Schiff in Seenot

Ein Konflikt zwischen China und Taiwan könnte die internationalen Handelsströme noch einmal stark durcheinander wirbeln. (Bild: Sven Bachstroem – stock.adobe.com)

Zwischen Taiwan und China herrscht seit dem Ende des chinesischen Bürgerkrieges eine andauernde Auseinandersetzung: China betrachtet die benachbarte Insel Taiwan als Teil des eigenen Territoriums. In den letzten Wochen ist die Sorge um eine Eskalation des Konfliktes gewachsen. Zuletzt startete China Militärübungen vor Taiwan und wollte dies als „Warnung an die USA und Taiwan“ verstanden wissen.

Sollte es zu Kampfhandlungen oder sogar einer Invasion Chinas auf Taiwan kommen, wären – wie im Ukraine-Krieg – wirtschaftliche Sanktionen des Westens eine wahrscheinliche Folge. Eine neue Ifo-Studie hat nun im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft die Auswirkungen verschiedener Szenarien auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland sowie die Wertschöpfung einzelner Sektoren untersucht.

Das Ergebnis: Eine Abkopplung der EU und Deutschland von China, die enstprechende Vergeltungsmaßnahmen von der chinesischen Seite nach sich zöge, käme Deutschland langfristig knapp sechsmal so teuer zu stehen wie der Brexit. Auch der Maschinenbau sowie die chemisch-pharmazeutische Industrie wären stark betroffen.

Automobil- und Maschinenbau am stärksten betroffen

Mit Blick auf die einzelnen Sektoren untersuchte die Studie, welche Sektoren durch die Veränderung der Lieferkette negativ beeinflusst wären, aber auch welche etwa durch stärkeren Absatz auf anderen Märkten langfristig profitieren könnten.

Von einem Handelskrieg am stärksten negativ betroffen wäre der Studie zufolge die Automobilindustrie mit einem Minus von über 8 Mrd. US-Dollar, was knapp 8,5 % der Wertschöpfung entspricht. Auch die Hersteller von Transportausrüstung (-5,14 %) und der Maschinenbau (-4,34 %) wären demnach stark beeinträchtigt.

Chemie und Pharma mit doppeltem Problem

Für die Chemieindustrie rechnet Ifo mit einem Minus von 0,53 %, bei Pharma mit 0,54 %. Für diese beiden und andere Branchen entstünde durch einen Handelskrieg mit China gleich ein doppeltes Problem: Zum einen würde mit China ein sehr großer Absatzmärkte für deutsche Exporte wegbrechen. Zum anderen würden auch Vorleistungsgüter und Rohstoffe aus diesen Ländern für die eigene Produktion nicht mehr wegbrechen, die dann – falls überhaupt verfügbar – zu höheren Preisen aus anderen

Quellen bezogen werden müssten. Dies hätte zur Folge, dass sich die eigenen Produkte auch für mögliche andere Märkte verteuern würden und damit an Attraktivität verlieren würden.

Die europäische Chemie- und Pharmaindustrie ist wie auch der Maschinen- oder Automobilbau einem starken ausländischen Wettbewerb ausgesetzt. Das bedeutet, dass höhere Handelskosten beispielsweise nicht einfach durch einen Anstieg der Nachfrage auf dem heimischen oder anderen Märkten kompensiert werden könnten.

Zu den wenigen Branchen, die von einer Abkoppelung von China profitieren würden, wären die Textil- und Kleidungsindustrien. Hier würde der zu erwartende Anstieg des Verkaufs im heimischen Markt den Rückgang der ohnehin sehr überschaubaren Exporte nach China der Studie zufolge mehr als ausgleichen.

Einseitige Abhängigkeiten verringern

„De-Globalisierung macht uns ärmer“, erklärte Lisandra Flach, Mitautorin der Studie, mit Blick auf problematische Liefer- und Absatzländer wie China. „Unternehmen sollten sich nicht ohne Not von wichtigen Handelspartnern abwenden, sondern parallel auf Vorleistungen aus anderen Ländern setzen, um einseitige und kritische Abhängigkeiten von bestimmten Märkten und autoritären Regimes zu verringern.“

Eine Nationalisierung von Lieferketten sei dabei keine Lösung, glaubt Florian Dorn, ein weiterer Mitautor der Studie. „Vielversprechender ist es, strategische Partnerschaften und Freihandelsabkommen mit gleichgesinnten Nationen, wie den USA zu schließen. Das sollte das Ziel der deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik sein“, so Dorn. Ein Handelsabkommen zwischen der EU und den USA könnte die negativen Auswirkungen der Entkopplung des Westens von China auf die deutsche und US-Wirtschaft demnach abfedern, sie aber nicht vollständig ausgleichen. Durch die erwarteten Gewinne in der Handelsbeziehung mit den USA würden die Kosten netto auf einem ähnlichen Niveau liegen wie die erwarteten Kosten des Brexit, rechnet das Ifo-Institut.

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