Messtechnik zum Abscheiden von Kohlendioxid aus der Luft
Carbyon gelingt es, CO2 effizient aus der Luft zu filtern. Mittels zweier Testanlagen und Präzisionssensoren von Keller Pressure wird das Verfahren für die Produktion erneuerbarer Kraftstoffe wirtschaftlich interessant.
Janet Kooren für Keller PressureJanet Kooren für KellerPressure
(Bild: Bart van Overbeeke Fotografie)
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Carbyon verwendet zum Abscheiden von CO2 ein Dünnschicht-Sorptionsmittel.
Für die Forschung in der Testanlage sind verschiedene Sensoren nötig.
Bei 50 USD/t gefiltertem CO2 wird dieses für die Produktion erneuerbarer Kraftstoffe interessant.
Es ist schwierig, CO2 auf eine Weise aus der Luft zu gewinnen, die praktikabel und erschwinglich ist. Aber das hielt das Team des Start-ups Carbyon in Eindhoven nicht ab. Seit 1,5 Jahren hat es eine Maschine in Betrieb, die genau das kann. Diese Erfindung basiert auf dem Dünnschichtmaterialien-Prinzip für Solarzellen von Hans de Neve – Halbleiterphysiker, Gründer und CEO des Start-ups. Sein Interesse am Thema CO2-Abscheidung und den Möglichkeiten der nur ein Atom dünnen Schicht auf den Solarzellen führte zu dem Verfahren, welches das Start-up jetzt testet.
Luuk van Voorst ist Maschinenbauingenieur beim Start-up und beschäftigt sich mit der Physik hinter der Maschine. „Ich beschäftige mich damit, was passiert, wenn wir Parameter wie Größe, Temperatur oder Geschwindigkeit erhöhen. Ich analysiere die Auswirkungen auf den Verbrauch, schätze die Ergebnisse ab und modelliere sie“, sagt van Voorst über seine Position.
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Beatrix Bos ist als Projektmanagerin und Impact Creator für das Umsetzen, Prüfen und Validieren sowie für Marketing und Kommunikation zuständig. „Wir verwenden eine große Anzahl verschiedenster Software, um Daten in Informationen zu verwandeln. Daher ist die Datenvalidierung ein wichtiges Thema für eine gute Modellierung.“
Beatrix Bos und Luuk van Voorst an der Testanlage.(Bild: Bart van Overbeeke, 2023)
Nach mehreren Jahren Arbeit mit kleineren Prüfvorrichtungen wurde vor 1,5 Jahren mit der Arbeit an den Maschinen begonnen, in denen das Verfahren seine Wirkung entfalten kann. Im Labor werden Proben verschiedener Materialzusammensetzungen in kleinem Maßstab gemessen. Das Geheimnis des Verfahrens liegt in der chemischen Komponente, dem Sorptionsmittel. Dieses nimmt CO2 auf und gibt es kontrolliert wieder ab. Das bedeutet, dass das CO2 wiederverwendbar ist, zum Beispiel um grünes Paraffin herzustellen. Bei der beschriebenen Anlage handelt es sich noch um eine Testanlage, in der das Start-up die Bedingungen ermitteln kann, unter denen das Sorptionsmittel am besten funktioniert. Das Team hat die Maschine modular aufgebaut, so dass sie mit verschiedenen Temperaturen, Drücken, Mengen und Sorptionsmitteln arbeiten kann.
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Die ganze Erfindung basiert auf der zu Beginn genannten Forschung an Materialien für Solarzellen bei TNO, einer niederländischen Organisation für angewandte naturwissenschaftliche Forschung. Die entwickelte Kombination des Start-ups, die selbstentworfene Anlage sowie das genau richtige Verhältnis des Sorptionsmittels, erbringen eine Leistung, die aktuell noch von niemand anderem erzielt werden kann.
Genaue Sensoren sind unerlässlich für verlässliche Testergebnisse.(Bild: Bart van Overbeeke, 2023)
Schichtdicke: ein Atom
Das Sorptionsmittel ist ein überraschend simples Material, das weithin verfügbar ist und es auch bleiben wird. Es wird häufig verwendet, um ausgelaufene Chemikalien, Schmiermittel, Farben, Heizöl oder Lösungsmittel zu binden und ihre toxische Wirkung damit zu neutralisieren.
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Die Schwierigkeit liegt in dem porösen Trägermaterial, auf dem sich das Aufbringen einer hauchdünnen Schicht als komplizierter erwies als bei einem flachen Solarpanel. Dieses poröse Material ist notwendig, weil die Oberfläche groß sein soll, um möglichst viel CO2 aufzunehmen. Aktivkohle ist ein geeigneter Träger, denn ein Gramm des Materials hat eine Oberfläche von 3.000 m2. Die reaktive Schicht, bestehend aus Aminen oder Kaliumcarbonat, wird mit verschiedenen Verfahren auf den Kohlenstoff aufgebracht.
Die Atomlagenabscheidung ist das wichtigste davon. Bei diesem Verfahren wird das Trägermaterial einem Gas ausgesetzt, dessen Atome sich wiederum auf dem Träger absetzen. Die Schicht wird dadurch nicht dicker als ein Atom. Andere Techniken werden bereits entwickelt und sogar eingesetzt, allerdings haben diese eine dickere Sorptionsschicht, in die das CO2 eindringen muss. Dadurch sind mehr Zeit und Energie nötig, damit der Prozess funktioniert.
Das Start-up testet zurzeit zahlreiche Möglichkeiten, um das Sorptionsmittel zu erhitzen – wodurch das CO2 wieder freigesetzt wird – und suchte für die einzelnen Teile des Prozesses die Zusammenarbeit mit verschiedenen Universitäten und Hochschulen in den Niederlanden sowie im Ausland.
„Die ersten zwei bis drei Jahre haben wir hauptsächlich mit der Forschung verbracht, jetzt testen wir die Anwendung und entwickeln die Maschine. Man kann uns als ein Deep-Tech-Unternehmen bezeichnen, denn es muss viel Zeit investiert werden, bevor man die Technologie zur Marktreife bringt. In der Zwischenzeit entstehen alle Arten von neuen Geschäftsmodellen, die den Prozess noch einmal beschleunigen können“, sagt Bos mit entsprechendem Stolz.
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Vom Gramm- zum Kilomaßstab
Die Erfassung ging vom Testaufbau im Grammmaßstab zum Kilomaßstab in der realen Maschine über. Die nächste Maschine wird hundertmal so groß sein, wofür die Hochleistungssensoren des Messtechnikherstellers Keller Pressure benötigt werden.
Der Testaufbau im Grammmaßstab arbeitete mit Flaschenluft. Das war notwendig, um stabile Testbedingungen zu gewährleisten. Jetzt, wo mit einer realen Maschine und Außenluft gearbeitet wird, hat das Projektteam zum ersten Mal alle Technologien in einer Maschine vereint und alles kann gemessen werden. Dazu wird eine Menge Sensoren benötigt, schließlich handelt es sich um eine Forschungseinrichtung. „Da man beim Forschen nicht weiß, was man bei den Tests finden wird, will man so genau wie möglich testen“, erklärt van Voorst den Hintergrund.
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Hochpräzisionsdrucktransmitter der Serie 33X.(Bild: Keller Pressure)
Hohe Genauigkeit und lange Lebensdauer
Das Start-up verwendet verschiedene Sensoren der Serie 33X des Messtechnikherstellers. Zwei Absolutdruck-Sensoren, die bis zu 1 bar messen, sowie je einen Relativ- und Differenzdruck-Sensor, mit denen der Druckabfall über das Sorptionsmittel sowie über den Staubfilter gemessen wird – es entsteht ein Sorptionsmittel-Kreislauf. Zudem ist ein Sensor vor der Vakuumpumpe und ein Absolutdruck-Sensor im Reaktor installiert.
Van Voorst half beim Ausarbeiten der Spezifikationen und hat sich bewusst für Hochpräzisionsdrucktransmitter entschieden, um Messfehler so klein wie möglich zu halten. Denn Messfehler summieren sich, deshalb muss jede Messung so genau wie möglich sein. Aber nicht nur die Genauigkeit ist wichtig, auch die Lebensdauer ist von Bedeutung. Schließlich sind die Messbedingungen schwierig. Es gibt hohe CO2-Konzentrationen, große Temperaturschwankungen und intensive Feuchtigkeit.
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Durch die Selektion der Druckaufnehmer sowie einer digitalen Kompensationselektronik wird die Serie 33X mit der höchsten Präzision von bis zu 0,05 % FS über den gesamten Temperaturbereich spezifiziert. Akkreditierte Kalibrierlabors attestieren nach den Richtlinien des Deutschen Kalibrierdienstes (DKD) bei Drucktransmittern des Messtechnikherstellers eine Genauigkeit von bis zu ± 0,01 % FS bei Raumtemperatur.
Die Drucktransmitter der Serie 33X haben einen RS485-Modbus-Ausgang direkt am Sensor. Das ist für das Start-up ideal, da es auf diese Weise nicht an Genauigkeit verliert und flexibel bleibt. Ursprünglich waren nur drei Sensoren des Messtechnikherstellers verbaut – mit dem RS485-Modul konnte ohne zusätzliche Anpassungen, ein vierter Sensor hinzugefügt werden. „Das ist ein großes Plus, denn wir wollen bei der Einrichtung flexibel sein“, resümiert van Voorst.
Die CO2-Speicherung ist sehr wichtig, denn nur mit Netto-Null-Emissionen werden die Klimaziele nicht erreicht. Von einer Million Teilchen in der Luft sind gerade mal 420 CO2. Um diese der Luft zu entnehmen, werden sie durch Filter geleitet, an denen die CO2-Partikel haften bleiben. Wenn die Filter voll sind, werden sie erhitzt, wodurch das CO2 wieder freigesetzt und eingefangen wird, um es recyceln oder entsorgen zu können. Mit dem Entsorgen allein kann der Klimawandel nicht umgekehrt werden, aber mit einem gezielten Recycling, um synthetisches Paraffin herzustellen, ergibt sich eine ernsthafte Perspektive für einen neuen Kraftstoff-Kreislauf, der sich wirtschaftlich selbst trägt.
Das Start-up ist seit 2023 in der Testphase und entwickelt seine Maschinen stetig weiter, bis sie ihr Endziel erreicht haben. Zwei Testmaschinen sind betriebsbereit und eine dritte wird gerade gebaut. 2024 war das Hauptziel, die Informationen aus dem Output der Maschinen zu untersuchen. Was genau ist noch in dem abgeschiedenen CO2 enthalten und was kann damit gemacht werden?
Bei den bisher entwickelten Verfahren erfordert das Erhitzen der CO2-Filter so viel Energie, dass das Recyclen noch keine Option ist, sondern finanziell nur das Entsorgen in Frage kommt. Mit der neuen Methode des Start-ups ist der Energieverbrauch um ein Vielfaches geringer und die Ausbeute bis zu zehnmal höher, weshalb es letztendlich einen Preis von 50 Dollar pro Tonne CO2 anstrebt. Bei diesen Kosten wird das gefilterte CO2 zur Produktion erneuerbarer Kraftstoffe finanziell interessant.