November 2010
  • Durch die Wirtschaftskrise ist die Instandhaltung bei manchen Betreibern wieder stärker ins Blickfeld gerückt.
  • Werden Instandhaltungsarbeiten ausgeweitet, geht dies auf Kosten des Neueinkaufs von Armaturen.
  • Bei komplexen Regelarmaturen geht der Trend zur zustandsorientierten Instandhaltung und zur Diagnose im Rahmen des Anlagen-Asset-Managements.
  • Während Instandhaltungsdienstleister einen Trend zum Outsourcing sehen, weist eine Fraunhofer-Studie darauf hin, dass durch Outsourcing die Produktivität eines Unternehmens auch sinken kann.

Der Instandhaltungssektor gehört zu den wenigen Gewinnern der Wirtschaftskrise. Denn in schwierigen Zeiten gilt grundsätzlich, dass eher in bestehende als in neue Anlagen investiert wird. Statt also in absehbarer Zeit neue Armaturen zu akquirieren, sollen vorhandene instand gehalten und überholt werden. Konjunkturbedingte Produktionsstillstände bieten hierfür die Möglichkeit. Beispiel Lanxess: Der Leverkusener Spezialchemie-Konzern nutzte den vorübergehenden Stillstand seiner Anlagen im kanadischen Sarnia und im belgischen Zwijndrecht für Wartungsarbeiten. Als die Wirtschaftskrise ihren unrühmlichen Gipfel erklomm, waren diese Reflexe kein Einzelfall – und nachvollziehbar.

Umstände, die beispielsweise auch die Arca-Regler GmbH bemerkte. „Der Kauf von Ersatzteilen für Instandhaltungen wird von manchen Unternehmen vorgezogen“, erklärt Arca-Prokurist Lothar Grutesen. „Manches ist dringlicher geworden.“ Unisono berichtet Hans Hündorf-Richter, Geschäftsführer von Göttgens Industriearmaturen. „Instandhaltung wird immer wichtiger.“ Auf Maintenance spezialisierte Unternehmen blasen – natürlich – ins gleiche Horn: „Der Trend ist deutlich steigend“, so Jörg Schwarzwald, Leiter Unternehmenskommunikation der Piepenbrock Dienstleistungsgruppe. In Zeiten ruhender Anlagen „eine sehr sinnvolle Lösung“, unterstreicht auch Julia Schreiber von Voith Industrial Services. Des einen Freud ist des anderen Leid: Werden Instandhaltungsarbeiten ausgeweitet, geht das auf Kosten des Neueinkaufs von Armaturen. Hier sind Investitionen deutlich zurückgefahren worden, heißt es in der Branche.

Starker Industriezweig

Die Instandhaltung entwickelt sich also zunehmend zu einem bedeutenden Geschäft. „Diese Branche zählt bereits jetzt zu den starken Industriezweigen“, erläutert Robert L. Bitzan, Pressesprecher des FVI (Forum Vision Instandhaltung). Er schätzt das Direktvolumen auf „mindestens 175 Milliarden Euro allein in Deutschland.“ Lukrative Aufträge winken den Instandhaltern: Bilfinger Berger Industrial Services erhielt beispielsweise Verträge für Industriedienstleistungen mit BP und anderen internationalen Öl- und Gaskonzernen an vier Standorten in Großbritannien. Die Verträge haben eine Laufzeit von fünf Jahren und ein Gesamtvolumen von rund 230 Millionen Euro. Bilfinger Berger ist außerdem exklusiver Outsourcing-Partner von AkzoNobel in Schweden. Der Konzern soll an den Standorten Bohus bei Göteborg sowie Sundsvall und Alby in Mittelschweden mit umfassenden Instandhaltungskonzepten einen störungsfreien Betrieb der Chemieanlagen sicherstellen. Die Wartungsverträge besitzen eine Laufzeit von fünf Jahren. In Norwegen übernimmt Bilfinger Berger zunächst für drei Jahre die Instandhaltung der Aluminiumproduktion von Alcoa in Mosjöe.

Hertel Total Asset Management sicherte sich einen Drei-Jahres-Auftrag für das Armaturenmanagement von Ineos für die Raffinerie Grangemouth in Großbritannien. Das niederländische Unternehmen freute sich außerdem über einen Instandhaltungsauftrag für die Shell Stanlow Raffinerie im britischen Cheshire. Das Armaturenmanagement für vier Nordsee-Plattformen übernahm Severn Unival aus Großbritannien – der Auftrag umfasst technische Lösungen, Reparatur, Wartung und Zertifikation.

In jedes Einzelteil zerlegt

Revisionen an Armaturen jeglicher Art während der Anlagenstillstände in Petrochemie, Chemie und Kraftwerken sind auch das Geschäft von InfraServ Knapsack. „Während dieser Stillstände werden die Armaturen von uns in jedes einzelne Teil zerlegt und gereinigt“, erläutert Wilhelm Loeven von der Industriellen Instandhaltung. Anschließend wird das Ergebnis dokumentiert. „Es zeigt sich, dass oftmals in vorhergehenden Instandsetzungen nicht alle Mängel beseitigt wurden.“ Nach der Befundung wird die Armatur nach Herstellervorgaben wieder montiert und einer Ausgangsprüfung unterzogen.

Der Maintenance-Markt wächst und wächst. Denn viele Unternehmen schätzen die zahlreichen Vorteile einer effektiven Instandhaltung. Die Lebensdauer von Anlagen erhöht sich, die Nutzung wird optimiert. Auch die Verfügbarkeit verbessert sich, Störungen werden verringert und schließlich wächst die Betriebssicherheit. Keine Frage, die Instandhaltung ist ein bedeutender Wertschöpfungsfaktor und hilft, Kosten zu sparen. Die Zeiten, in denen sie primär als Kostenfaktor betrachtet wurde, gehören der Vergangenheit an. Instandhaltung ist nicht gleich Instandhaltung. Denn sie wird ganz unterschiedlich interpretiert. So betreibt die reaktive Instandhaltung keine Vorbeugung. Erst beim Auftreten eines Fehlers kommt es zur Reparatur. Die überraschende Havariereparatur erweist sich als die teurere Variante.

Vorausschauende Instandhaltung

Bei der vorausschauenden bzw. zuverlässigkeitsorientierten Instandhaltung werden dagegen auf der Grundlage vorliegender Informationen die notwendigen Zeitpunkte zur Durchführung von wichtigen Wartungen geregelt. Der Instandhalter wird hier aktiv, bevor „das Kind in den Brunnen gefallen ist“. Eine Strategie, die das deutsche Instandhaltungsforum FVI bevorzugt, denn nur sie erziele eine Prozessoptimierung. Durch die Senkung der Kosten für die konventionelle, korrigierende Instandhaltung, für Reparaturaufwendungen, Ausfallzeiten sowie für Inbetriebnahme- und Anlaufzeiten erhöhe sich die Produktivität.

Doch erweist sich die vorausschauende Instandhaltung mittlerweile als Herausforderung. Aufgrund der technischen Anforderungen werden Prozesse zunehmend vernetzter, hoch komplexer und weitgehend automatisiert. Notwendig ist der Einsatz moderner Konzepte und Systeme. „Das Instandhaltungsmanagement der Zukunft erfolgt IT-unterstützt und nutzt modernste Technologien wie beispielsweise Telediagnose, Expertensysteme, Grafische Informationssysteme (GIS), mobile Systeme auf Basis von RFID, Wissensmanagement-Tools und hat Zugriff auf Web-Kataloge für die Beschaffung von Ersatzteilen“, erläutert der Vorstandsvorsitzende des Verbands FVI, Harald Neuhaus.

Auf zustandsabhängige Instandhaltung setzen verstärkt produzierende Unternehmen. Sie erfordert die Anwendung von Condition Monitoring Systemen. Dazu gehören etwa die Schwingungsüberwachung, Thermografie, Drehmoment-, Lage- sowie die Schmierstoff- und die Ultraschallüberwachung. Hinzu kommen die Stromaufnahme- und Druckluftverbrauchsmessung.

Empfindliche Regelventile

Ein empfindliches Glied in der Produktionskette bilden Armaturen. So können Regelventile die Prozesssicherheit und Laufzeit erheblich negativ beeinflussen, wenn sie nicht sorgsam und durch professionellen Service gewartet werden. Um den tatsächlichen Zustand dieser Regelventile im Prozess zu erfassen, sind komplexe Analysen und die Erfahrungen des Herstellers wichtig.

Zahlreiche Unternehmen haben Produkte entwickelt, um das zu ermöglichen. So konstruierte zum Beispiel Flowserve ein netzwerkfähiges Diagnosesystem für Regelventile, das in einen Überwachungsleitstand vor Ort oder in ein so genanntes Plant Asset Management über FDT/DTM eingebunden werden kann. Ventil und Stellungsregler werden konstant überwacht.

Flowserve richtet das vollautomatische Diagnosesystem darauf aus, nicht auf Symptome hinzuweisen, sondern eine vorausschauende, vorbeugende Diagnose zu bieten: Der Fokus richtet sich auf den Status des Ventils und weniger auf Alarmmeldungen. Die eigentlichen Ursachen sollen erkannt werden. Und es werden Vorschläge gemacht, mit welchen Schritten die Funktionsfähigkeit des Ventils und des gesamten Produktionsablaufes verlängert wird. Unnötige Inspektionen, insbesondere die Analyse unkritischer Prozesskomponenten werden vermieden – unproduktive Arbeitsschritte entfallen.

Doch hat die hochwertige Instandhaltung ihren Preis – und der bezieht sich nicht nur auf das reine Produkt. Denn nur mit gut ausgebildeten Ingenieuren und Technikern ist sie möglich. Instandhalter sind heute hochqualifizierte Spezialisten, die über ein umfangreiches und interdisziplinäres technisches Fachwissen verfügen müssen. Erforderlich sind neben fundiertem technischem Wissen Kenntnisse in Betriebswirtschaft und Personalführung, Teamfähigkeit, Kundenorientierung und Rechtswissen. Allerdings steht die Instandhaltung hier vor einer großen Herausforderung: Für diese Branche gibt es zumindest in Deutschland keine adäquate Ausbildung auf Fach- und Hochschulniveau.

Möglich ist eine effektive Instandhaltung aber nur, wenn das Unternehmen von ihrem Sinn überzeugt ist. „Zusammenarbeit und Teamgeist sind gefragt bei der Implementierung moderner Instandhaltungskonzepte, nicht Zuständigkeitsdenken und Rivalität zwischen den einzelnen Abteilungen“, unterstreicht FVI-Vorstandsvorsitzender Harald Neuhaus. Daher gilt, dass Maintenance ein Thema für das Top-Management ist.

Pro und Contra Outsourcing

Für die Unternehmen stellt sich allerdings die Frage, ob sie eigenes Personal und Equipment für ihre Instandhaltungen bereit halten oder aber diesen Bereich auslagern. Zumindest die Instandhalter selber sind davon überzeugt, dass es „einen Trend bei Industrieunternehmen gibt, Maintenance-Arbeiten an externe Anbieter abzugeben“, berichtet Julia Schreiber von Voith Industrial Services. Ein Grund hierfür könnte sein, dass sich die Unternehmen flexibler sehen und das Know-how nicht im eigenen Haus bereitstellen müssen. Die Firmen konzentrieren sich auf ihre Kernkompetenzen.

Allerdings ist die Richtigkeit der Strategie des Outsourcens umstritten. So bezweifelt beispielsweise der VDI den Sinn, Teile des Geschäftsprozesses auszulagern. Dabei stützt er sich auf eine Studie des Fraunhofer Institutes. Danach lohnt das Outsourcing nicht in jedem Fall. „Je mehr Prozesse eines Unternehmens ausgelagert werden, desto geringer ist oft die Produktivität“, erklärt der VDI. Betriebe mit einer hohen Fertigungstiefe erreichten im Gegensatz zum Durchschnitt der Industrie eine höhere Produktivität von mehr als acht Prozent. „Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie durch Outsourcing nicht zwingend Kosten einsparen“, resümiert VDI-Präsident Prof. Bruno O. Braun. Schlanker und schneller sei nicht automatisch besser. „Transaktionskosten mit Zulieferern und Abhängigkeiten sind häufig Punkte, die Unternehmen unzureichend berücksichtigen, wobei die Betriebsgröße keine Rolle spielt.“ Vorteile von Insourcing seien dagegen niedrigere Kosten durch verminderte Abstimmungsprozesse, eine erhöhte Flexibilität in Engpasssituationen und dass sich die Kapazitäten dynamischer steuern lassen. Liegt ein Engpass vor, kann schnell eingegriffen werden.

Bewegte Zeiten durchleben auch die Instandhaltungsunternehmen selber. So hat Bilfinger Berger für rund 350 Millionen Euro den österreichischen Industriedienstleister MCE mit 6.500 Beschäftigten übernommen. Außerdem erwarb die WISAG den ThyssenKrupp Industrieservice mit insgesamt 12.500 Mitarbeitern. Der frühere ThyssenKrupp Service firmiert nun unter „WISAG Produktionsservice“. Auch Voith Industrial Services hat hinzugekauft: In den vergangenen Jahren kamen DIW, Hörmann und Premier hinzu. Belege dafür, dass es auf dem Instandhaltungsmarkt zu einem Konzentrationsprozess kommt.

Die Instandhaltung ist gekommen, um zu bleiben – weil sie ihren festen Platz in der Industrie erobert hat. Und weil sie zukunftsweisend ist. Denn eine optimale Instandhaltung von Maschinen und Anlagen vermag sogar einen erheblichen Beitrag zur Senkung des Energieverbrauchs und damit zum Schutz der Umwelt zu leisten.

 

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