Levaco hat seinen Produktionsstandort im Chempark Leverkusen.

Levaco hat seinen Produktionsstandort im Chempark Leverkusen. (Bild: uslatar - AdobeStock)

Jens Becker, CFO bei Levaco
"Der Mittelstand ist sehr stolz, am technologisch sehr hochwertigen Standort Deutschland zu sein und hier seine Wertschöpfung
zu erzielen." Jens Becker, CFO bei Levaco (Bild: Levaco)

CHEMIE TECHNIK: Worin sehen Sie den Hauptgrund, dass Unternehmen aus Deutschland abwandern?
Jens Becker: Es gibt für uns nicht den Hauptgrund. Es gibt eine Vielzahl von Wettbewerbsnachteilen, aber einige, die besonders drücken. Dazu gehören die hohen Energiekosten, von denen gerade die chemische Industrie betroffen ist. In Deutschland kommt der Faktor zwei bis drei bei den Energiekosten dazu, verglichen mit Unternehmen, die ihren Standort anderswo haben. Ein weiterer Grund, der Deutschland als Industriestandort weniger attraktiv macht, sind die hohen Subventionen in anderen Ländern – gerade die USA sind da an vorderster Front. Diese Subventionen führen dazu, dass Industrien abwandern, die hier vielleicht wettbewerbsfähig wären. Was wir auch merken, sind die langen Entscheidungswege bei Behörden. Es muss alles seine Richtigkeit haben und vieles muss geprüft werden, aber das dauert in Deutschland unverhältnismäßig lang verglichen mit anderen Ländern. Der Kern der Sache ist, dass wir einen fairen Wettbewerb und die entsprechenden Rahmenbedingungen hierzulande dafür brauchen.

CT: Unterscheiden sich diese Umstände für Großkonzerne und mittelständische Unternehmen?
Becker: Großkonzerne haben ganz andere Ressourcen, um diese Themen aufzubereiten und die Politik entsprechend zu beraten. Außerdem agieren diese Konzerne weltweit und können demnach auch ihre Ressourcen weltweit verteilen: Bei dem einen Thema investieren sie mehr in den USA, bei einem zweiten in Asien und beim dritten in Deutschland, wodurch sie ihren Gewinn maximieren können. Außerdem ist es leichter, eine Produktion ins Ausland zu verlagern, wenn dort bereits ein Unternehmensstandort ist. Wir als mittelständisches Unternehmen sind dafür agiler und flexibler. Wenn wir uns entschließen, ein Projekt anzugehen, sind wir in der Umsetzung in der Regel viel schneller als ein Großkonzern. Aber ein Großteil des Mittelstandes – gerade kleine Unternehmen – sind sehr an Deutschland gebunden. Es gibt zwar Mittelständler, die viel Geld haben, aber ein Projekt auf der grünen Wiese zu realisieren, gehört jedoch oftmals nicht zum Tagesgeschäft und ist entsprechend schwierig umsetzbar. Wir haben beispielsweise in Leverkusen unseren Produktionsstandort und können diesen nicht auf die Schnelle ins Ausland verlagern. Erstens entspricht das nicht unserer Strategie und zweitens wäre das aus finanzieller Sicht eine große Herausforderung. Ich glaube zudem, der Mittelstand ist sehr stolz, am technologisch sehr hochwertigen Standort Deutschland zu sein und hier seine Wertschöpfung zu erzielen.

CT: In welchen Bereichen will Levaco in den nächsten Jahren in Deutschland investieren?
Becker: Wir bauen unser Headquarter in Leverkusen gerade neu und ziehen bald dorthin um. Wir bleiben in Leverkusen in der Nähe vom Betrieb und ziehen dort mit der Verwaltung und dem Labor ein. Das ist eine große Investition, die auch unser Bekenntnis zum Standort Deutschland zeigt. Gerade im Betrieb lohnt es sich, aufgrund der hohen Energiekosten in Energieeffizienz zu investieren. Wir haben uns an unserem Produktionsstandort in Leverkusen alles angeschaut, was mit Energieeinsparung durch Isolierung zu tun hat und überlegt, wie wir Wärmebrücken dort vermeiden können. Alte Wärmekammern, die wir zum Aufschmelzen von Stoffen benötigen, haben wir durch neue ersetzt. Mit den verschiedenen Maßnahmen sparen wir über 20 % Energie ein, wodurch weniger Erdgas benötigt und weniger CO2 ausgestoßen wird. Außerdem planen wir, unseren Betrieb zu erweitern, um so durch erhöhte Produktionsmengen effizienter zu werden und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

Headquarter Levaco
Das Unternehmen hat in ein neues Headquarter mit Verwaltung und Laboren investiert. (Bild: Levaco)

CT: Unterscheidet sich die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zwischen den verschiedenen Produkten, die Levaco herstellt?
Becker: Um langfristig wettbewerbsfähig zu sein, zielt unsere Strategie auf die Innovationsführerschaft in unseren Fokusmärkten ab. Wir können feststellen, dass wir besonders mit spezialisierten und innovativen Produkten, die sehr nah an den Problemstellungen der Kunden und Märkte entwickelt werden, erfolgreich sind. Diese Produkte zeichnen sich oft dadurch aus, einen hohen Mehrwehrt für die Anwendung zu haben – jedoch gleichzeitig auch erklärungsbedürftig zu sein. Im sogenannten Commodity-Bereich, wo es viele Lieferanten gibt, merken wir wiederum zunehmend Preisdruck. Wir setzen daher ganz klar auf das Alleinstellungsmerkmal der Spezialisierung, um sowohl in Deutschland als auch in anderen Regionen erfolgreich zu sein. Ein klarer Standortvorteil sind dabei unsere sehr gut qualifizierten Mitarbeitenden.

CT: Sind die gestiegenen Umweltstandards in Europa eine Chance oder ein Wettbewerbsnachteil gegenüber China oder den USA?
Becker: Zum einen ist die Frage, inwiefern die Kunden die Standards einfordern und dafür bereit sind, unter Umständen entsprechend höhere Preise zu zahlen – das ist nicht in allen Märkten so. Wenn es nur um den Preis geht und es keine klaren Standards gibt, führt das zu dem unfairen Wettbewerb, den ich eingangs erwähnt habe. Wir sehen, dass wir wahrscheinlich mit nachhaltigeren Produkten in Zukunft unser Geld verdienen können. Zum anderen ist es jedoch wichtig, dass die Rahmenbedingungen von der Politik angepasst und Anforderungen gestellt werden, die einen fairen Wettbewerb begünstigen. Wir sind insbesondere B2B unterwegs und stellen gerade bei Kunden, die mit der Lebensmittelbranche in Kontakt sind, eine wachsende Nachfrage nach Nachhaltigkeit fest – weil es dort mittlerweile von den Endverbrauchern eingefordert wird. Das ist noch nicht in allen Branchen so. Das ist ein Prozess, der dauert, den aber die Politik durch sinnvolle Unterstützung beschleunigen kann. Müssten beispielsweise aus den USA nach Deutschland eingeführte Produkte dieselben Standards erfüllen wie in Deutschland hergestellte Produkte, wäre das ein fairer Wettbewerb – und diesem stellen wir uns gerne.

Levaco Neubau
Beim Neubau hat das Unternehmen darauf geachtet, das Gebäude möglichst nachhaltig zu bauen. (Bild: Levaco)

CT: Wie meistert Levaco die Herausforderungen, die Deutschland als Standort mit sich bringt?
Becker: Wir arbeiten sehr eng mit allen Stakeholdern zusammen. Wir bauen den weltweiten Vertrieb aus, um die Probleme der Kunden noch besser zu lösen und ihren Bedarf an Spezialitäten zu decken. Wie früher schon erwähnt, wollen wir außerdem nicht Preisführer, sondern Innovationsführer sein, darum stärken wir Forschung, Entwicklung und Anwendungstechnik, um konstant innovative Produkte zu entwickeln. Zudem schauen wir uns unsere Produktion an, versuchen diese besser auszulasten und effizienter zu machen. Weiterhin sind uns zeitgemäße Strukturen wichtig: Wie können uns beispielsweise Digitalisierung und Automatisierung unterstützen? Für uns ist Nachhaltigkeit die Zukunft, darum investieren wir, um den Kunden nachhaltige Produkte anzubieten. Und zu guter Letzt legen wir Wert auf die Unternehmenskultur. Wir haben den demografischen Wandel und machen uns Gedanken, wie wir unsere Mitarbeitenden motivieren können, an dem Ziel Nachhaltigkeit mitzuarbeiten, um gemeinsam erfolgreich zu sein. Heutzutage ist die Frage, wofür man den ganzen Tag arbeitet, viel wichtiger als früher. Arbeite ich „nur“, um Geld zu verdienen oder mache ich die Welt damit etwas besser? Gerade bei diesem Aspekt merken wir, dass wir punkten können. Wir haben verglichen mit anderen Unternehmen weniger Probleme, Vakanzen zu füllen, da unsere Angestellten in ihrem Bekanntenkreis positiv über Levaco berichten und wir auch auf diese Weise neue Mitarbeitende gewinnen.

CT: Wo wünschen Sie sich mehr Unterstützung der Politik?
Becker: Ich wünsche mir einen Rahmen für fairen Wettbewerb, denn mit unseren guten Produkten und tollen Mitarbeitenden, die die Kunden beraten, können wir erfolgreich sein. In Bezug auf die Energiekosten besteht die Diskussion um den Industriestrompreis, diesen halte ich für sinnvoll, um die Industrie temporär zu entlasten. Letztendlich müssen wir uns transformieren, aber das muss weltweit passieren. Ferner wünsche ich mir Zuverlässigkeit und Beständigkeit bei Förderprogrammen, denn es passiert, dass diese plötzlich abgesagt werden. Man plant demnach mit einem Förderprogramm, das dann auf einmal nicht mehr existiert. Ich bin überzeugt davon, dass freier Welthandel Wohlstand für alle bedeutet. Wir sollten gegen Protektionismus kämpfen und für einen fairen Wettbewerb, indem wir enger zusammenarbeiten.

CT-Fokusthema Wasserstoff

(Bild: Corona Borealis – stock.adobe.com)

In unserem Fokusthema informieren wir Sie zu allen Aspekten rund um das Trendthema Wasserstoff.

 

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