
Familienphoto: 400 Wirtschaftsführer haben sich erneut in Antwerpen versammelt, um mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über den soeben veröffentlichten Clean Industrial Deal zu sprechen. (Bild: Cefic)
Ein Jahr nach der Veröffentlichung der Antwerpener Erklärung haben sich 400 Wirtschaftsführer erneut in Antwerpen versammelt, um mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über den soeben veröffentlichten Clean Industrial Deal zu sprechen. Vor dem bevorstehenden Treffen des Europäischen Rates im März fordert die Industrie die Staats- und Regierungschefs der EU auf, ohne weitere Verzögerung in allen Mitgliedstaaten entschlossen zu handeln.
Schlüsselbranche Chemieindustrie besonders betroffen
Die europäischen Industrien stehen vor historischen Herausforderungen: sinkende Nachfrage, stagnierende Investitionen, reduzierte Produktionskapazitäten und Gaspreise, die vier- bis fünfmal so hoch sind wie die der internationalen Konkurrenz. Zwischen 2023 und 2024 ging die europäische Industrieproduktion – ein Sektor mit über 31 Millionen Beschäftigten – um weitere 2,6 % zurück. Besonders betroffen ist die chemische Industrie als Schlüsselbranche für viele andere Industriezweige: Eine aktuelle Studie von Cefic zeigt, dass zwischen 2023 und 2024 bereits über 11 Millionen Tonnen Produktionskapazität an 21 bedeutenden Standorten stillgelegt wurden oder werden sollen.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, stellten im Februar 2024 73 Wirtschaftsführer der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem damaligen belgischen Premierminister Alexander De Croo die Antwerpener Erklärung vor. Sie enthält zehn konkrete Maßnahmen, um Investitionen wieder attraktiv zu machen, die Nachhaltigkeitsziele Europas umzusetzen und hochwertige Arbeitsplätze in Europa zu sichern. Inzwischen haben über 1.300 Unterzeichner die Erklärung unterstützt.
„Wir schätzen es sehr, dass sich die Kommissionspräsidentin die Zeit genommen hat, heute in Antwerpen mit uns über den Clean Industrial Deal zu sprechen“, sagte Ilham Kadri, Präsidentin von ICCA und Cefic sowie CEO des Spezialchemieunternehmens Syensqo. „Neun der zehn Forderungen der Antwerpener Erklärung wurden aufgegriffen. Nun müssen wir Europas Ehrgeiz, etwas sein zu wollen, in die Entschlossenheit umwandeln, etwas zu tun.“ Europa verfehle täglich seine eigenen Ziele und verliere hochwertige Arbeitsplätze nicht nur für die jetzige Generation, sondern auch für die kommenden. Kadri forderte darum „mutiges Handeln der europäischen Führung.“
Marco Mensink, Generaldirektor von Cefic, erläuterte: „Beim Lesen des Clean Industrial Deal ist klar: Die Kommission muss sich auf drei zentrale Maßnahmen konzentrieren, die unsere Situation bereits in diesem Jahr verbessern, und dafür mit aller Kraft, Entschlossenheit und Mut eintreten. Gleichzeitig brauchen wir einen realistischen Zeitplan für die verbleibenden Maßnahmen. Wenn wir von Maßnahmen sprechen, dann meinen wir Taten, nicht Strategien, politische Leitlinien oder Pläne. Kein Stein darf auf dem anderen bleiben, und es dürfen keine Tabus bestehen bleiben. Die Situation muss sich ändern.“
Cefic fordert, dass alle neuen EU-Initiativen anhand folgender Kriterien geprüft werden:
- Tragen sie dazu bei, Europa sicher und unabhängig zu halten?
- Senken sie die Energiekosten?
- Verringern sie die bürokratischen Hürden für Unternehmen?
- Ziehen sie Investitionen nach Europa?
- Schaffen sie Märkte für nachhaltige Produkte?
- Sichern sie hochwertige Arbeitsplätze in Europa?
Falls eine dieser Fragen mit „Nein“ beantwortet werden müsse, sollten die EU-Entscheidungsträger ihre Vorschläge überarbeiten, fordern die Industrievertreter.
Die Antwerpener Erklärung bleibt für den Chemieindustrie-Verband ein dringender Appell zur Wiederbelebung der europäischen Industrie. Die Unternehmen seien bereit, ihren Beitrag zu leisten und die politischen Entscheidungsträger dabei zu unterstützen, eine wettbewerbsfähige, widerstandsfähige und nachhaltige Zukunft für Europa zu gestalten – inmitten sich verändernder geopolitischer Rahmenbedingungen.