Vernetzung lohnt sich

Von verteilter Dokumentation zur zentralen Datenplattform

Gerade in der derzeitigen Transformation brauchen Betreiber aktuelle, konsistente und durchgängig verfügbare Anlagendaten – und zwar über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Der Gasespezialist Westfalen setzt dazu auf eine Plattformstrategie.

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Über eine zentrale Plattform lassen sich Anlagen und unterschiedliche Gewerke effizient miteinander verknüpfen.
Über eine zentrale Plattform lassen sich Anlagen und unterschiedliche Gewerke effizient miteinander verknüpfen.

  • Das Gase-Unternehmen Westfalen wollte für seine Anlagen eine zentrale Datenhaltung etablieren, die Transparenz über den gesamten Lebenszyklus schafft.
  • Die Gruppe entschied sich mit Engineering Base für ein konsistentes digitales Anlagenmodell, das durch KI-Logik und ERP-Integration erweitert werden kann.
  • Die Effizienzgewinne im Engineering und in der Instandhaltung sind deutlich – außerdem ist das Unternehmen nun in der Lage, künftigen Herausforderungen, etwa durch neue Regulatorik, zu begegnen.

Viele Unternehmen der Prozessindustrie und der Gas- und Energiewirtschaft befinden sich aktuell auf Transformationskurs: Sie wollen nachhaltig wirtschaften, technologisch innovativ sein – und gleichzeitig hocheffizient angesichts zunehmender Systemkomplexität operieren. So auch die Westfalen-Gruppe aus Münster, die in den Bereichen Technische Gase, Kälte und Wärme, Tankstellen und Mobilität sowie respiratorische Heimtherapie aktiv ist. Auch der Energieträger Wasserstoff spielt in immer mehr Bereichen eine wichtige Rolle. Mit Blick auf die vielfältigen Geschäftsaktivitäten gehören Instandhaltung, Umbauten und Neubauten von Produktionsstandorten zum Alltag des Unternehmens.

Laurent Wauters-Herlyn, Westfalen-Gruppe

Weiter vernetzen auf dem Engineering Summit

Über das Effizienz- und Digitalisierungsprojekt berichtet Laurent Wauters-Herlyn von Westfalen auch live auf dem Engineering Summit. DAS zentrale Branchentreffen des europäischen Anlagenbaus findet am 4. und 5. November zum 11. Mal in Darmstadt statt. Neben Westfalen finden sich im Programm weitere Beispiele unter anderem aus dem Raffineriesektor (Shell) und der Zementindustrie. Alle Infos zum Programm und zu den Tickets gibt es auf www.engineering-summit.de.

Engineering auf einer Plattform – statt vier getrennter Werkzeuge

Nicht zu vernachlässigen ist dabei, dass sehr viele verschiedene Softwarelösungen im Engineering zum Einsatz kommen: Beispielsweise Auto-CAD für die technische Dokumentation, E-CAD-Tools für die elektrische Planung, MS Excel für Listenführung und MS Visio für schematische Visualisierung. Eine heterogene Werkzeuglandschaft bringt dabei nicht nur doppelte Datenpflege mit sich, sondern kann auch fehleranfällig und unflexibel in Änderungsprozessen sein. „Das Suchen nach den richtigen Informationen zu Projekten wurde für uns immer zeitintensiver. Das haben wir zum Glück schnell erkannt und waren uns einig, hier mit der passenden Lösung Synergien zu heben“, erklärt Laurent Wauters-Herlyn, Leiter Strategie & Innovation im Bereich Production & Engineering bei der Westfalen-Gruppe. „Wir wollten eine zentrale Datenhaltung etablieren, die Transparenz über den gesamten Lebenszyklus unserer Anlagen schafft – und dabei alle Disziplinen auf einer Plattform zusammenführt.“

Mit Engineering Base von Aucotec fiel die Entscheidung auf eine datenbankbasierte Engineering-Plattform, die prozess- und disziplinübergreifend funktioniert. „Engineering Base bietet eine echte Single Source of Truth. Das bedeutet: Änderungen an den Daten, zum Beispiel an einem Messumformer oder in einem R&I-Fließbild, aktualisieren sich automatisch in allen verknüpften Ansichten und Datenlisten – vom Stromlaufplan bis zur Stückliste“, erläutert Hans-Werner Meyer, Application Consultant bei Aucotec.

Das zugrunde liegende Datenmodell der Plattform ermöglicht die semantische Verknüpfung sämtlicher technischer Informationen: Ob Anlagenstruktur, Geräteparameter, Schaltzeichen, Artikelinformationen oder Verbindungen, wie zum Beispiel Rohrleitungen – alle Elemente befinden sich in einem einheitlichen Systemkontext. Damit ist sichergestellt, dass alle Beteiligten stets mit denselben, aktuellen Daten arbeiten.

Mehr Effizienz in Umbau-Engineering und Instandhaltung

Besonders bei Umbau- und Erweiterungsprojekten, wie sie bei Westfalen häufig vorkommen, spielt dieser konsolidierte Datenbestand seine Stärken aus: Die Planerinnen und Planer müssen nicht mehr zwischen Papierarchiven, Altsystemen oder diversen Netzlaufwerken suchen, sondern können direkt mit validierten As-built-Informationen arbeiten. Die Zeitersparnis in der Recherche ist erheblich – ebenso wie die Qualität der Planungsdaten. „Im Engineering-Prozess, insbesondere bei Umbauten, ist der Zugriff auf aktuelle Anlagendaten von entscheidender Bedeutung“, so Meyer. „Engineering Base stellt diese Daten strukturiert in einer zentralen Datenbank bereit – das reduziert den Aufwand für die Informationsbeschaffung drastisch und vermeidet Doppelarbeiten.“

Auch für die Instandhaltung ergeben sich konkrete Vorteile: Statt auf verteilte und möglicherweise nicht vollständige Informationen zurückzugreifen, verfügen die Instandhaltungs-Verantwortlichen über einheitliche, gepflegte Datensätze, etwa zu verbauten Komponenten. Neben Seriennummern und Herstellerdaten können auch betriebsrelevante Parameter, Firmware-Versionen sowie Verweise auf technische Dokumentationen systematisch erfasst und gepflegt werden. Ein granular konfigurierbares Rollen- und Berechtigungskonzept ermöglicht die gezielte Zugriffskontrolle auf sensible Daten – differenziert nach Benutzerrollen und -gruppen.

Diese strukturierte Informationsbasis ist essenziell, wenn Bauteile schnell ersetzt oder neue Komponenten konfiguriert werden müssen – gerade in kritischen Anlagenbereichen, wo Ausfallzeiten direkt Kosten verursachen. Das zahlt sich aus: Die Westfalen-Gruppe rechnet durch die Plattform-Lösung mit rund 15 % weniger Aufwand in der Instandhaltungsplanung.

Das Gase-Abfüllwerk in Lanken in Norddeutschland ist einer von über 20 Produktionsstandorten der Westfalen-Gruppe in Europa.
Das Gase-Abfüllwerk in Lanken in Norddeutschland ist einer von über 20 Produktionsstandorten der Westfalen-Gruppe in Europa.

Synergien durch SAP-Integration

Zudem ergeben sich weitere Perspektiven für das Industrieunternehmen aus Münster: Aktuell wird die Einführung von SAP S/4 Hana vorbereitet. Nach der Einführung wäre auch die SAP-Integration der Plattform ein folgerichtiger nächster Schritt. Vorteil wäre ein komplett digitalisierter Workflow, bei dem aus der technischen Dokumentation automatisch relevante Informationen für den Bestellprozess in SAP übergeben werden – etwa Artikelnummern, Herstellerdaten oder Stücklistenpositionen.

„Die Verzahnung von Engineering Base und SAP erscheint für uns sehr lukrativ, um beispielsweise die Ersatzteilbeschaffung und Materialwirtschaft effizienter zu steuern“, erklärt Wauters-Herlyn. „So könnten wir Systembrüche vermeiden und den manuellen Aufwand in der Bestellabwicklung reduzieren.“ In Summe ergibt sich durch die Integration ein robuster digitaler Kettenprozess von der technischen Änderung bis zur Materialbuchung im ERP-System.


Wissenssicherung durch künstliche Intelligenz

Ein weiterer Innovationsbaustein der Plattform ist der Engineering Advisor, ein KI-gestütztes Modul, das Anwender bei der Interpretation und Analyse komplexer Projektdaten unterstützt. Anstatt klassische Suchabfragen über Strukturen und Listen zu fahren, können Nutzer kontextbasierte Fragen stellen – und erhalten relevante Datenauszüge samt Verlinkungen.

Die KI erkennt Zusammenhänge zwischen Objekten, Bauteilen und Regeln, die in der herkömmlichen Arbeitsblattlogik nicht sofort auffindbar wären. So lassen sich etwa Verstöße gegen Normen, Inkonsistenzen zwischen Planungsständen oder Ausstattungsabweichungen automatisch erkennen. „Gerade für die Sicherung von Erfahrungswissen ist dieser Ansatz ein echter Gamechanger“, sagt Meyer. „Die KI analysiert vorhandene Projekte, erkennt Muster und leitet daraus Empfehlungen für neue Vorhaben ab. Damit wird das Engineering nicht nur schneller – es wird auch robuster.“

Arbeitsblätter als Analyse-Tool – intelligent ergänzt durch KI

Engineering Base bietet darüber hinaus ein leistungsstarkes System konfigurierbarer Arbeitsblätter, mit denen technische Daten je nach Fachdisziplin sortiert, gefiltert und ausgewertet werden können. Über Formel-attribute lassen sich zusätzliche Berechnungen, Plausibilitätsprüfungen und Regelwerke integrieren. Doch bei der Darstellung komplexer logischer Beziehungen stößt auch dieses System an Grenzen – hier greift wiederum die KI ein.

Durch die Kombination beider Technologien – strukturierte Arbeitsblätter und KI-gestützte Mustererkennung – lassen sich technische Daten nicht nur aufbereiten, sondern auch verstehen. „Die KI unterstützt dabei, Regeln und logische Abhängigkeiten automatisiert anzuwenden – beispielsweise dann, wenn kundenspezifische Vorgaben gemäß Werksnormen und Prüfanforderungen innerhalb eines Projekts konsistent eingehalten werden müssen“, so Meyer.

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