Dyneon-Standort im Chemiepark Gendorf

Die Fluorpolymer-Produktion von Dyneon im Chemiepark Gendorf sollte eigentlich bis 2025 geschlossen werden. (Bild: 3M)

Update vom 21. Mai 2024: Die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag will sich mit einem Antrag im Wirtschaftsausschuss für den Weiterbetrieb des PFAS-Herstellers Dyneon im Chemiepark Gendorf einsetzen, um Arbeitsplätze und den Industriestandort des Chemiedreiecks zu sichern. Die Landtagsfraktion schätzt, dass die vom US-Konzern 3M beschlossene Dyneon-Schließung bis zu 1.000 Arbeitsplätze in Burgkirchen und aufgrund des Verbundsystems auch bei weiteren Unternehmen im Chemiedreieck gefährdet.

Zudem birgt die Werksschließung des einzigen deutschen Produzenten von Fluorpolymeren in den Augen der CSU-Fraktion auch Risiken für den Industriestandort Deutschland und Europa: Die CSU-Fraktion fürchtet, dass sich durch den Ausfall von Dyneon nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert, sondern Deutschland auch abhängig von PFAS-Produzenten im außereuropäischen Ausland wird.

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der CSU-Fraktion Kerstin Schreyer sagte dazu: "Die Chemieindustrie ist für Bayern nicht nur ein wichtiger Wirtschaftszweig, sondern auch zentral für die Daseinsvorsorge unserer Bevölkerung. Dyneon leistet durch die Produktion von Fluorpolymeren einen unverzichtbaren Beitrag für Zukunftstechnologien in den Bereichen Medizintechnik, Erneuerbare Energien oder Elektromobilität. Die Schließung des Werks wäre aus wirtschafts- und geopolitischer Sicht ein eklatanter Fehler, unter dem auch die Wettbewerbsfähigkeit der Industriestandorte Bayerns, Deutschlands und auch Europas leidet. Deshalb setzen wir uns weiter massiv für den Erhalt des Werks als unersetzlichen Ankerbetrieb der Branche ein und fordern dieses Engagement auch vom Bund. Schließt mit Dyneon der einzige Produktionsstandort von Fluorpolymeren in Deutschland, geht nicht nur wichtiges Know-how in alltäglichen und lebenswichtigen Bereichen wie der Herstellung von Medikamenten oder Medizinprodukten verloren, sondern es entsteht auch europaweit ein klaffendes Loch in den Lieferketten unzähliger Unternehmen, die auf die Verarbeitung dieser kaum ersetzbaren Polymere angewiesen sind. Hier steht also neben dem Wirtschaftsstandort auch die Daseinsvorsorge der Menschen in unserem Land auf dem Spiel. Bei allem Verständnis für die Regulierung von PFAS appellieren wir an die Berliner Ampel, von ihrem Vorschlag des Pauschalverbots dieser Stoffe abzurücken und sich auf EU-Ebene für eine risikobasierte Regulierung einzusetzen. Es kann kein nationales Interesse sein, dass moderne Anlagen hierzulande schließen und man sich in wirtschaftliche Abhängigkeit von Herstellern in Staaten begibt, die häufig unter größeren Umweltbelastungen produzieren und aus geopolitischer Sicht höchst problematisch sind."

Update vom 3. August 2023: Das Stiftungskonzept (siehe Originalmeldung unten) hätte die Fortführung der Fluorpolymer-Produktion mit ca. 700 Arbeitsplätzen sowie die Lösung der PFAS-Altlastenproblematik ermöglichen sollen. Wie das Landratsamt Altötting mitteilte, hat die Geschäftsleitung von 3M Deutschland diese Lösung nun abgelehnt. Eine Fortführung des Betriebs in Gendorf „durch 3M oder einen Dritten“ stimme „nicht mit unserem geplanten Ausstieg aus der PFAS-Produktion übereinstimmt“, erklärte 3M gegenüber dem Bayerischen Rundfunk.

Landrat Erwin Schneider, der die Idee zusammen mit dem Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer im April bei 3M vorgestellt hatte, zeigt sich enttäuscht: „Dass 3M diese Win-Win-Situation für alle Beteiligten ausschlägt und damit die Abwicklung der Fa. Dyneon endgültig besiegelt, ist für mich unverständlich“. Der Landkreis hat nach der Absage durch 3M zwischenzeitlich „eine renommierte Anwaltskanzlei“ mit der Prüfung und Geltendmachung von Ansprüchen aus Verursacherhaftung für die jahrzehntelange, großflächige und tiefgründige PFAS-Verunreinigung in Boden und Grundwasser beauftragt.

Originalmeldung vom 6. Juli 2023:

Für das Bayerische Chemiedreieck war es alles andere als ein Geschenk: Kurz vor Weihnachten 2022 hatte der US-amerikanische 3M-Konzern angekündigt, bis 2025 komplett aus der Produktion von per- und polyfluorierten Alkylverbindungen, sogenannten PFAS, aussteigen zu wollen. Dies bedeutete auch das drohende Aus für die Tochtergesellschaft Dyneon, die im Chemiepark Gendorf Fluorpolymere produziert, die zur PFAS-Gruppe gehören. Denn der Mutterkonzern entschied sich statt für einen Verkauf für eine komplette Schließung des Werkes mit seinen knapp 700 Mitarbeitern.

Hintergrund der Entscheidung war unter anderem das drohende Verbot von PFAS durch die EU-Kommission. Auch in den USA sind die Chemikalien zunehmend unter Beobachtung durch die Behörden. Erst im Juni hat 3M zugestimmt, zur Beilegung verschiedener Rechtsstreits bezüglich möglicher PFAS-Verunreinigungen mehr als 10 Mrd. US-Dollar an Wasserversorger in den Vereinigten Staaten zu bezahlen.

Was ist das mögliche Problem mit PFAS?

PFAS-Polymere haben wegen ihrer Beständigkeit unter extremen Bedingungen und ihrem besonderen Eigenschaftsportfolio in vielen Anwendungen und industriellen Produkten, Maschinen und Anlagen Einzug gehalten und sind heute nahezu allgegenwärtig. Im Kontext mit Kunststoff-, Elastomer- und Gummi-Anwendungen werden PFAS-Polymere beispielsweise in Dichtungen, Kabeln und Beschichtungen eingesetzt. Aufgrund ihrer hohen Beständigkeit sind PFAS jedoch bioakkumulativ und können für die Umwelt eine Gefahr darstellen. Außerdem stehen manche Substanzen im Verdacht verantwortlich für Gesundheitsschäden zu sein.

Stiftung soll Dyneon-Produktion übernehmen

Es verwundert also kaum, dass sich der Konzern aus der PFAS-Produktion zurückziehen will. Doch die Schließung des Standortes in Burgkirchen hätte nicht nur Auswirkungen auf Dyneon selbst. Im Verbund des Bayerischen Chemiedreiecks sind viele weitere Produktionen von den Dyneon-Vorprodukten abhängig. „Eine moderne Industriegesellschaft ist ohne Fluorpolymere heute nicht möglich – vielleicht in 50 Jahren, aber nicht aktuell“, erklärte Dr. Bernhard Langhammer, Sprecher der Initiative Chemdelta Bavaria gegenüber dem BR.

Im Chemiedreieck regt sich daher Widerstand gegen die Dyneon-Schließung – und dieser erhält Unterstützung der Lokalpolitik. So hat der örtliche Landkreis Altötting vorgeschlagen, eine eigene Stiftung zu gründen. Diese könnte die Dyneon-Produktion weiterführen und somit die Arbeitsplätze sowie den Chemieverbund sichern. Nach dem Vorbild der Ruhrkohle (RAG-Stiftung) in Nordrhein-Westfalen könnte die Stiftung darüber hinaus – nach einer Entschädigungszahlung durch 3M/Dyneon sowie weiterer früherer PFAS-Produzenten  – auch für die Aufarbeitung der Umweltschäden verantwortlich zeichnen. „Die Stiftung trägt dann die Ewigkeitskosten“, erklärte Landrat Erwin Schneider.

Politik sieht positive Zeichen für Weiterproduktion

Dies könnte, so die Hoffnung der Initiatoren, auch für 3M eine attraktive Lösung darstellen und den Konzern davon überzeugen, die Produktion doch in andere Hände zu geben und nicht zu schließen. Nach eigener Auskunft hat Landrat Schneider zusammen mit Stephan Mayer, Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis, die Idee bereits im April bei 3M in Washington präsentiert – eine Antwort steht bislang noch aus. Schneider gibt sich aber positiv: „Ich kann mir momentan nicht vorstellen, warum man das nicht machen sollte“, sagte er der Passauer Neuen Presse.

Voraussetzung für die Weiterführung der Dyneon-Produktion ist freilich außerdem, dass das PFAS-Verbot nicht in der geplanten Form zustande kommt. Hier laufen derzeit Konsultationen der EU-Chemikalienbehörde ECHA. Dr. Robert Müller, der sich beim Landratsamt um die juristische Ausgestaltung der Stiftungsidee kümmert, sieht hier positive Zeichen. Gegenüber der Passauer Neuen Presse zeigte sich der Jurist überzeugt, das Verbot „nicht so stehen bleiben“ werde, wie ursprünglich geplant.

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