Zu Beginn des Berichtjahres 2022 hatten die Kunststofferzeuger noch eine gute Auftragslage, resümierte Ralf Düssel, der Vorstandsvorsitzende von Plastics Europe Deutschland – und dies trotz schon damals anhaltender Probleme in den Lieferketten und hoher Rohstoffpreise. Die Aufhebung der Corona-Beschränkungen belebten damals den Konsum und die Branche hoffte auf weitere Aufholeffekte.
Der Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar traf die Industrie jedoch hart – unter anderem durch die dadurch gestiegenen Importkosten für Erdgas und Rohstoffe. Der Gaspreis war zwischenzeitlich im August fast dreimal so hoch wie vor Beginn des Ukraine-Krieges im Februar. Dies führte zu einem Rückgang der Kunststoff-Produktion im Gesamtjahr von 9,6 %. Auch der Außenhandel entwickelte sich 2022 rückläufig (Import: -5,7 %; Export: -11,2 %).
Dass es dennoch zu einem Umsatzplus der kunststofferzeugenden Industrie in Deutschland von 13,6 % kam, ist vor allem auf die signifikant gestiegenen Erzeugerpreise (+23,6 %) zurückzuführen. Die sei aber „nicht mit entsprechenden Gewinnen der Unternehmen“ gleichzusetzen, betont der Verband.
Produktion wird 2023 nochmal sinken
Seit September 2022 sinkt der Gaspreis in Europa wieder. Für das Jahr 2023 rechnen die Kunststoffhersteller auch dadurch zwar mit einer leichten Erholung des Geschäftsverlaufs und der Energiemärkte insgesamt. Trotzdem prognostiziert man für 2023 einen weiteren Rückgang der Produktion von Kunststoffen in Primärform um 10 % gegenüber dem Vorjahr.
Verbandschef Düssel zeigte sich besorgt: „Die deutsche Kunststoffindustrie kann die Krise nur überstehen, wenn wir die hohen Energiepreise, die ein klarer Standortnachteil sind, schnellstmöglich in den Griff bekommen. Wie sich der Industriestandort Deutschland im internationalen Wettbewerb behaupten kann, hängt stark vom Schulterschluss von Politik und Wirtschaft ab. Damit wir in Deutschland 2045 klimaneutral und vollständig zirkulär arbeiten können, müssen wir jetzt richtungsweisende Investitionen tätigen. Diese werden aber nur erfolgen, wenn die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft.“
Die hohen Energiepreise sowie fehlendes Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien und bei Genehmigungsprozessen bewerten deutsche Kunststoffhersteller dabei zunehmend als Standortnachteil. Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen die Hersteller große Mengen an bezahlbarem Strom aus erneuerbaren Energien, einen wettbewerbsfähigen Industriestrompreis für die Übergangsphase sowie zügigere Genehmigungsverfahren, fordert Plastics Europe.
Dies bestätigt auch eine aktuelle Umfrage unter der Mitgliedsunternehmen: „Die drei größten Investitions-Hindernisse sehen unsere Mitglieder in den hohen Energiepreisen, bürokratischen und langsamen Genehmigungsverfahren, beispielsweise für Industrieanlagen, sowie dem demografischen Wandel und dem dadurch drohenden Fachkräftemangel“, berichtet Carolina Hupfer, Geschäftsführerin für Wirtschaft und Zentrale Aufgaben.
„Die Arbeit der Bundesregierung in der jetzigen Legislaturperiode ist absolut entscheidend für die Zukunft unserer Industrie in Deutschland und Europa“, so Hauptgeschäftsführer Ingemar Bühler. Konkret forderte er daher etwa „die zügige Einführung eines Industriestrompreises“. Über die aktuellen Pläne des Wirtschaftsministeriums zum Industriestrompreis in Deutschland lesen Sie hier mehr: