Boot in stürmischer See

(Bild: Sven Bachstroem - AdobeStock)

Begeht man den Fehler und sucht im Internet nach „Deutschland Tempo“, also mit Leerzeichen zwischen den Wörtern, wird man zuerst einmal darüber belehrt, dass in Deutschland innerorts eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, außerorts von 100 km/h und auf der Autobahn eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h gilt. Handelt es sich bei diesem Deutschlandtempo-Einwurf von Scholz also lediglich um das Manifestieren seines Willens, ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen einzuführen? Wohl kaum. Ohne das Leerzeichen wird man eher fündig. Die Bundeswehr, NRW-Ministerpräsident Wüst für den Neubau einer Talbrücke, der Bundesverband Mittelstand im Allgemeinen und der VCI für die Forschung im Besonderen – sie alle wollen das Deutschlandtempo.

Ungeliebte Wörter zurückgewinnen


Was ist denn nun dieses sagenumwobene Deutschlandtempo? Vermutlich assoziierten die meisten Deutschen bei dem Begriff im ersten Moment etwas wie die Digitalisierung oder den Ausbau der erneuerbaren Energien hierzulande. Dass es sich dabei um die Beschreibung eines Positiv-Beispiels unseres als Ingenieur-Hochburg verschrienen Landes handeln könnte, nämlich den zügigen Aufbau der LNG-Terminals, kam wohl den wenigsten in den Sinn. Nun ist es ja mit negativ besetzten Wörtern so, dass man zumindest den Versuch unternehmen kann, sie zurückzugewinnen und zu erreichen, dass sie beim Hören wieder ein neutrales bis positives Gefühl auslösen. Sicherlich gibt es Ausnahmen dieser Regel, wo die verbrannte Erde besser in Ruhe gelassen werden sollte.


War es also das hehre Ziel des Herrn Scholz dem Begriff Deutschlandtempo einen positiven Klang zu verschaffen? Weg von den Altlasten der Digitalisierung und hin zum LNG? Vielleicht hat er es auch gesagt, ohne sich der Auswirkungen bewusst zu sein. Sollte er aber ritterlich zur Rehabilitierung des Deutschlandtempos geeilt sein, hat einer seiner Koalitionskollegen diesen Vorstoß kürzlich wieder bitterlich zunichte gemacht.


Denn wenn bei der EU-Kommission von Deutschlandtempo die Rede ist, geht es vermutlich nicht um LNG sondern um E-Fuels und es fällt der Name Volker Wissing statt Olaf Scholz. Dies scheint aber zum Glück nur ein kleiner Schluckauf gewesen zu sein. Mittlerweile wurde sich nach kurzem Streit auf eine Hintertür für E-Fuels im von der EU beschlossenen Verbrenner-Aus geeinigt. Die Begründung: Man müsse offen für andere klimaneutrale Technologien bleiben. Für Wissing reiht sich neben E-Fuels vermutlich auch das LNG als klimaneutrale Technologie ein – gleich hinter dem Teelicht-Ofen.

Sie möchten gerne weiterlesen?