Was Chemieproduzenten bezogen auf PFAS wissen und tun müssen
Die präzisierte PFAS-Beschränkung erweitert den Kreis betroffener Branchen, bringt differenzierte Restriktionsoptionen und setzt erstmals Grenzwerte auf die Agenda. Unternehmen sollten frühzeitig prüfen, planen und handeln, um Compliance zu sichern und Chancen zu nutzen.
Das „Background Document“ zur PFAS-Beschränkung unter Reach wurde überarbeitet.
Das Überarbeiten ist Teil einer umfassenden europäischen Strategie für eine nachhaltige Chemiepolitik.
Das Inkrafttreten einer Reach-Beschränkung wäre frühestens ab 2027/2028 realistisch.
Die EU hat ihren Kurs gegen „Forever Chemicals“ mit dem im August veröffentlichten Update zur geplanten PFAS-Beschränkung präzisiert. Neu sind die Ausweitung auf weitere Branchen, die Konkretisierung möglicher Ausnahmen sowie erstmals klare Grenzwerte. Das Verfahren läuft bis mindestens Ende 2026, ein Inkrafttreten wäre frühestens ab 2027 realistisch. Für Unternehmen der Chemieindustrie bedeutet das: Jetzt ist die Zeit, um systematisch zu prüfen, an welchen Stellen das eigene Unternehmen betroffen ist, Zukunftsszenarien zu planen und belastbare Nachweissysteme aufzubauen. Ebenso wichtig ist es, aktive Beiträge im Konsultationsprozess zu leisten, sich mit Lieferanten eng abzustimmen und frühzeitig PFAS-freie Alternativen zu entwickeln. Gehen betroffene Marktteilnehmer diese Herausforderungen strategisch an, sichern sie nicht nur die Unternehmens-Compliance, sondern verschaffen sich zugleich Innovations- und Wettbewerbsvorteile in einem künftig streng regulierten Markt.
Zum 24. Juni 2025 wurde das „Background Document“ zur PFAS-Beschränkung unter Reach überarbeitet. Diese aktualisierte Fassung, auch als „Updated Proposal“ bekannt, wurde am 20. August 2025 von der Europäischen Chemikalienagentur (Echa) veröffentlicht.
Das Update steht im Kontext des EU Chemicals Industry Action Plan, der eine Vielzahl beabsichtigter Maßnahmen zur Chemikalienregulierung skizziert und dabei die „Klarheit im Umgang mit PFAS“ ausdrücklich als Priorität benennt. Daher ist das Überarbeiten kein isolierter Vorgang, sondern Teil einer umfassenden europäischen Strategie für eine nachhaltige Chemiepolitik, sowohl im Hinblick auf den Umwelt- und Verbraucherschutz als auch die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft.
Auf Basis von über 5.600 Stellungnahmen aus der ersten öffentlichen Konsultation 2023 wurden neue Sektoren und alternative Beschränkungsoptionen eingearbeitet. Zudem enthält das Update Vorschläge, was Schwellenwerte für die Messbarkeit von PFAS in Produkten und Gemischen angeht.
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Die EU meint es ernst mit dem Reduzieren von „Forever Chemicals“.(Bild: zimmytws – stock.adobe.com)
Wesentliche Änderungen
Der ursprüngliche Beschränkungsvorschlag aus 2023 deckte 14 Sektoren ab und sah im Kern ein weitgehendes Verbot von PFAS mit Übergangsfristen vor. Das Update vom Juni 2025 bringt mehrere entscheidende Änderungen:
Mehr betroffene Branchen: Zusätzlich zu den bisherigen Sektoren wurden nun acht weitere einbezogen – unter anderem Druckanwendungen, Dicht-/Sealanwendungen, Maschinenbau, bestimmte medizinische Verpackungen/Excipients, militärische Anwendungen, Explosivstoffe, technische Textilien sowie weitere industrielle Nutzungen wie Lösungsmittel und Katalysatoren. Damit erweitert sich der Kreis der explizit betroffenen Industrien deutlich.
Differenzierte Beschränkungsoptionen: Der ursprüngliche Vorschlag legte im Kern ein nahezu vollständiges Verbot fest (Restriction Option 1 oder RO1), wobei einige wenige Verbote mit befristeten Ausnahmen für unverzichtbare Anwendungen vorgesehen werden sollten (RO2). Nun wird auch das Fortführen bestimmter Verwendungen unter strengen Auflagen diskutiert (RO3).
Wichtig: Diese Optionen gelten nicht pauschal für alle PFAS-Verwendungen, sondern werden je nach Sektor und Anwendung unterschiedlich angewendet. Für Sektoren, in denen Alternativen verfügbar sind, wird eher ein Verbot (RO1) diskutiert. Für kritische Anwendungsfelder ohne Alternativen könnten befristete Ausnahmen (RO2) vorgesehen werden, während für bestimmte kontrollierbare Nutzungen wie Dichtungen oder Maschinenkomponenten ein Fortführen unter Auflagen (RO3) möglich wäre.
Schwellen/Grenzwerte: Das Update konkretisiert vor allem die Bewertungsgrundlagen und Sektorenabdeckung. Eine horizontale Festlegung neuer, allgemein gültiger Grenzwerte unter Reach ist damit noch nicht beschlossen. Parallel gilt jedoch bereits die neue EU-Verpackungsverordnung (PPWR) mit PFAS-Grenzwerten (25 ppb einzeln/250 ppb Summe; 50 ppm inkl. polymerer PFAS) für Verpackungen – relevant für Unternehmen mit Verpackungsbezug. Diese Vorgaben sind eigenständig und laufen unabhängig vom Reach-Beschränkungsverfahren.
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Aus der ersten öffentlichen Konsultation 2023 gingen über 5.600 Stellungnahmen hervor.(Bild: Phimwilai – stock.adobe.com)
Die Echa hat das Update im August 2025 veröffentlicht und zugleich den Ablauf für das weitere Beschränkungsverfahren präzisiert. Derzeit prüfen die Echa-Ausschüsse für Risikobeurteilung (RAC) und für sozioökonomische Analyse (Seac) die vorgeschlagenen Optionen sektorweise. Diese Bewertungen sollen bis Ende 2025 abgeschlossen sein. Im ersten Halbjahr 2026 bietet sich die Möglichkeit für Stakeholder, Einfluss auf den Beschränkungsvorschlag zu nehmen: In diesem Zeitraum ist die öffentliche Konsultation zum Seac-Entwurf vorgesehen.
Ziel ist es, die wissenschaftliche Bewertung und Stellungnahmen bis Ende 2026 abzuschließen und anschließend der EU-Kommission zuzuleiten. Danach folgt das ordentliche Gesetzgebungsverfahren. Ein Inkrafttreten einer Reach-Beschränkung wäre – je nach politischem Verlauf – frühestens ab 2027/2028 realistisch; übliche Übergangsfristen wie 18 Monate plus gegebenenfalls befristete Derogationen würden danach greifen und können je nach Sektor erheblich variieren.
Eigene Betroffenheit analysieren: Prüfen Sie systematisch, ob Produkte, Prozesse, Vorprodukte und Verpackungen betroffen sind. Denken Sie auch an Importe und Zulieferungen.
Szenarien entwickeln: Bereiten Sie sich auf sektorbezogene Regelungen vor: Bei einem Vollverbot (RO1) müssen PFAS-freie Alternativen entwickelt oder beschafft werden. Bei Ausnahmen (RO2) sind Strategien für die Übergangszeit gefragt – etwa das Sichern von Lieferketten, Nachweisführungen und das Entwickeln von Ersatzstoffen. Bei fortführbaren Nutzungen unter Bedingungen (RO3) sollten Sie Risikomanagement-Systeme, Emissionskontrollen, Systeme zur Abwasser-/Abluftreinigung und eine Nachweisdokumentation aufsetzen.
Nachweisfähigkeit sicherstellen: Investieren Sie in Analytik und Dokumentationssysteme. Nur wer das Einhalten von Grenzwerten nachweisen kann, bleibt lieferfähig. Berücksichtigen Sie die PPWR-Grenzwerte für Verpackungen ausdrücklich.
Frühzeitig Stellung beziehen: Nutzen Sie die weiteren Konsultationsmöglichkeiten im Verfahren, um Ihre Interessen einzubringen – idealerweise gemeinsam mit Branchenverbänden.
Lieferketten absichern: Vertragsklauseln helfen, Risiken abzufedern: Pflichten zum Einhalten von Compliance-Anforderungen, Informations-/Auditpflichten, Maßnahmen zum Umsetzen von Änderungen und Substitutionen, Haftung und Gewährleistung, Kostenfolgen und – notwendigenfalls – auch das Neugestalten oder Beenden von Lieferbeziehungen sind Aspekte, die bestenfalls vorab eindeutig geregelt werden.
Innovation entwickeln und Abwasser/Emissionen planen: Planen Sie rechtzeitig Substitutionsprodukte, End-of-pipe-Maßnahmen und geschlossene Kreisläufe. Unternehmen, die früh in PFAS-freie Technologien investieren, können Übergangsfristen nutzen, um sich Wettbewerbsvorteile zu sichern.
Das Überarbeiten der PFAS-Beschränkung ist ein deutliches Signal: Die EU meint es ernst mit dem Reduzieren von „Forever Chemicals“. Für die Chemieindustrie bringt das Update zwar mehr Komplexität, aber auch Klarheit. Managementverantwortliche sollten die Zeit bis zum Inkrafttreten aktiv nutzen – nicht nur, um rechtzeitig compliant zu sein, sondern auch, um in einem sich wandelnden Markt neue Chancen zu ergreifen. Wer jetzt handelt, kann regulatorischen Druck in Innovationskraft verwandeln.