- In Deutschland entstehen der Industrie jährlich Brandschäden in Höhe von 6 Mrd. Euro.
- Präventivmaßnahmen ermöglichen den Schutz der Produktion vor drohenden Bränden.
- Guter Brandschutz beginnt bereits in der Planungsphase.
- Sachverständige des VdS evaluieren Brandschutzmaßnahmen von Unternehmen.
Als gefährdet sieht er nicht nur chemische Betriebe: „Ganz typische Brandauslöser sind immer wieder Mängel oder Altersschwäche in der Elektrik.“ Ein durchgeschmortes Kabel, beispielsweise in Computern, Lüftungsanlagen oder Produktionsmaschinen, genügt, um einen Schwelbrand zu verursachen. Einen Funken, mehr braucht es nicht, um im schlimmsten Fall einen kompletten Betrieb zu zerstören oder mit dem entstehenden Brandrauch, der verschiedene giftige Stoffe enthält, zu kontaminieren. „Feuer“, bringt es König auf den Punkt, „entwickelt unfassbar schnell eine enorme Zerstörungskraft.“
Der Ernstfall: direkte und indirekte Kosten
Bei den Sachschäden allein bleibt es im Brandfall nicht: Produktionsausfall, Imageschäden und in der Folge sogar Kundenverluste sind weitere Kosten, die Unternehmen drohen. Und sind Spezialapparaturen von einem Brand betroffen, ist Ersatz oft nicht auf dem Markt verfügbar. Darum setzen Unternehmen wie der Pharma- und Chemiekonzern Merck auf hohe Brandschutzstandards: „Wir wollen uns und unseren Kunden keine langen Ausfallzeiten zumuten. Es gibt keine Alternative zu gutem Brandschutz – außer Anlagen mal eben redundant vorrätig zu halten, aber das ist nicht bezahlbar“, erklärt Jürgen Warmbier. Er ist Hauptabteilungsleiter Standortsicherheit an den Merck-Standorten Darmstadt und Gernsheim.
Typische Brand-Gefahrenquellen
Laut Dr. Peter Schäfer, zuständig für die Gefahrenabwehrplanung am Merck-Standort Darmstadt, hat das Unternehmen durch sein Produktportfolio fertiger Hochreinstoffe oder auch Spezialchemikalien wie Flüssigkristallen einen Vorteil gegenüber anderen Produzenten, beispielsweise von Schwefel oder Säuren: „Nichtsdestotrotz müssen wir aufgrund der Eigenschaften der Stoffe, mit denen wir hier arbeiten, an jedem Ort und zu jeder Zeit mit einem Brand rechnen.“ Das Risiko definieren Schäfer und seine Kollegen anhand des Ausmaßes der zu erwartenden Schäden auch von monetärer Seite sowie der Höhe der Eintrittswahrscheinlichkeit. Als besonders anspruchsvoll sieht er die Arbeit mit metallorganischen Stoffen, bei denen bereits der Kontakt mit Luftfeuchte zum Entzünden führt. Generell stellen zahlreiche feste Stoffe, allen voran Stäube, eine hohe Brandgefahr dar. Das betrifft auch, aber nicht nur die Produktion: Das Lagern von Edukten und Produkten sowie der komplette Verarbeitungsweg sind Themen der Brandprävention.
Reagieren, so schnell wie das Licht
Um im Ernstfall so schnell wie möglich reagieren und Gegenmaßnahmen einleiten zu können, setzt das Unternehmen auf die Tatsache, dass sich das Licht einer Explosion schneller ausbreitet, als die Explosion selbst: Lichtwellenleiter lösen binnen Millisekunden aus und öffnen per Sprengkapsel Löschpulverflaschen, die ihr Mittel mit 120 bar der beginnenden Explosion entgegen schießen und diese somit direkt unterdrücken. Löschkonzepte wie dieses sind bei Merck fester Bestandteil bei jedem Projekt: „Allgemein beginnen unser Brandschutz, die Gefahrenabwehr sowie die Prävention bereits in der Planungsphase. Wir begleiten auch Neu- und Umbauprojekte und den kompletten Lebenszyklus von Gebäuden“, erklärt Schäfer. Die Ingenieure sind bereits in die einzelnen Genehmigungsverfahren eingebunden und permanente Ansprechpartner für Betriebsleiter. Ebenso veranstalten sie regelmäßig Gefahrenverhütungsschauen, die dem Team um Schäfer von der Berufsfeuerwehr Darmstadt übertragen wurden. Derzeit befinden sich unter den Brandschutz-Ingenieuren fünf Sachverständige für vorbeugenden Brandschutz der Feuerwehren in Hessen. „Uns ist wichtig, dass die Kollegen mit externen Experten auf Augenhöhe reden können“, erklärt Hauptabteilungsleiter Warmbier. Sachverständiger König lobt dieses Konzept. Die Brandschutz-Verantwortlichen haben durch das frühe Einbinden eine Querschnittsfunktion über sämtliche Gewerke.
Gefahrenanalyse für besseren Brandschutz
Hartmut Weber ist Sachgebietsleiter Brandschutzeinrichtungen im Darmstädter Werk des Chemiekonzerns. Ein funktionierender Brandschutz beginnt für ihn mit einer genauen Gefahrenbetrachtung: „Unsere Leute analysieren bei jedem neuen Projekt und jeder baulichen Änderung von vorneherein: Wo können Probleme auftreten? Sie sind von Anfang an in jedes Projektteam integriert, arbeiten zusammen mit dem Leiter, den verschiedenen Fachgewerken, dem Labor und oft auch mit den Versicherern sowie dem VdS. Letzterer ist für uns eine neutrale Stelle die uns bestätigt, dass unser Brandschutz im Ernstfall auch wirklich funktioniert.“ Das Institut prüft alle Systeme auf dem Werksgelände: von der Brandmelde- und Feuerlöschtechnik, Sprinkler- über Gas- und Pulverlöschanlagen bis hin zu Rauch- und Wärmeabzug-Anlagen. Sachverständiger König hebt hier auch die Eigenideen und Eigenentwicklungen von Merck hervor, beispielsweise die Fernüberwachung mit Einwirkmöglichkeiten der Sprinklerzentralen. Ebenso entwickelte der Produzent für sein am Rhein gelegenes Gernsheimer Werk eine eigene Pumpstation, die im Ernstfall 25.000 l Löschwasser pro Minute liefert.
Brandschutz schützt das Business
„Wir vom Brandschutz sind Dienstleister. Gerade im Präventivbereich. Die Kollegen sagen uns, was sie an Gebäuden oder Anlagen brauchen, und bekommen von uns alle Elemente aus einer Hand“, fasst Hauptabteilungsleiter Warmbier zusammen. Wichtig sei es, die Kollegen in der Produktion bestmöglich zu unterstützen; auch durch das Minimieren von Prüfungszeiten. Schon beim Errichten von Anlagen achten die Ingenieure darauf, dass die Produktion auch während einer Prüfung weiterlaufen kann. Im Mittelpunkt aller Aktivitäten stehen immer die Unternehmensziele: Business Continuity und hohe Wirtschaftlichkeit.