Messinstrument

(Bild: dizfoto1973 – stock.adobe.com)

Vorauseilender Gehorsam ist in der Industrie ja eher ungewöhnlich, wird doch normalerweise jede Geldquelle bis zur Erschöpfung und oft noch darüber hinaus bis zum Ende der Übergangsfrist ausgepresst.

Umso überraschender ist die resolute Entscheidung des Konzerns 3M, sich in Erwartung eines EU-Verbots genauso vorzeitig wie vollständig aus der Produktion von sogenannten poly- und perfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) zu verabschieden. Zusammen mit diesen vier Großbuchstaben verabschiedet man sich damit von der im Chemiepark Gendorf ansässigen Tochterfirma Dyneon, die diese sogenannten Ewigkeitschemikalien bislang noch produziert – aber eben nicht mehr bis in alle Ewigkeit, schon 2025 soll Schluss sein.

Dabei steht noch gar nicht fest, ob und in welchem Umfang PFAS eingeschränkt oder verboten werden sollen. Im Raum steht das komplette Verbot der ganzen Stoffklasse – einfach für die EU-Kommission. Ein bemerkenswerter Rollentausch: Wann war Bürokratie in der EU jemals einfach? Die für die sonst Klarheit und Rechtssicherheit suchende Industrie angeblich vorteilhaftere Alternative: jeden Stoff einzeln prüfen und bewerten und nur die wirklich schädlichen und ersetzbaren verbieten. Auf die damit verbundenen bürokratischen Umwege hat 3M aber offenbar genauso wenig Lust wie die EU und nimmt daher den einfachen Ausweg: kurz und bündig Schluss damit. Das Nachsehen in diesem Szenario haben die rund 700 Mitarbeitenden am Dyneon-Standort Gendorf, deren Stellen von der Standortschließung betroffen sind.

Von Brot aus Luft zu Tank statt Teller

Genauso viele Stellen, ebenfalls rund 700, stehen bei vier anderen Großbuchstaben der deutschen Chemie auf dem Spiel. Allerdings ist bei der BASF kein Verbot im Spiel, die Ludwigshafener schaffen sich ganz von selbst ab. Ganze neun Anlagen will der Konzern allein an seinem Heimatstandort dichtmachen. Caprolactam? TDI? Cyclohexanon? Wer braucht denn sowas heute noch. Den verbleibenden Bedarf decken in Zukunft die Reste der BASF-Standorte in China, Korea, Belgien und den USA – Reshoring, war da was? Das Gras auf der anderen Weide ist eben grüner oder zumindest weniger überreguliert.

Immerhin, eine der beiden Ammoniakanlagen in Ludwigshafen darf bleiben und unter anderem die Produktion des Diesel-Zusatzes Adblue weiter mit Aminen versorgen. Die andere Anlage, die bislang die Düngemittelherstellung beliefert hat, muss dagegen weichen. Wir brauchen offenbar weniger Dünger, aber noch genauso viel Diesel. Wo vor etwas mehr als hundert Jahren unter dem Motto „Brot aus Luft“ das Haber-Bosch-Verfahren den Betrieb aufnahm, heißt es nun Tank statt Teller.

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