Auseinandersetzung um den Chemietarif

Tarifverhandlungen 2022: Das fordert die Chemiegewerkschaft

Im März starten die Tarifverhandlungen für die deutsche Chemieindustrie. Bekommen Beschäftigte bald mehr Gehalt? Unsere Bildergalerie zeigt die aktuellen Forderungen der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) – und die Reaktion der Arbeitgeber.

Streik
Die Chemie-Tarifverhandlungen betreffen deutschlandweit rund 580.000 Beschäftigte in der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Die Gespräche zwischen der Gewerkschaft und den Arbeitgebern sind am 2. März zunächst auf regionaler Ebene gestartet, am 21. März wird in Hannover erstmals auf Bundesebene verhandelt.
Gehalt
Ins Zentrum ihrer Forderungen hat die Chemiegewerkschaft die Erhöhung der Löhne und Gehälter sowie der Ausbildungsvergütungen gestellt. Angesichts des Fachkräftemangels seien Investitionen ins Personal im ureigenen Interesse der Chemiebetriebe. "Sie brauchen dringend eine Investitionsoffensive – mit Blick auf ihre Attraktivität als Arbeitgeber, die Wertschätzung ihrer Beschäftigten, die Nachwuchsarbeit“, sagte der stellvertretende IGBCE-Vorsitzende Ralf Sikorski.
Inflation
Eine genaue Zahl, um wieviel die Entgelte steigen sollen, nennt die Gewerkschaft nicht. Da die Beschäftigten wie der Rest der Bevölkerung derzeit von der hohen Inflation betroffen ist, müsse aber am Ende "ein Plus oberhalb der Teuerungsrate" stehen. Die Inflationsrate in Deutschland lag im Januar 2022 bei 4,9 % (im Vergleich zum Vorjahr).
Nachtbetrieb
Gefordert wird außerdem eine Erhöhung der Schichtzuschläge für die Beschäftigten in Nachtschichten auf einheitlich 25 %. „Es waren die Schichtarbeiter, die in der Pandemie 24/7 den Laden am Laufen gehalten haben, während ihre Vorstände im Homeoffice arbeiten konnten“, so Gewerkschaftsfunktionär Sikorski. Heute sei Schichtarbeit für junge Menschen unattraktiver denn je. „Wir müssen und werden das ändern.“
Homeoffice
Die Attraktivität des Arbeitsplatzes steht auch beim Thema "mobile Arbeit" und Homeoffice im Vordergrund. Die Arbeitswelt werde sich in den nächsten Jahren "massiv verändern", glaubt die Chemiegewerkschaft. Daher bedürfe es klarer tariflicher Leitplanken für betriebliche Vereinbarungen, "damit wir für die gesamte Branche zu einheitlichen Qualitätsanforderungen an gute mobile Arbeit kommen".
Ausbildung
Eine weitere wichtige Forderung betrifft die Ausbildung. In der Corona-Krise hatten zudem viele Chemieunternehmen ihre Ausbildungsanstrengungen zurückgefahren, so die Gewerkschaft. Das sei "ein falsches Signal an die junge Generation". Die IGBCE will deshalb neue Fördermöglichkeiten zur Ausbildung Jugendlicher schaffen.
Umfrage
Ihre Forderungen stützt die Gewerkschaft auf die Beobachtung, dass die wirtschaftliche Situation der Chemie- und Pharmabranche positiv sei. In einer Umfrage gaben 78 % der befragten Beschäftigten an, ihrem Arbeitgeber gehe es gut bis glänzend.
Stop
Die Arbeitgeber sehen dies naturgemäß anders. Trotz der deutlichen Erholung der letzten Monate liege die Produktion der chemisch-pharmazeutischen Industrie nach Rezessionsverlusten und Corona-Krise noch nicht wieder auf Wachstumskurs, erklärte etwa der Hauptgeschäftsführer der Chemie-Arbeitgeber Westfalen Dirk W. Erlhöfer. Außerdem seien die Betriebe „flächendeckend durch massiv gestiegene Energie- und Rohstoffkosten sowie Logistikprobleme belastet“. Die Arbeitgeberverbände weisen die Forderungen der IG BCE daher als „teures Überraschungspaket“ weitgehend zurück.
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Am 21. März starten die Tarifverhandlungen in der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Im Februar hatte die Tarifkommission der Chemiegewerkschaft IG BCE ihre Forderungen beschlossen, mit denen sie nun ins Rennen geht. Verbesserungen in vier zentralen Bereichen sollen die Attraktivität der Arbeitsplätze in der Branche erhöhen: In den Mittelpunkt der Verhandlungen für die deutschlandweit 580.000 Beschäftigten stellt die Gewerkschaft eine nachhaltige Steigerung der Kaufkraft, mehr Wertschätzung für Schichtarbeit, Investitionen in den Fachkräftenachwuchs und ein ausbalanciertes Konzept für gute mobile Arbeit.

Forderung 1: Höhere Löhne und Gehälter

„Die Branche ist nicht nur bestens ausgelastet und verdient glänzend, sie hat meist auch die aktuellen Preissteigerungen problemlos an ihre Kunden weiterreichen können“, berichtet der stellvertretende IGBCE-Vorsitzende Ralf Sikorski. Ihre Beschäftigten dagegen hätten diese Option nicht, sie seien der aktuellen Teuerungswelle ungeschützt ausgeliefert. „Wir wollen für unsere Mitglieder ein Bollwerk gegen die Inflation errichten“, so der IGBCE-Verhandlungsführer. „Deshalb steht außer Frage, dass am Ende dieser Tarifrunde bei Entgelten und Ausbildungsvergütungen ein Plus oberhalb der Teuerungsrate stehen muss.“ Die Inflationsrate lag laut dem Statistischen Bundesamt zuletzt im Februar bei 5,1 % im Vergleich zum Vorjahr.

Sikorski machte deutlich, dass zusätzliche Investitionen ins Personal im ureigenen Interesse der Branche seien. In einer aktuellen Umfrage berichten zwei von drei IGBCE-Betriebsräten, dass für ihre Unternehmen der Fachkräftemangel bereits zu den drängendsten Problemen zähle. „Das sollte den Betrieben ein Weckruf sein“, sagte der stellvertretende IGBCE-Vorsitzende. „Sie brauchen dringend eine Investitionsoffensive – mit Blick auf ihre Attraktivität als Arbeitgeber, die Wertschätzung ihrer Beschäftigten, die Nachwuchsarbeit.“

Forderung 2: Höhere Nachtzuschläge

Auch deshalb sieht der Forderungsbeschluss eine Erhöhung der Schichtzuschläge für die Beschäftigten in Nachtschichten auf einheitlich 25 % vor. „Es waren die Schichtarbeiter, die in der Pandemie 24/7 den Laden am Laufen gehalten haben, während ihre Vorstände im Homeoffice arbeiten konnten“, so Sikorski. Heute sei Schichtarbeit für junge Menschen unattraktiver denn je. „Wir müssen und werden das ändern.“

Forderung 3: Wieder mehr Ausbildung

In der Corona-Krise hatten zudem viele Unternehmen ihre Ausbildungsanstrengungen zurückgefahren. Das sei nicht nur ein falsches Signal an die junge Generation, sondern auch betriebswirtschaftlicher Unsinn, machte Sikorski deutlich. Die IGBCE will deshalb den Tarifvertrag "Zukunft durch Ausbildung und Berufseinstieg" weiterentwickeln und im Rahmen des Unterstützungsvereins der chemischen Industrie (UCI) neue Fördermöglichkeiten zur Ausbildung Jugendlicher schaffen.

Forderung 4: Mobile Arbeit

Zudem will die IGBCE in der industriellen Transformation Sicherheit und Schutz für ihre Mitglieder gewährleisten und gute mobile Arbeit für die Zukunft gestalten. „Die Transformation wird in den kommenden Jahren die Arbeitswelt massiv verändern“, so Sikorski. Das Thema mobile Arbeit sei ein erster sichtbarer Beleg dafür. „Wer die Menschen im Veränderungsprozess mitnehmen will, muss soziale Sicherheit und gute Arbeit verbindlich mitdenken.“ So bedürfe es klarer tariflicher Leitplanken für betriebliche Vereinbarungen, „damit wir für die gesamte Branche zu einheitlichen Qualitätsanforderungen an gute mobile Arbeit kommen“.

Der Forderungsbeschluss, der eine Laufzeit des Tarifvertrags von 12 Monaten vorsieht, bildet die Grundlage für die Tarifverhandlungen, die am 21. März in Hannover erstmals auf Bundesebene stattfinden. Zuvor waren bereits mehrere regionale Runden ergebnislos verlaufen. Den aktuellen Stand zu Verhandlungsbeginn sowie die Positionen der Arbeitgeber finden Sie hier: