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Im Chemiepark Knapsack kommt der Funkstandard Lorawan zum Einsatz. (Bild: Yncoris)

  • Auch in der Chemiebranche müssen immer mehr Geräte, Maschinen und Anlagen vernetzt sowie Daten ausgelesen und analysiert werden.
  • Der Industriedienstleister Yncoris setzt zu diesem Zweck auf die Funkübertragung über Lorawan.
  • Dieser Funkstandard macht es möglich, Daten über kostenlose Frequenzen und große Distanzen hinweg zu übermitteln, verbraucht weniger Strom als WLAN und bietet deutlich günstigere Betreiberhardware als 5G.

Die Entwicklung setzt sich zunehmend auch in der traditionell zurückhaltenden Chemiebranche durch: Immer mehr Geräte, Maschinen und Anlagen werden über das Internet of Things (IoT) vernetzt, Daten ausgelesen und analysiert. Industriedienstleister, die früher die Wartung und Instandsetzung solcher Anlagenteile übernahmen, stehen heute immer mehr in Konkurrenz zu den Maschinenherstellern. Denn intelligente Sensorik ermöglicht es diesen, zustandsbezogene Informationen über ihre Produkte zu erhalten und somit vor Betreibern und Dienstleistern zu erkennen, ob eine Komponente ausfällt oder nicht. Was läge da näher, als auch die entsprechende Instandhaltungsdienstleistung anzubieten. „Industriedienstleister können hier gegensteuern, indem sie innovative Servicemodelle entwickeln“, meint Holger Mengel, Projektleiter Digitale Transformation bei Yncoris. Er hat sich intensiv mit der Digitalisierungsstrategie und innovativen Technologien beschäftigt. „Wir möchten unseren digitalen Reifegrad erhöhen, um neue digitale Angebote zu entwickeln, die unsere Kunden begeistern und weiterbringen. Gleichzeitig sollen sie uns ermöglichen, Effizienzsteigerungspotenziale zu nutzen.“

Daten über große Distanzen übermitteln

Der Industriedienstleister bietet Kunden unter anderem im Chemiepark Knapsack das Umfeld für eine zukunftssichere Produktion. Hier läuft eine erste Lösung auf Basis von Lorawan bereits seit einigen Monaten im Testbetrieb – und liefert belastbare Werte. Lorawan steht für Long Range Wide Area Network und ist ein Funkstandard, mit dem drahtlose, batteriebetriebene Sensoren innerhalb eines Netzwerks über große Distanzen hinweg Daten übermitteln. Das Netzwerk nutzt dabei lizenzfreie und kostenlose Frequenzen. Bei kleinen Datenmengen und seltenen Übertragungen sind Batterielaufzeiten von bis zu zehn Jahren möglich. Wer mehrmals täglich sendet, muss allerdings mit geringeren Laufzeiten rechnen.

Im Chemiepark Knapsack erheben die Sensoren derzeit automatisch einmal täglich die Daten von rund 15 Wasserzählern und leiten sie sicher verschlüsselt an eine Industrial IoT-Plattform (IIoT) weiter. Hier werden die Daten aufbereitet und über eine Schnittstelle in die Anwendung der Ver- und Entsorgung eingespeist. Bisher mussten Mitarbeiter zum Stichtag einmal monatlich manuell ablesen und kontrollieren. Einige der Zähler befinden sich dabei an Stellen in den Anlagen, die nur sehr schwer zu erreichen sind, teilweise hinter dicken Mauern, in Kellern oder weit oben.

Wegbereiter für die drahtlose Infrastruktur

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Holger Mengel will nicht nur für Knapsack innovative Servicemodelle entwickeln.

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In Hendrik Majewskis Bereich der Ver- und Entsorgung könnten bald bis zu 200 Zähler an das Funknetzwerk angeschlossen sein.

„Bisher können wir mit zwei Antennen alle Zähler in einer Ausdehnung von vier Kilometern zuverlässig auslesen“, weiß Markus Kanonenberg, Betriebsingenieur Netzservice/Metering bei Yncoris. „Mit der Funkübertragungslösung schaffen wir eine weitere drahtlose Infrastruktur im Chemiepark, welche die Datenübertragung wesentlich vereinfacht. Gleichzeitig sammeln wir an zentraler Stelle interessante Daten, auf die wir bisher nicht zugreifen konnten und die sich zu wertvollen Informationen verknüpfen lassen – und zwar vollkommen unabhängig von klassischen Prozessleitsystemen“, unterstreicht Hendrik Majewski, Leiter Netze der Ver- und Entsorgung des Industriedienstleisters. IT und Fachbereich arbeiten bereits an der Überführung von der Testphase in den regulären Betrieb. Wenn alles gut läuft, könnten nach und nach bis zu 200 Zähler im Bereich Ver- und Entsorgung an das Netzwerk angeschlossen werden. Dabei feilen die Verantwortlichen an weiteren Anwendungsmöglichkeiten. „Ursprünglich hatten wir nur nach einer Übergangslösung für den Mobilfunkstandard 5G gesucht. Aufgrund der bisherigen Ergebnisse halten wir die Lösung aber auch in anderen Einsatzbereichen im Chemiepark und bei unseren Kunden aus der Prozessindustrie für ausgesprochen attraktiv“, sagt Mengel. So könnten unter anderem Temperaturverläufe, Klimageräte oder Energieflüsse in Anlagen überwacht werden, um nur einige Beispiele zu nennen. In einem weiteren Projekt will man nun prüfen, ob und wie sich die verschiedenen Leihpumpen des Unternehmens überwachen und analysieren lassen. „Im Idealfall könnten wir damit nicht nur nachvollziehen, wo und wie sich unsere Pumpen im Einsatz befinden, sondern auch Hinweise auf einen möglichen frühzeitigen Verschleiß geben“, so Mengel. „Dazu benötigen wir eine breite Datenbasis aus entsprechenden Sensoren, die wir mit dem IIoT verknüpfen können, aber auch mit unseren Kunden abgestimmte Rahmenbedingungen, zum Beispiel im Kontext der Datensicherheit.“

Sparsamer als WLAN und 5G

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Sensoren erheben automatisch einmal täglich die Daten von Wasserzählern und leiten sie verschlüsselt an eine IIoT-Plattform weiter.

Mit der Datenübertragung über weite Strecken und seinem geringen Energieverbrauch hat Lorawan Vorteile gegenüber anderen Technologien. Viele Lösungen mit Sensoren, die WLAN oder Bluetooth nutzen, bieten eine deutlich kürzere Reichweite. Gleichzeitig verbraucht WLAN im Vergleich mehr Strom, und bei 5G ist die Betreiberhardware deutlich teurer. „Für uns war außerdem wichtig, dass unsere Daten nicht den Chemiepark verlassen, also kein Internet benötigen. Das schließt einige Lösungen aus“, sagt Mengel. Grundsätzlich kommen vielfältige Möglichkeiten in Betracht, um neue Lösungen über das Funknetzwerk schnell und ohne großen Aufwand zu testen. Interessant sind dabei insbesondere solche Anwendungen, bei denen ein potenzieller Ausfall einer einzelnen Datenübertragung keine weitreichenden Konsequenzen auf die Anlage hätte.

Das gilt beispielsweise für Wasserzähler, Parkplätze oder Abfallcontainer. „Denn wer – wie beispielsweise bei Rauchmeldern oder in Prozessleitsystemen – zwingend auf eine absolute Verfügbarkeit des Systems angewiesen ist, sollte andere Lösungen in Betracht ziehen. Die ist bei Funkübertragungen nämlich nicht zu hundert Prozent gegeben“, erläutert Mengel. Auch Majewski sieht im System vielfältige Möglichkeiten für die Ver- und Entsorgung, um Daten zu generieren und über eine IIoT-Plattform zu nutzen: „Als Ergänzung zu moderner Leittechnik können wir damit einen Weg in die Digitalisierung unserer Infrastrukturen schaffen und damit die Versorgungssicherheit und Informationsdichte für unsere Kunden am Standort weiter erhöhen. Die Kopplung verschiedener Sektoren ist der logische nächste Schritt auf dem Weg zum Smart Campus.“

Teil einer umfassenden Digitalisierungsstrategie

Die neue Lösung basiert auf einem umfassenden Strategieprojekt, mit dem das Unternehmen den eigenen digitalen Reifegrad unter die Lupe genommen und unter anderem Technologien identifiziert hat, die die digitale Transformation vorantreiben. „Wenn wir uns von Herstellern und anderen Industriedienstleistern abgrenzen wollen, bedeutet das auch, dass wir Daten generieren und sie mit unserem Wissen um die Anlagen unserer Geschäftsbereiche und Kunden anreichern müssen – auf diese Weise können wir unseren Kunden konkrete und praktikable digitale Lösungen mit Mehrwert bieten“, so Mengel. Ein Teil bildet dabei die Sensorik, ein anderer das IIoT. Doch allein auf dem Markt für IoT-Plattformen tummelt sich eine unüberschaubare Anzahl von Lösungen. „Es ist durchaus möglich, dass in Zukunft andere Lösungen für den konkreten Einsatzzweck geeigneter wären. Zum jetzigen Zeitpunkt nach der einen absolut perfekten Lösung zu suchen, halten wir für falsch, da hierdurch zahlreiche Quick Wins nicht gehoben werden können“, betont Digitalisierungsexperte Mengel. Wichtiger sei es, zunächst intern wertvolle Erfahrungen zu sammeln, die auf die eigene Digitalisierungsstrategie einzahlen.

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