Rauchwolke über der Sondermüll-Verbrennungsanlage Leverkusen-Bürrig nach der Explosion am 27. Juli 2021.

Bei den Löscharbeiten nach der Explosion in der Sondermüll-Verbrennungsanlage Leverkusen-Bürrig am 27. Juli 2021 leitete Betreiber Currenta kontrolliert einen Teil des belasteten Löschwassers über die Kläranlage in den Rhein. (Bild: BUND)

Nach der Katastrophe in der Sondermüllverbrennungsanlage Bürrig am 27. Juli 2021 hatte sich ein Gemisch aus Löschwasser, Abwasser und ausgelaufenem Inhalt der explodierten und beschädigten Tanks gebildet. Dieses Wasser war mit organischen Fluorverbindungen sowie Pestiziden belastet, insbesondere dem in Deutschland verbotenen Insektengift Clothianidin. Dieses belastete Wasser wurde während der Löscharbeiten aufgefangen und zunächst zwischengelagert, allerdings waren die vorhandenen Lagerkapazitäten bei einem Einsatz von rund 35.000 l Löschwasser pro Minute schnell ausgereizt. Insgesamt fielen über die Einsatzdauer von zweieinhalb Stunden geschätzte 5,25 Mio. l Wasser an.

Auf Anfragen und Nachforschungen des WDR bestätigte Currenta, dass ein Teil des Wassers in die örtliche Kläranlage geleitet wurde. „Diese ist jedoch nicht in der Lage, solche Problemstoffe abzubauen“, erklärt Paul Kröfges, Gewässerschutzexperte im Landesverband Nordrhein-Westfalen des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Wir müssen davon ausgehen, dass neben anderen Giftstoffen insgesamt etwa 60 bis 70 Kilogramm des Insektengiftes Clothianidin in den Rhein gelangt sind.“ Dies sei über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen geschehen. Das Insektengift sei rheinabwärts bis in die Niederlande nachweisbar gewesen, wo es für Unmut bei den Wasserwerken sorgte.

Hier stieß insbesondere ein weiterer Kritikpunkt auf, den auch BUND und WDR anmahnten: Currenta habe weder die Öffentlichkeit noch die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) über die Einleitung von Giftstoffen informiert. Bei rechtzeitiger Information hätten die Wasserversorger die Entnahme von potenziell belastetem Rheinwasser stoppen können.

"Kleineres, aber unumgängliches Übel"

Currenta bestätigt, dass beim Einleiten „auch Stoffe in die Kläranlage gelangten, die dort nicht vollständig abgebaut werden konnten.“ Der Chempark-Betreiber bezeichnet diesen Schritt als „das kleinere, in der damaligen Krisensituation aber unumgängliche Übel“. Die Einleitung sei angesichts der knappen Auffangkapazitäten notwendig gewesen, um die Lösch- und Rettungsarbeiten nicht zu unterbrechen. Andere Handlungswege hätten „mit höherer Wahrscheinlichkeit weitreichendere Umweltauswirkungen mit sich gebracht“, urteilt das Unternehmen in seiner Stellungnahme.

Des Weiteren bekräftigt der Betreiber, die zuständigen Behörden über die Entscheidungen sowie über die Belastung des Löschwassers und fehlenden Möglichkeiten der Kläranlage informiert zu haben. Außerdem hätten sowohl eigene als auch behördliche Messungen keine überhöhten Messwerte beim Einleiten des Klärwassers angezeigt. Daher sei auch kein Rheinalarm ausgelöst worden, mit dem in solchen Fällen über die IKSR die Rhein-Anlieger über Störfälle entlang des Flusses informiert werden.

"Unverantwortliche Verharmlosung"

Zusammenfassend kommt Currenta zu dem Schluss: „Es ist kein Wasser in den Rhein gelangt, das Überwachungswerte unserer Anlagen überschritten hat.“ Letzteres bezweifelt der BUND, Experte Kröfges nennt die Darstellung der Grenzwerte „eine unverantwortliche Verharmlosung“ und das Einleiten von Giftstoffen auf diese Weise sei „trotz Verdünnung im Rhein nicht akzeptabel“. Der BUND bemängelt auch die Verzögerungen durch die Behörden beim Bereitstellen der Messwerte und zugehöriger Informationen.

Weitere Details zum Umgang mit dem Löschwasser liefert Currenta auf dem eigens zur Information nach der Explosion in Bürrig eingerichteten Blog. Kritik und Forderungen des BUND-NRW finden Sie auf dessen Website.

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