Blick von oben auf eine Ammoniakanlage am Standort Ludwigshafen der BASF

Nur eine der beiden Ammoniakanlagen in Ludwigshafen wird zukünftig weiter betrieben. (Bild: BASF)

Das Kosteneinsparprogramm, das BASF 2023 und 2024 umsetzen will, zielt darauf ab, die Kostenstrukturen des Konzerns in Europa und vor allem in Deutschland anzupassen. Wenn das Programm abgeschlossen ist, erwartet der Konzern jährliche Einsparungen von mehr als 500 Mio. Euro – etwa die Hälfte am Standort Ludwigshafen. Davon sollen 10 % des Wiederbeschaffungswerts der Anlagen dort betroffen sein. Der Wiederbeschaffungswert wird juristisch definiert als Preis, der für eine wirtschaftlich gleichwertige Sache – in diesem Fall Anlage – aufgebracht werden müsste.

Damit das möglich wird ergreift der Konzern strukturelle Maßnahmen in Ludwigshafen, die auch beinhalten etwa 700 Stellen am Standort zu streichen – weltweit werden sich die Maßnahmen voraussichtlich auf rund 2.600 Stellen auswirken.

Betroffene Anlagen bei BASF in Ludwigshafen

  • Schließung der Caprolactam-Anlage, einer der beiden Ammoniak-Anlagen am Standort sowie von damit verbundenen Düngemittelanlagen: Die Kapazität der Caprolactam-Anlage von BASF in Antwerpen/Belgien reicht aus, um die Nachfrage für den Eigenbedarf und den europäischen Markt in Zukunft zu decken. Hochveredelte Produkte wie das führende Geschäft mit Standard- und Spezialaminen sowie Adblue bleiben unberührt und werden auch weiterhin über die verbleibende Ammoniakanlage am Standort Ludwigshafen versorgt.
  • Reduzierung der Produktionskapazitäten für Adipinsäure und Schließung der Anlagen für Cyclohexanol und Cyclohexanon sowie Schwersoda: Die Adipinsäure-Produktion im Joint Venture mit Domo im französischen Chalampé bleibt unverändert und verfügt – im veränderten Marktumfeld – über ausreichende Kapazitäten zur Versorgung des Geschäfts in Europa. Cyclohexanol und Cyclohexanon sind Vorprodukte für Adipinsäure; die Soda-Anlage verwertet Nebenproduktströme aus der Adipinsäure-Produktion. Die Produktions­anlagen für Polyamid 6.6 in Ludwigshafen, die Adipinsäure als Vorprodukt benötigen, wird BASF weiter betreiben.
  • Schließung der TDI-Anlage sowie der Anlagen für die Vorprodukte DNT und TDA: Die Nachfrage nach TDI entwickelt sich insbesondere in Europa, dem Nahen Osten und Afrika nur sehr schwach und deutlich unter den Erwartungen. Der TDI-Anlagenkomplex in Ludwigshafen war unterausgelastet und erfüllt die wirtschaftlichen Erwartungen in diesem Marktumfeld nicht. Durch die stark gestiegenen Energie- und Versorgungskosten hat sich die Situation weiter ungünstig entwickelt. Die europäischen BASF-Kunden werden auch zukünftig zuverlässig mit TDI beliefert – über das weltweite BASF-Produktionsnetzwerk mit Anlagen in Geismar/USA, Yeosu/Korea und Schanghai/China.

Begründung zu den Schließungen in Ludwigshafen

BASF-Vorstandsvorsitzender Martin Brudermüller begründet die Entscheidung wie folgt: „Die Wettbewerbsfähigkeit der Region Europa leidet zunehmend unter Überregulierung. Sie leidet auch immer mehr unter langsamen und bürokratischen Genehmigungsverfahren und vor allem unter hohen Kosten für die meisten Produktionsfaktoren. All dies hat bereits über viele Jahre das Marktwachstum in Europa im Vergleich zu anderen Regionen gebremst. Zusätzlich belasten jetzt die hohen Energiepreise die Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit in Europa.“

Gewerkschaft und Betriebsrat kritisieren Entscheidung

Auf wenig Verständnis stieß diese Begründung beim BASF-Betriebsrat und der Chemie-Gewerkschaft IGBCE. Die beiden Organisationen kritisierten das verkündete Sparprogramm des Konzerns und den Stellenabbau in Ludwigshafen als „überzogen“.

Gemeinsam legten sie ein Vier-Punkte-Papier zur Zukunftssicherung des Standorts vor. Es sieht Investitionen in Personal und Transformation des Chemieareals vor. Ludwigshafen dürfe nicht durch ständig neue Sparmaßnahmen geschwächt werden, sondern müsse jetzt eine Pionierrolle im Auf- und Ausbau von nachhaltigen Chemie-Produkten einnehmen.

„Wir müssen in Ludwigshafen mehr in grüne Energie, grünen Wasserstoff und Kreislaufwirtschaft investieren. Wir wissen alle, dass der entsprechende Umbau des Standorts Ludwigshafen viel Geld und Kraft kosten wird, keine Frage. Doch als Betriebsratschef und Gewerkschafter kämpfe ich dafür, dass wir hier im Herzen Europas eine starke Chemieproduktion erhalten und dafür müssen wir eine Pionierrolle im Auf- und Ausbau von Nachhaltigen Produkten einnehmen! Nicht in China, USA oder irgendwo auf der Welt, sondern mit gutem Beispiel voran gehen hier an unserem Stammstandort Ludwigshafen!“, erklärte der BASF-Betriebsratsvorsitzende Sinischa Horvat.

„Anlagen abbauen und Stellen streichen ist noch kein Konzept für eine erfolgreiche Zukunft des größten Chemieareals der Welt“, kritisierte auch der IGBCE-Vorsitzende und BASF-Aufsichtsrat Michael Vassiliadis. „Dieser Standort steht vor seiner ganz eigenen Zeitenwende. Und die gestalten wir nur mit mutigen Innovationen und Investitionen – nicht mit dem Kostenhammer.“ Die aktuelle Energiepreiskrise dürfe sich nicht zum dauerhaften Standortnachteil entwickeln. Der IGBCE-Vorsitzende fordert: „Ludwigshafen braucht jetzt eine konkrete Roadmap zur nachhaltigen Chemie-Produktion von morgen, in die mehr investiert wird. Diese Investitions-Roadmap ist der Vorstand bis heute schuldig geblieben.“

Zudem herrsche bekannterweise in Ludwigshafen akuter Fachkräftemangel. Arbeitsplatzverluste stünden daher nicht zur Debatte. Im Gegenteil, es gebe so viele offene Stellen, „da wird jede und jeder gebraucht“, hatte der Betriebsratsvorsitzende Sinischa Horvat schon im November hervorgehoben.

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