2021 war für den Großanlagenbau ein Rekordjahr: Nach dem starken Rückgang im ersten Pandemiejahr 2020 ist der Auftragseingang zuletzt sprunghaft angestiegen: Die Mitgliedsunternehmen der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau im VDMA verzeichneten einen Zuwachs um 78 % auf 21,2 Mrd. Euro (2020: 11,9 Mrd. Euro). Vor allem Groß- und Megaaufträge aus Schwellenländern sorgten für eine große Kapazitätsauslastung. Der Auftragseingang aus dem Ausland hat sich verdoppelt und kletterte auf 18,0 Mrd. Euro. Und hier liegt das größte Risikopotenzial für die Branche: 6,3 Mrd. Euro davon entfielen auf den Einzelmarkt Russland. "Nach den gegenseitigen Wirtschaftssanktionen steht die Abwicklung dieser Projekte unter erheblichen Vorbehalten", sagte Jürgen Nowicki, Sprecher der AGAB und CEO von Linde Engineering: "Wichtig ist jetzt erst einmal, dass die Kriegsparteien an den Verhandlungstisch zurückkehren und den Konflikt beilegen." In unserem Ticker-Beitrag informieren wir Sie fortlaufend über die Konsequenzen des Russland-Konflikts für die Chemieindustrie und den Anlagenbau.
Nowicki berichtete im Rahmen der Pressekonferenz zur Lage der Branche darüber, dass der Großanlagenbau im Januar noch sehr optimistisch für 2022 war. "Durch den russischen Angriff auf die Ukraine stellt sich für viele Branchen jetzt die Frage, wie es weitergehen wird." In einer Umfrage unter den Mitgliedern berichteten 75 % der Mitgliedsunternehmen von Unterbrechungen und dem Ausfall von Lieferanten aus der Region. "Die Abwicklung von laufenden Projekten wird sich massiv verzögern", so Nowicki. Geteilte Meinung besteht zu den Auswirkungen: 53 % sagen, dass sich ihre Geschäftserwartungen auf den Auftragseingang verschlechtert haben. Vor allem steigende Energie- und Rohstoffpreise, aber auch höhere Logistikkosten und längere Lieferzeiten dominieren als Folgen des Krieges. In diesem Beitrag zeigen wir, wie abhängig Deutschland von russischem Gas bislang ist.
Vor diesem Hintergrund bewerten die Unternehmen des Anlagenbaus ihre Projektrisiken neu und wollen ihr Angebot für grüne Technologien ausweiten. Außerdem haben die Unternehmen vor, ihre regionale Lieferantenbasis stärker zu diversifizieren. Aktuell sei in vielen Projekten noch nicht klar, ob und inwiefern diese von den Sanktionen betroffen sind. Den Engineering-Unternehmen bleibt - wie anderen Wirtschaftsakteuren auch - 60 Tage, um ihr Russland-Geschäft herunterzufahren, sofern ihr Projekt von den Sanktionen betroffen ist. Auf der anderen Seite drohen Vertragsstrafen, falls Projekte gestoppt werden, die nicht von den Sanktionen betroffen sind.
Hoffnung macht den Anbietern verstärkte Anfragen für nachhaltige Technologien sowie für Projekte in die Energiesicherheit Europas. Das wird sich positiv auf unsere Branche auswirken", sagt Nowicki und rechnet auf Basis der aktuell hohen Auslastung der Branche damit, dass diese den Auftragsrückgang in Russland auffangen können wird. "Wir sind schlimmeres gewöhnt", so Nowicki.
Das sind die Zahlen zum Geschäft des Großanlagenbaus in 2021
Auftragseingang: 21,2 Mrd. Euro (+78 %)
Inlandsaufträge: 3,2 Mrd. Euro
Auslandsaufträge: 18,0 Mrd. Euro (+108 %)
Investitionszurückhaltung bei thermischen Kraftwerken aufgrund der Unsicherheiten bei Erdgas und dem Kohleausstieg.
125 Großprojekte im Gesamtwert von 13,7 Mrd. Euro (2020: 70 Großprojekte mit 5,5 Milliarden Euro).
VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau
Die VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau ist die Interessenvertretung und das wichtigste Netzwerk Großanlagen bauender Unternehmen in Europa. Sie repräsentiert einen jährlichen Auftragseingang von 16 Mrd. Euro und beschäftigt rund 48.000 Personen in Deutschland und Österreich. Mit einem Weltmarktanteil von etwa 15 % und 80 % Exportquote üben die Unternehmen eine erhebliche Lokomotivwirkung auf die inländische Zulieferindustrie aus.
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