Damit eine Arbeitskraft ihr Potenzial voll ausschöpfen kann, bedarf es individueller Anleitung und Förderung. Ein ambitioniertes Ziel, das bislang an den wirtschaftlichen Realitäten vieler Betriebe scheiterte. KI eröffnet hier nun neue Möglichkeiten.
Carsten Hunfeld, Director EMEA, AugmentirCarsten Hunfeld, Director EMEA,Augmentir
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(Bild: Augmentir)
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Connected-Worker-Systeme ermöglichen maßgeschneiderte Unterstützung für Operations, Qualitätsmanagement, Arbeitsschutz oder Wartung.
KI-Algorithmen erkennen, wer was braucht, und liefern jeder Arbeitskraft passgenaue Hilfe in Echtzeit.
Generative KI erstellt und optimiert Arbeitsanweisungen und Trainingsinhalte automatisch – bis hin zur Übersetzung.
Die chemische Industrie steht unter massivem wirtschaftlichem Druck. Viele Unternehmen suchen daher nach Wegen, ihre Produktivität zu steigern. Ganz oben auf der Agenda: Digitalisierung. Mit ihr verwandeln sich operative Abläufe immer mehr in ein minutiös aufeinander abgestimmtes Uhrwerk, gesteuert von Computern und KI. Aber trotz aller Automatisierungsbemühungen: Anlagen wollen gewartet, Produktionslinien umgerüstet und konfiguriert werden. Und diese Arbeiten verrichten Menschen. Dabei stehen sie unter gewaltigem Druck. Denn schon ein kleiner Fehler kann zu Ausschuss, Störungen oder gar längeren Produktionsausfällen führen.
Sackgasse Standardanweisungen
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Mittels digitaler Checklisten und Worker-Assistenz-Systemen versuchten die Betriebe bislang, diese Risiken in den Griff zu bekommen. Allerdings mit mäßigem Erfolg, weil standardisierte Anleitungen auf einem Tablet oder Smartphone den wenigsten Mitarbeitenden gerecht werden. Erfahrene Kräfte fühlen sich davon eher gegängelt. Die Apps zeigen ihnen nämlich zu viele Informationen, die sie eh im Kopf haben. Das bremst nur aus. Die Gefahr: Sie sperren sich gegen deren Einsatz.
Anderen aus dem Team fehlt es wiederum an Details. Gerade wer eine Aufgabe zum ersten Mal ausführt, ist mit der typischen Checkliste nicht für Sonderfälle gewappnet. Will er sich rückversichern oder hat Fragen, ist niemand in der Nähe, der weiterhilft.
Die Konsequenz: Nahezu alle Mitarbeitenden bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück. Damit aber jede Person ihr volles Potenzial ausschöpfen kann, benötigt sie Anleitungen, die zu ihren aktuellen Fähigkeiten und Aufgaben passen: am besten direkt am Arbeitsplatz und mit der Option, Unklarheiten situationsbezogen zu klären.
All dies ist kein Wunschdenken, sondern mittels moderner Connected-Worker-Lösungen Realität. Deren KI schneidet die Anleitungen auf jede einzelne Person zu, damit sie alle Schritte ausführen kann, so schnell und so gut es geht. Dadurch verbessert sich nicht nur die Qualität, sondern auch der Arbeitsschutz. Insgesamt laufen operative Prozesse deutlich rascher und runder. Weil jede erledigte Pflicht automatisch dokumentiert wird, tragen die Systeme außerdem zur lückenlosen Rückverfolgbarkeit und Compliance bei.
Zudem lässt sich die Belegschaft mit Connected-Worker-Apps gezielt aus- und weiterbilden. Auch das Onboarding verkürzt sich deutlich, weil tagelange, theoretische Schulungen überflüssig werden. Gleichzeitig kann das vielerorts übliche personalintensive Shadowing mit einer erfahrenen Kraft entfallen. Stattdessen bauen Neueinsteiger ihr Wissen und ihre Fertigkeiten bei einem Training-on-the-Job auf – im eigenen Lerntempo. Während sie die anstehende Aufgabe ausführen, leitet sie die App individuell an. Selbst weniger Geübte meistern damit Ausnahmefälle und Spezialaufträge. So erreicht beispielsweise eine Aushilfskraft beim Reinigen einer Destillationsanlage schnell hohe Eigenständigkeit – unter Einhaltung aller Auflagen des Arbeitsschutzes. Eine auf die Einzelperson abgestimmte Unterstützung fördert zudem die Selbstverantwortung und erhöht die Zufriedenheit im Team. Last but not least profitiert auch die Personalplanung, denn die vorhandene Mannschaft lässt sich deutlich flexibler einsetzen – sehr nützlich in Zeiten des Fachkräftemangels.
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Im AI Agent Studio von Augmentir lassen sich unterschiedliche KI-Agenten wählen – unter anderem auch Coaches, die dem Wissenstransfer im Unternehmen dienen.(Bild: Augmentir)
Schlüsselfaktor Skill Management
Der Katalysator für all dies ist ein ausgefeiltes Skill Management, das nicht nur Ausbildung, Schulungen, Permits to Work und Zertifizierungen berücksichtigt. Es muss auch die konkrete praktische Erfahrung des Einzelnen und den Faktor Zeit mit einbeziehen. Ein Beispiel: Kommt ein Mitarbeiter, der für das Ansetzen gefährlicher Reaktionen verantwortlich ist, nach drei Wochen Urlaub zurück an den Arbeitsplatz, erhält er zunächst wieder etwas detailliertere, visualisierte Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Zur Erinnerung enthalten sie zusätzliche Warnhinweise zu explosionsgefährdeten Stoffen.
So wird sichergestellt, dass er keine kritischen Zwischenschritte übersieht und alle Sicherheitsprüfungen erledigt. Ist er einige Tage später erneut sattelfest, schraubt das System die Hinweise zurück auf das Wesentliche, damit er möglichst effizient arbeiten kann. Wie detailliert die Anweisungen für wen wann sein müssen und was genau an Hilfestellung gegeben wird, steuert ein selbstlernender Algorithmus.
KI-basierte Assistenzsysteme reagieren auch direkt auf die jeweilige Situation. Kommt es während der Schicht etwa zu einer Störung an einer Produktionslinie, justiert ein integrierter KI-Agent die Arbeitsanweisungen für den zuständigen Operator sofort nach. Sie berücksichtigen dann die aktuelle Störung, Anlagenkonfiguration und seine Qualifikation. So kann das Problem sicher und effizient behoben werden, ohne lange Abstimmungen. Gelingt dies nicht, hilft der KI-Agent erneut weiter, indem er über das integrierte Computerized-Maintenance-Management-System (CMMS) den entsprechenden Arbeitsauftrag für einen Fachtechniker auslöst.
Das Connected-Worker-System passt sich zudem situativ an das Verhalten der Nutzer an. Springt jemand beim Umrüsten einer Abfüllanlage zwischen Schritt 2 und 3 mehrfach hin und her, ist dies ein Indiz für eine Unklarheit. Die App bietet dem Mitarbeitenden daraufhin zusätzliche Unterstützung in Form eines Kurz-Videos an.
Anleitungen automatisch erstellen
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Ob Anweisungen oder Schulung, Gefahrenhinweis oder Checkliste: Dies alles benötigt jede Menge digitalisierte Inhalte. Generative KI (GenAI) eröffnet hier zahlreiche Möglichkeiten. So lässt sich etwa das Erstellen von Standard Operating Procedures (SOP) automatisieren. Nur ein Beispiel: Ein sehr erfahrener Wartungstechniker filmt sich bei einem Außeneinsatz selbst über eine Helmkamera. Nebenbei erzählt er, was er tut.
Allein aus dieser Aufnahme kann KI verschiedenste Inhalte erzeugen: von der Checkliste über Schemagrafiken und Foto-Guides bis hin zu Microtrainings mit Lernkontrolle. Auch Benutzerhandbücher, Anlagendokumentationen oder SOP in Papierform bilden hervorragendes Ausgangsmaterial, um digitalisierte Schritt-für-Schritt-Anleitungen zu erstellen – sei es zum Konfigurieren eines Mischers, Reinigen der Filtrationsanlage oder für die Qualitätskontrolle. Sobald die Inhalte von einer Fachkraft validiert sind, stehen sie standort- und länderübergreifend zur Verfügung. Denn die KI übernimmt sogar das Übersetzen.
Aus vorhandenen Grafiken und Dokumenten erstellen KI-Assistenten automatisch Tests zur Lernkontrolle.(Bild: Augmentir)
KI-Agenten für die Analyse
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Damit nicht genug, tragen Automatisierungen außerdem zur kontinuierlichen Verbesserung bei. Dazu bieten Connected-Worker-Systeme umfassende Analysen von Key-Performance-Indicators (KPI) für Produktion, Wartung oder Qualitätskontrolle. Zudem liefern sie Vorschläge, welche Prozesse das höchste Verbesserungspotenzial bieten. Aber auch die Effektivität der bereitgestellten Inhalte wird untersucht. Denn: Springen mehrere Mitarbeitende an der gleichen Stelle hin und her, ist dies ein Signal, dass der Inhalt verbesserungswürdig ist. Im gesamten Bereich der Datenanalyse und Auswertung übernehmen zunehmend KI-Agenten eine zentrale Rolle. Sie überwachen die KPI aktiv und weisen selbständig auf größere Abweichungen oder untypische Ausreißer hin. Mit jedem Feedback – etwa durch den Betriebsleiter – lernen sie dazu und passen ihr Verhalten an.
Wenn Technik nicht mehr weiterhilft
Trotz all der Möglichkeiten zur Automatisierung: Manche Fragen sind so komplex oder speziell, dass auch ein GenAI-Assistent nicht helfen kann. In solchen Fällen muss es weiterhin die Chance geben, einen Experten um Rat zu bitten. Connected-Worker-Apps der neuesten Generation bieten dafür umfangreiche Kommunikations- und Austausch-Optionen – sei es über Chat, Telefon, Videocall oder Augmented-Reality-Devices. Bei Bedarf baut der Mitarbeitende eine direkte Verbindung zu einem aktuell verfügbaren Vorgesetzten oder Kollegen auf, der sich mit der vorliegenden Fragestellung auskennt. Zu zweit gehen sie die Herausforderung an. So steht einer schnellen, fehlerfreien Weiterarbeit nichts im Wege.