
(Bild: AkshayG, Olesia, sports photos – stock.adobe.com)
- Europa und die USA sind bezogen auf die Batterielieferkette stark abhängig von China.
- China dominiert die Lieferkette nicht nur aufgrund von Produktionsstätten, sondern auch durch Schürfrechte für Rohstoffe.
- Eine stärkere Unabhängigkeit könnten Handelsabkommen, neue Produktionsstätten und neue Batterietechnologien ermöglichen.
Haupteinsatzort für Lithium-Ionen-Batterien (LIB) sind Elektrofahrzeuge. Aktuell teilen sich China, die USA und Europa 95 % der Einnahmen dieser Branche, was bereits einen ersten Hinweis darauf gibt, wie stark der Einfluss dieser drei Regionen auf die gesamte LIB-Lieferkette ist. Eine Studie der Universitäten Münster und Aachen mit dem Titel „China’s hold on the lithium-ion battery supply chain: Prospects for competitive growth and sovereign control“ hat sich nicht nur damit beschäftigt, wo die einzelnen Prozessschritte dieser Lieferkette stattfinden, sondern auch welches Land wie viele Anteile daran hält. Beispielsweise gibt es zwar keine Produktionsanlagen für Nickel-Mangan-Cobalt-Batterien (NMC) in Europa, jedoch tragen die Konzerne BASF und Umicore etwa 20 % zum weltweiten NMC-Angebot bei, da sie Anlagen oder Anteile an Unternehmen und Joint Ventures in Asien besitzen. Sie verstärken also indirekt den Einfluss Europas auf die Batterieproduktion.
Von der Raffination bis zur Elektrofahrzeug-Produktion liegt ein Großteil der LIB-Lieferkette in China und auch die größten Konzerne in diesem Bereich stammen von dort, wobei sich ihre Marktmacht nicht nur auf das eigene Land beschränkt. Durch den Kauf von Schürfrechten, Minen und Tochtergesellschaften kontrollieren chinesische Konzerne die Lieferkette über die eigenen Landesgrenzen hinaus.
Gerade wenn es um die Rechte für den Abbau von Rohstoffen für die Batterieproduktion geht, liegt China weit vor anderen Ländern. Unternehmen aus dem Land besitzen bedeutende Anteile an Minen in Australien, Indonesien und der Demokratischen Republik Kongo. Besonders ausgeprägt ist die Dominanz bei der Produktion von Kathodenmaterial (englisch: Cathode Active Material, CAM) für Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LFP) mit einem Marktanteil von über 98 %. Auch wenn es um die Raffination der einzelnen Rohstoffe geht, besitzen chinesische Unternehmen die größten Anteile, diese liegen zwischen 59,5 % und 73,57 %.

Heimische Produktion und Zusammenarbeit stärken
Die Produktion und Nutzung von LIB sind globaler verteilt: Südkorea und Japan sind starke Akteure in der Herstellung von NMC-Kathoden, während die USA 28,6 % der Elektrofahrzeug-Produktion kontrollieren. Dennoch: Würde China Exportbeschränkungen für Batterietechnologien verhängen, würde das zum aktuellen Zeitpunkt die weltweite Versorgung gefährden.
Die Studie schlägt mögliche Gegenmaßnahmen vor, deren positive Auswirkungen allerdings eher langfristiger Natur sind und kurzfristig Investitionen fordern. Zum einen könnten Europa und die USA durch mehr Handelsabkommen mit rohstoffreichen Ländern direkten Zugang zu Lithium und anderen kritischen Materialien erhalten. Auch eine transatlantische Zusammenarbeit von Europa und den USA könnte in Bezug auf LIB zu einer stärkeren wirtschaftlichen Unabhängigkeit von China führen. Zum anderen weist die Studie Wege auf, die heimische Produktion zu stärken. Indem Europa und die USA den Bau von Raffinerien in den eigenen Ländern fördern, könnten sie unabhängiger von chinesisch verarbeiteten Rohstoffen werden. Ein anderer Ansatz wäre, den Fokus auf NMC-Kathoden zu setzen, da diese Technologie weniger stark von China dominiert wird. Das hat allerdings auch einen Grund: LFP-Batterien sind verglichen mit ihren NMC-Pendants günstiger in der Herstellung. Würden Europa und die USA also auf NMC-Kathoden setzen, müssten sie es schaffen, beispielsweise bei der Reichweite signifikant besser zu sein als die günstigeren LFP-Batterien aus China, um einen Kaufanreiz zu bieten.
Batterienachfrage über heimische Produktion decken?
Hier schließt sich thematisch eine weitere Studie aus Deutschland vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) an mit dem Titel „Feasibility of meeting future battery demand via domestic cell production in Europe“. Die Forschenden haben mittels wahrscheinlichkeitsbasierter Modellierung ermittelt, ob Europa seine Nachfrage nach Batterien über die heimische Produktion decken kann. Dafür haben sie zunächst in verschiedenen Szenarien die zukünftige Nachfrage nach Batterien in Europa errechnet, denn die EU hat vor, bis 2030 90 % ihres Batteriebedarfs aus heimischer Produktion zu decken.
Für ihre Modelle haben die Wissenschaftler historische Daten aus der Automobilindustrie und zu batterieelektrischen Fahrzeugen sowie angekündigte Produktionskapazitäten und praxisnahe Erkenntnisse darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit angekündigte Kapazitäten im Laufe der Zeit realisiert werden, genutzt. Die Studie berücksichtigt dadurch auch Unwägbarkeiten wie Bauverzögerungen oder Produktionsauslastungsraten und bewertet entsprechende Rohstoffbedarfe. In 69 % dieser prognostizierten Szenarien übersteigt die europäische Batterienachfrage bis 2030 wahrscheinlich 1,0 TWh pro Jahr. Doch auch Szenarien mit einer geringen Nachfrage fallen bis 2030 kaum unter 0,85 TWh pro Jahr.
Rohstoffversorgung ist das geringste Problem
Da es nicht nur relevant ist, wo eine Produktionsanlage steht, sondern auch wer sie betreibt, haben sich die Forschenden auch dazu Daten angeschaut. Früh in den 2020ern waren es fast ausschließlich asiatische Unternehmen, die an der LIB-Lieferkette beteiligt waren. Für 2025 – die Studie ist zwar 2025 erschienen, wurde aber schon Mitte 2024 eingereicht – gehen die Wissenschaftler davon aus, dass etwa zwei Drittel der realisierten Produktionskapazitäten von Unternehmen mit asiatischer Beteiligung und mehr als ein Drittel von europäischen Unternehmen stammen. Für den Anteil der europäischen Unternehmen prognostizieren sie bis 2030 einen Anteil von 45 bis 55 %, während der Anteil asiatischer Unternehmen voraussichtlich auf 40 bis 50 % zurückgehen soll und US-Unternehmen voraussichtlich einen Anteil von 3 bis 8 % einnehmen werden.
Am Anfang jedes Produkts stehen die Rohstoffe, aus denen es gefertigt ist. So auch bei LIB, wo die Rohstofflage prekärer als bei anderen Produkten ist. Wenig überraschend stellt die Studie fest, dass die Nachfrage nach Nickel, Kobalt, Grafit, Lithium und Mangan bis 2035 erheblich ansteigen dürfte. Verglichen mit den 2025 benötigten Mengen geht sie vom neunfachen Bedarf bei Kobalt und einem zwölf- bis fünfzehnfachen Bedarf bei Nickel, Mangan, Grafit und Lithium aus.

Die Rohstofflage sehen die Studienautorinnen und -autoren für Europa nicht unbedingt als Problem und führen dafür drei Begründungen an. Erstens gibt es in Europa Mangan- und Naturgrafitreserven, die verglichen mit der zukünftig benötigten Menge beträchtlich sind. Zweitens lassen die Bewertungen der Informationen über die Selbstversorgungswerte Europas mit diesen Rohstoffen darauf schließen, dass es Fortschritte beim Aufbau europäischer Wertschöpfungsketten gibt, doch müsse die Produktion „extrem schnell“ hochgefahren werden. Kobalt- und Nickelimporte dürften für die inländische Verarbeitung weiterhin erforderlich sein, jedoch ist es wahrscheinlich, dass ein Großteil des Lithiums und der größte Teil des Mangans im Inland beschafft und raffiniert werden können. Naturgrafit erfordert wahrscheinlich eine hybride Lösung, die sowohl die lokale Beschaffung und Raffination als auch Importe erfordert. Drittens könnte der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft – was unter anderem durch den Critical Raw Materials Act der EU oder durch den Inflation Reduction Act der USA gefördert wird – Abhängigkeiten verringern.
Europäische Hersteller müssen sofort handeln
Wie wahrscheinlich ist es mit all diesem Hintergrundwissen, dass die EU ihr Ziel erreicht, 2030 ihren Bedarf an LIB aus den eigenen Ländern zu decken? Obwohl davon auszugehen ist, dass Europa bis 2030 mindestens 50 bis 60 % seines Bedarfs durch die heimische Produktion decken kann, ist das Erreichen des EU-Ziels einer 90%igen Selbstversorgung zwar noch möglich, aber ungewiss – denn etwa die Hälfte der in der Studie modellierten Szenarien verfehlt dieses Ziel.
Die Studienautorinnen und -autoren betonen, dass die kurzfristige Volatilität der Batterienachfrage Investitionsentscheidungen nicht verunsichern sollte, schließlich gäbe es langfristige Verpflichtungen, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern und Ziele für 100 % emissionsfreie Fahrzeuge (ZEV aus dem Englischen: zero-emission vehicle) in Europa. Zudem weisen sie darauf hin, dass internationale ZEV-Ziele auch die europäischen Exportkapazitäten für nichtelektrische Fahrzeuge zukünftig einschränken könnten.
Aufgrund der Beschaffenheit des LIB-Marktes – der globale Wettlauf bei der Produktion, komplexe Wertschöpfungsketten, Rohstoffabhängigkeit und die zeitaufwendigen Anlaufphasen – sehen die Studienautorinnen und -autoren ein sofortiges Handeln europäischer Hersteller als dringend erforderlich. Dazu gehören auch verlässliche Regelungen durch die Politik, um Risiken zu verringern und eine gewisse Planbarkeit zu schaffen.
Um künftig also beim nachhaltigen Verkehr und der Energieversorgung nicht mehr von Importen abhängig zu sein, raten beide Studien zu sofortigen Maßnahmen – sei es der Ausbau von Produktionsstätten entlang der LIB-Lieferkette in Europa und den USA, das Abschließen von Handelsabkommen in Bezug auf Batterierohstoffe oder das Entwickeln neuer Batterietechnologien. Es gibt demnach Ansätze, wie sich Europa und die USA aus der ungewollten Abhängigkeit von China in Bezug auf LIB befreien könnten. Jetzt müssen diese beiden Regionen nach der Selbsterkenntnis, es gibt eine Abhängigkeit, den nächsten Schritt zur Besserung, das Umsetzen der vorgeschlagenen Maßnahmen, unternehmen.