkerung – vorzubeugen.
Eine zentrale Herausforderung ist, dass sich die Wasserverfügbarkeit stark unterscheidet. Zwar herrsche in Deutschland im Mittel kein Wasserstress, jedoch gebe es regionale und saisonale Unterschiede, weiß das Umweltbundesamt. Von Wasserstress ist die Rede, wenn in einem Gebiet über das Jahr mehr als 20 % des sich erneuernden Wasserangebots entnommen wird. Hoher Wasserstress steigert das Risiko sowohl für Umweltprobleme als auch für wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Fernleitungen sollen regionale Unterschiede ausgleichen

So sind etwa die Niederschläge sehr ungleich verteilt: Das Wasserangebot etwa in Süddeutschland, vor allem im Alpenvorland, ist deutlich reicher als beispielsweise in vielen Gegenden Brandenburgs. Um diesem Problem zu begegnen, plant das Umweltministerium daher, gemeinsam mit den Bundesländern den Bau von Wasser-Fernleitungen voranzutreiben.
„Die Wasserversorgungsinfrastrukturen sind in geeigneter Weise überörtlich und ggf. überregional vernetzt“, so die Vision der Wasserstrategie für 2050, und zwar so, „dass eine flächendeckende, bedarfsgerechte Wasserversorgung auch in Gebieten mit geringem örtlichem Wasserdargebot und in Trockenperioden“ sichergestellt ist. Eine „Übernutzung örtlicher Wasserressourcen“ soll so vermieden werden. Konkret vorgesehen ist dazu in der Wasserstrategie, den genauen Bedarf für Wasser-Fernleitungen bundesweit zu ermitteln, die Prognosefähigkeit zu verbessern, das heißt die aktuelle Analyse von Wasserangeboten und Wasserbedarfen zu ermöglichen sowie Schifffahrtskanäle auch als zusätzliche Wasserspeicher zur Vernetzung und zur Niedrigwasserregulation zu nutzen.

Um regionale Ungleichverteilungen auszugleichen, sollen verstärkt Wasserleitungen – auch über die Ferne – gebaut werden.
Um regionale Ungleichverteilungen auszugleichen, sollen verstärkt Wasserleitungen – auch über die Ferne – gebaut werden. (Bild: ThomBal – stock.adobe.com)

Weitere Maßnahmen nehmen Industrie in die Pflicht

Eine wichtige Nachricht sind die Bemühungen für ein sicheres Wasserangebot auch für die Industrie. Der Sektor benötigt zusammen mit dem Bergbau nach den jüngsten Zahlen des Umweltbundesamts mit 26,8 % über ein Viertel des in Deutschland entnommenen Wassers und damit genau so viel wie die öffentliche Wasserversorgung. Der größte Wasserverbraucher sind nach wie vor die Energieversorger mit einem Anteil von knapp 44 %, für die landwirtschaftliche Beregnung wird dagegen nur etwa 2 % des in Deutschland gewonnenen Wassers eingesetzt.
Um allen Wasserverbrauchern gerecht zu werden, sieht die Wasserstrategie neben einer Ferninfrastruktur noch weitere Maßnahmen vor. So sieht das Papier, um einer Wasserknappheit vorzubeugen, neben „Vernetzen“ noch drei weitere Schwerpunkte vor: Versickern, Speichern und Sparen. So will das Umweltministerium im Bereich „Versickern“ etwa die Entsiegelung von Flächen stärker fördern, einer weiteren Bodenverdichtung entgegenwirken sowie Dränagen rückbauen. Niederschlagswasser „gehört in den Boden“, stellt das Papier klar.
Unter dem Punkt „Speichern“ sollen solche Strukturen gestärkt werden, die Wasserabfluss dämpfen und die Grundwasser-Neubildung fördern sowie gleichzeitig vor Hochwasser schützen können. Dies geschieht in natürlichen Ökosystemen wie Flussauen oder Mooren, aber auch in technischen Einrichtungen wie Regenwasser-Rückhaltebecken, Talsperren oder Zisternen. Konkret sind daher als Maßnahmen unter anderem geplant, die Waldentwicklung in naturnahe Wälder, Wasserrückhaltebecken zu bauen sowie Tümpel und Speicherteiche anzulegen. Außerdem sollen Regenwasseragenturen in Kommunen etabliert werden – diese sollen dafür sorgen, dass wasserwirtschaftliche Anforderungen bei städtebaulichen Planungen stärker berücksichtigt werden.
Auswirkungen auf die Industrie wird auch das Ziel des Wassersparens haben. Sparen sei „eine wichtige Antwort auf die Dürre“ und ein „ein effektives Instrument zur Reduzierung von Wassermengen“. Hier wird die Industrie auch konkret in die Pflicht genommen: So will das Umweltministerium mit der Wasserstrategie „Mindeststandards (Stand der Technik) für effiziente Wassernutzung in Industrie und Landwirtschaft festlegen“. Außerdem will das Ministerium eine bundesweite Einführung von Entnahmeentgelten prüfen. Gleichzeitig sollen Ausnahmen von der Erlaubnispflicht bei Grundwasser­entnahmen abgebaut werden.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (2. v. r.) beim Besuch einer Kläranlage in Hamburg
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (2. v. r.) beim Besuch einer Kläranlage in Hamburg. (Bild: BMUV)

Auf die Umsetzung kommt es an

In der Wasserstrategie werden aber nicht nur die Problembereiche Trockenheit und Hochwasser adressiert. Das Programm nimmt daneben etwa auch die Wasserqualität und die Flussökologie in den Blick. Hier sind Maßnahmen wie die Renaturierung von Fließgewässern und Seen vorgesehen. Trotz Fortschritten bei der Wasserqualität in den vergangenen Jahren sind laut dem Papier die Belastungen durch Stoffe wie Nitrat oder PSM nach wie vor zu hoch. Gleiches gilt für verschiedene Spurenstoffe aus Arznei- oder Pflanzenschutzmitteln, Keime oder sogenanntes Mikroplastik.
Insgesamt sind 77 einzelne Maßnahmen in der Wasserstrategie vorgesehen. Diese – auch rechtlich – umzusetzen, wird auch angesichts der verschiedenen Zuständigkeiten über Bund, Länder und Kommunen hinweg alles andere als einfach werden – und auch Zeit dauern: Die Wasserstrategie hat einen Zeithorizont bis 2050. Um hierbei erfolgreich zu sein, setzt die Strategie auf „eine leistungsfähige und digital vernetzte Verwaltung, die gut organisiert und mit qualifizierten Mitarbeitenden ausgestattet ist“. Bei allen wasserwirtschaftlichen Herausforderungen des Aktionsprogramms darf man vermuten, dass diese Aufgabe wohl die größte werden dürfte.

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