Nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine haben sich sowohl Europa als auch Russland gegenseitig mit Sanktionen belegt. Deutschland hatte bereits früh die Aussetzung des Pipeline-Projektes Nord Stream 2 angekündigt, Russland hat inzwischen die Belieferung mehrerer Länder mit Gas eingestellt – darunter Polen und die Niederlande.
Der Konflikt stellt die europäische Wirtschaft vor große Herausforderungen. Insbesondere Deutschland ist nach wie vor von russischem Gas abhängig: Mehr als die Hälfte des Erdgases in Deutschland stammte vor Beginn des Konfliktes aus russischen Quellen.
Wo stehen die Importterminals in Europa?
Durch eine Verteuerung oder einen Lieferstopp von russischem Gas wird Flüssiggas zu einer entscheidenden Alternative für die Erdgasversorgung in Europa werden. Große Lieferländer sind hier vor allem die USA aber auch Australien und Katar. Für den Import wird LNG auf speziellen Schiffen angeliefert und dann auf Onshore- oder Offshore-Terminals entnommen sowie regasifiziert, also von der flüssigen Form wieder in Gas umgewandelt. Details und Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema LNG-Terminals finden Sie in unserem Überblick. Neben einer Reihe von kleinen Anlagen, gibt es in Europa derzeit 29 Anlagen mit für die Energieversorgung relevanten Kapazitäten:
Im Gegensatz zu den anderen großen Ländern Europas wie Großbritannien, Frankreich, Italien oder Spanien hatte Deutschland lange kein eigenes LNG-Terminal. Laut der Wirtschaftsinitiative Zukunft Gas lag dies auch an besonderen regulatorischen Hürden in Deutschland. Ein weiterer Grund dürfte sein, dass LNG ein gutes Stück teurer war als Pipeline-Gas. Insgesamt waren die Bedingungen für private Investoren in Deutschland offensichtlich unattraktiv.
Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte kurz nach Ausbruch des Ukrainekrieges an, den Bau von LNG-Terminals schnell vorantreiben zu wollen. Mittlerweile hat die Bundesregierung insgesamt fünf schwimmende Terminals – Floating Storage and Regasification Units, FSRU – gechartert. Die erste FSRU, das Spezialschiff Hoegh Esperanza, hat im Dezember 2022 in Wilhelmshaven den Betrieb aufgenommen und soll fünf Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr ins deutsche Gasnetz speisen. Das entspricht rund 6 % des Gesamtbedarfs. Ein weiteres Terminalschiff, die Neptune, liegt bereits in Lubmin in der Ostsee vor Ort. Die für Dezember 2022 geplante Inbetriebnahme hat sich jedoch noch verzögert. Die weiteren Standorte sind Brunsbüttel, Stade sowie eine zweite FSRU in Wilhelmshaven.
Schon – zum Teil lange – vor Deutschland haben bereits viele weitere Länder in Europa große Flüssiggas-Importkapazitäten aufgebaut:
Wo sind neue LNG-Terminals geplant?
Die neuen Bedingungen rund um den Konflikt mit Russland könnten die Attraktivität von LNG-Projekten in Europa weiter begünstigen. Viele Flüssiggas-Importterminals sind derzeit in ganz Europa in Planung oder bereits im Bau:
Auch die deutschen Projekte könnten unter den jetzigen Umständen neuen Schwung erhalten. Von den gecharterten LNG-Terminals sollen noch zwei in diesem Jahr oder Anfang 2023 in Betrieb gehen. Die griechische Reederei Dynagas überlässt Deutschland die erst im vergangenen Jahr gebauten Spezialschiffe Transgas Force und Transgas Power, die vom Energiekonzern Uniper betrieben werden sollen. Zwei weitere FSRU leiht die Regierung über den Betreiber RWE von der Reederei Höegh LNG. Neben Wilhelmshaven, wo die Hoegh Esperanza bereits im Betrieb ist, und Lubmin sind Brunsbüttel und Stade als Standorte vorgesehen. Ein erstes Onshore-Terminal könnte später dann etwa in Stade an den Start gehen. Als Standortpartner ist hier der Chemiekonzern Dow mit im Boot.