Industrial landscape with blue sky and green plant

(Bild: K2Kstock – stock.adobe.com)

  • Immer mehr Unternehmen – auch durch neue Pflichten zur Umweltberichterstattung – sind dazu angehalten, Geschäftsmodelle und Strategien in Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen zu bringen.
  • Doch weniger als 5 % der europäischen Unternehmen können nachweisen, wie sie diese Ziele erreichen und umsetzen wollen.
  • Fortschrittliche Modelle erleichtern das Ableiten und Implementieren sektorspezifischer Dekarbonisierungsstrategien in bestehende Prozesse und die Umwelt-Compliance ehrheblich.

Die chemische Industrie muss dringend mehr für die Umwelt tun. Noch machen die CO2-Emissionen der Branche etwa ein Viertel der deutschen Gesamtemissionen aus. Das ist für ein klimaneutrales Europa bis 2050 deutlich zu hoch. Insbesondere die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) mit §19a entwickelt sich zum Gamechanger für Dekarbonisierungsanforderungen. Immer mehr Unternehmen sind dazu angehalten, Geschäftsmodelle und Strategien in Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen zu bringen. Die neuen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) verlangen zudem verständlichere, vergleichbarere und detailliertere Nachhaltigkeitsinformationen. Unternehmen, die nicht oder nicht korrekt berichten, werden erheblich bestraft.

Das Problem: Laut CDP, einer internationalen Non-Profit-Organisation, haben zwar 49 % der europäischen Betriebe grundsätzlich Klimaschutzpläne, die sich am 1,5-Grad-Ziel orientieren. Doch weniger als 5 % können nachweisen, wie sie diese erreichen und umsetzen wollen. Es fehlt eine konkrete Dekarbonisierungsstrategie und der Nachweis, dass ernsthafte Maßnahmen für die Transformation ergriffen werden.

Fokus auf Scope-3-Emissionen

Die „richtige“ Lösung zeichnet sich durch eine revisionssichere Methodik aus, um CO2-Emissionen zu messen, unternehmensspezifische CO2-Budgets zu berechnen und spezifische Ziele zur Dekarbonisierung festzulegen. Diese werden anschließend in konkrete Strategien übersetzt und in bestehende Unternehmensprozesse integriert. Bedeutet auch: Der aktuelle Standard für unternehmerische Dekarbonisierungsstrategien, die SBTI-Methodik, reicht aus verschiedenen Gründen nicht aus, um die Anforderungen der CSRD zu erfüllen. Das größte Problem liegt in der Bewertung von besonders intensiven Scope-3-Emissionen; die SBTI evaluiert die Scope-3-Ziele zwar, klassifiziert sie aber nicht.

Es gibt bereits SBTI-Ergänzungen am Markt, die CO2-Budgets von Unternehmen, Gebäuden und Portfolios berechnen und eine aktive CO2-Steuerung ermöglichen. Ziel ist, Transparenz bezüglich der Klimawirkung wirtschaftlicher Aktivitäten zu schaffen und damit Wege zur Dekarbonisierung aufzuzeigen, um anschließend wissenschaftsbasierte Klimapfade unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit zu entwickeln.

Intuitiv verständliche und zuverlässige Instrumente zeichnen sich durch die Besonderheit aus, in der gleichen Einheit zu messen wie das Ziel, nämlich in Grad Celsius. Sie beantworten damit die Frage, um wieviel Grad Celsius sich das Klima erwärmen würde, wenn die gesamte Welt die gleiche Klima-Performance hätte wie die betrachtete Organisation. Das macht das Ableiten und anschließende Implementieren sektorspezifischer Dekarbonisierungsstrategien in bestehende Prozesse so einfach wie nur möglich und erleichtert die CSRD-Compliance erheblich. Das Unternehmen erhält ein individuelles CO2-Budget unter Einbeziehung seiner bisherigen Performance und kann so flexible Maßnahmen entlang des 1,5-Grad-Pfades umsetzen.

Das Modell gibt an, um wieviel Grad Celsius sich das Klima erwärmen würde, wenn die gesamte Welt die gleiche Klima-Performance hätte wie die betrachtete Organisation.
Das Modell gibt an, um wieviel Grad Celsius sich das Klima erwärmen würde, wenn die gesamte Welt die gleiche Klima-Performance hätte wie die betrachtete Organisation. (Bild: MHP)

Grundlage einer prüfbaren Klimastrategie

Eines der verfügbaren Instrumente ist das X-Degree-Compatibility-Modell (XDC) von right°. Es beruht auf globalen Klimamodellen, auf die sich auch der IPCC-Bericht des Weltklimarats stützt. Das Modell berücksichtigt drei Faktoren, die obligatorisch für die Berechnung der Klimaperformance eines Unternehmens sind: Full-Scope-Emissionen (Scope-1-3-Emissionen nach dem Greenhouse Gas Protocol), Ebitda-Angaben und die Personalkosten. In einem ersten Schritt wird die Emissionsintensität ermittelt. Anschließend werden sektorspezifische Benchmarks für das analysierte Unternehmen definiert. Dann wird die Klimaperformance in Relation zu den Benchmarks für jedes Jahr bis zum Jahr 2100 berechnet. Schließlich wird der Grad auf globalen Maßstab hochgerechnet. Mit Szenario-XDCs kann ein Unternehmen sein individuelles 1,5-Grad-konformes Klimaziel fest­legen.

Letztendlich liefert die Berechnung wissenschaftlich fundierte Kennzahlen, die Klimarisiken- und -chancen in direktem Bezug zum 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens transparent macht. Unternehmen können dadurch beispielsweise einen internen CO2-Preis festlegen, über den sich wiederum Emissionsrisiken quantifizieren lassen. Da das XDC-Modell der „Rechenkern“ eines spezialisierten Software-Tools ist, ist die Berechnung spezifischer Anforderungen und Prozesse möglich. Unternehmen aller Branchen können es also nutzen und unterschiedliche Sektoren vergleichen. Ein weiterer Vorteil: Es ist in die bestehende Prozess- und Systemlandschaft integrierbar und wird damit zum aktiven Bestandteil der Steuerung und der strategischen Ausrichtung des Unternehmens.

Das Modell berücksichtigt drei Faktoren, die obligatorisch für die Berechnung der Klimaperformance eines Unternehmens sind.
Das Modell berücksichtigt drei Faktoren, die obligatorisch für die Berechnung der Klimaperformance eines Unternehmens sind. (Bild: MHP)

In die Umsetzung kommen

Steuerungsmodelle wie das XDC-Modell sind ein wichtiger Teil, um die Emissionsziele im Industriesektor zu erreichen, die Transformation zum nachhaltigen Wirtschaften ist aber wesentlich umfangreicher. Damit sie gelingt, muss das gesamte Operating Model orchestriert verändert werden. Dazu gehören tiefgreifende Veränderungen in den Dimensionen Geschäftsmodell, Betriebsabläufe, Produkte und Dienstleistungen, Daten und Unternehmenskultur.

Ein kreatives und agiles Managementmodell unterstützt Unternehmen bei der Umsetzung der erforderlichen Änderungen. Es besteht im Wesentlichen aus vier Schritten: Unternehmen sollten zunächst eine Bestandsaufnahme machen. Einen allgemeinen Standard für die Bestimmung von Emissionen bietet die Bilanzierung nach dem Greenhouse Gas Protocol. Anschließend werden einzelne Scope-Emissionen unterschieden, durch die Emissions-Hotspots im Unternehmen, etwa durch die Lieferkette oder die IT, leicht sichtbar werden. Sobald die Hotspots identifiziert sind, gilt es, klare, messbare Klimaziele zu definieren. In der Chemie haben beispielsweise Prozesswärme und Prozessdampf erhebliches Potenzial für Einsparungen; hier kann der Anteil erneuerbarer Energien erhöht werden. Anschließend hilft eine klare Roadmap, konkrete Schritte zur Reduktion von Emissionen festzulegen und die formulierten Maßnahmen konsequent umzusetzen. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Frameworks und Leitfäden, die Unternehmen dabei unterstützen können, wie die Science-Based-Target-Initiative. Ein Monitoring sorgt letztendlich dafür, Teilerfolge sichtbar zu machen und Maßnahmen regelmäßig anpassen zu können.

Technologie- und Businesspartner hinzuziehen

Dekarbonisierung bringt nicht nur Pflichten für nachhaltiges Wirtschaften mit sich, sondern auch Chancen. Denn: Entsprechende Maßnahmen rechnen sich wirtschaftlich, etwa durch verringerte Betriebskosten, stärkere Personal- und Kundenbindung, und bringen somit Wettbewerbsvorteile. Studien zeigen, dass Unternehmen, die ESG-Maßnahmen umsetzen, im Bereich Wachstum und Rentabilität bis zu 7 % besser abschneiden. Ein starkes ESG-Engagement schafft zusätzlichen Shareholder Value. Andersherum riskieren Unternehmen einen Verlust von 20 % ihres wirtschaftlichen Gewinns.

Werkzeuge wie das XDC-Modell helfen nicht nur bei der Erarbeitung von konkreten Dekarbonisierungsstrategien, sondern auch bei der einfach verständlichen Kommunikation derselben an Mitarbeitende, Geschäftsleitung sowie Shareholderinnen und Shareholder. Klar ist aber auch: Die notwenige, schnelle Dekarbonisierung funktioniert nur mit einem Wandel hin zu zirkulären, dienstleistungsorientierten Geschäftsmodellen. Hier muss eine energie- und ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft das Leitbild sein – sie ist zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Industriewende.

Durch die Zusammenarbeit mit Technologie- und Businesspartnern, die die Digitalisierung von Prozessen und Produkten unterstützen, neue Geschäftsmodelle und Erlösquellen mitentwickeln und IT-Transformationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette begleiten, kann der Wandel hin zu grünem Wachstum erreicht werden. Zugunsten eines gesunden Planeten.

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