Wasserstoff

(Bild: peterschreiber.media, Andrey Kuzmin – stock.adobe.com)

  • Im Zuge der Energiewende wird Wasserstoff immer wichtiger werden – allen voran der per Elektrolyse mit erneuerbarem Strom hergestellte „grüne“ Wasserstoff.
  • Daraus ergeben sich für die Chemieindustrie gerade im Bereich der Sicherheitstechnik auch neue Herausforderungen.
  • Wasserstoff wird zukünftig nicht mehr nur in gut von der Öffentlichkeit abgeschotteten Anlagen, sondern vielmehr dezentral gehandhabt werden.

Wasserstoff kommt in unseren Lebensräumen praktisch nicht elementar vor. Er verbindet sich spontan und schnell mit anderen Elementen – zusammen mit Sauerstoff bildet sich etwa Knallgas. Sicherheitstechnisch interessant ist dabei der außergewöhnlich breite und die niedrige Mindestzündenergie. Auch wegen der extrem hohen Flammengeschwindigkeit, die etwa achtmal höher ist als die einer Methanflamme, ist ein Wasserstoff-Luft-Gemisch außergewöhnlich.

Zur Explosionsgefahr kommt noch die Tatsache, dass Wasserstoffmoleküle sehr klein sind. Daher besitzt Wasserstoff eine hohe Diffusionsfähigkeit, auch durch metallische Werkstoffe hindurch. An Korngrenzen oder Fehlstellen können Wasserstoffatome beispielsweise zur Metallversprödung führen. Daher bestehen an die Dichtheit von Wasserstoffapparaturen besondere Herausforderungen, die aber technisch durchaus beherrschbar sind.

Sichere Elektrolyse: Herstellung von grünem Wasserstoff

Im Zuge der Energiewende wird Wasserstoff immer wichtiger werden – allen voran der per Elektrolyse mit erneuerbarem Strom hergestellte „grüne“ Wasserstoff. Gegenwärtig ist der globale Anteil von Elektrolyse-Wasserstoff mit weniger als 5 % noch sehr gering, was insbesondere auf die hohen Produktionskosten zurückzuführen ist. Diese werden aber in Zukunft deutlich sinken.

Bei der Elektrolyse von Wasser wird dieses unter Einwirkung von Gleichstrom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Dabei trennen Membranen die beiden entstehenden Gase, sodass sich kein explosionsfähiges Gemisch bilden kann (crossover). Von bestimmten Ionen können die Membranen dagegen passiert werden.

International existiert eine Reihe von Normen, die die sicherheitsrelevanten Belange der wichtigsten Elemente in der Wasserstoff-Wertschöpfungskette – darunter die Elektrolyse – abdecken. Im Technical Report ISO/TR 15916 werden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr vorgeschlagen. Dieser unverbindliche Technische Report stellt einen guten Einstieg in die komplexe Thematik dar. Für die Elektrolyse von Wasser gibt es den internationalen Standard ISO 22734: „Hydrogen generators using water electrolysis – Industrial, commercial, and residential applications“ (aktueller Stand 2019). Darin werden die Anforderungen für die Gestaltung, den Bau, die Sicherheit und den Betrieb von Elektrolyseanlagen ausführlich beschrieben. Hervorzuheben ist, dass vom Hersteller derartiger Anlagen die Durchführung einer Risikoanalyse verlangt wird, um potenzielle Gefährdungen systematisch zu erfassen, ihre Auftrittswahrscheinlichkeit zu ermitteln und geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Demnach ist für den Explosionsschutz eine Zoneneinteilung anhand der IEC 60079-10-1 (8) oder adäquater nationaler Standards durchzuführen, auf deren Basis geeignete Maßnahmen des primären (Vermeidung des Auftretens explosionsfähiger Atmosphären) und sekundären Explosionsschutzes (Vermeidung von Zündquellen gemäß der Normenreihe IEC 60079) zu ergreifen sind.

Die Maßnahmen des primären Explosionsschutzes sollen dabei insbesondere das Freisetzen von Wasserstoff durch ausreichend dichte Anlagenteile verhindern. Abgesichert wird dies durch eine Überwachung der unmittelbaren Umgebung mittels Gasmessgeräten. Die Dichtheit stellt einen bestimmenden Aspekt der meisten Sicherheitskonzepte von Wasserstoffanlagen dar. Wie oben beschrieben sind Wasserstoffmoleküle besonders klein und können durch metallische Werkstoffe diffundieren. Daher ist es dringend geboten, die internationalen Normen um genaue Spezifikationen für die konkrete Realisierung von dichten Rohrleitungsverbindungen und Apparaturen zu erweitern.

Defizite bei IEC- und ISO-Normen

In Deutschland sind die beiden Kategorien „technisch dicht“ und „dauerhaft technisch dicht“ seit vielen Jahren bewährt. Die konkreten Ausführungsformen sind in der TRGS 722 „Vermeidung oder Einschränkung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre“ (9) definiert. Auf europäischer Ebene wurde dieser Notwendigkeit in der neuesten Ausgabe der EN 1127-1: „Explosionsfähige Atmosphären – Explosionsschutz – Teil 1: Grundlagen und Methodik“ in Gestalt des neuen Anhangs B: Dichtheit von Geräten Rechnung getragen. Allerdings muss festgestellt werden, dass es zwischen der nationalen deutschen Vorgabe in und der Europäischen Norm hinsichtlich der Konzepte und einiger Details deutliche Abweichungen gibt. Auf der Ebene von IEC- bzw. ISO-Normen fehlt derzeit eine adäquate Vorgabe mit speziellem Bezug auf den Explosionsschutz gänzlich. Besondere Anforderungen ergeben sich für die Hochtemperaturelektrolyse aufgrund der Prozesstemperaturen, die weit über der Mindestzündtemperatur des Wasserstoffs liegen.

Auf nationaler Ebene gibt es ebenfalls bereits seit längerer Zeit Vorgaben für den Explosionsschutz von Wasserstoffanlagen. Diese sind unter dem Abschnitt 1.2.7: „Anlagen zur Herstellung und Verwendung von Wasserstoff“ der Beispielsammlung zu den Explosionsschutzregeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 (11) enthalten. Auch hier stellt die Dichtheit der Anlage, verbunden mit geeigneten Lüftungs- und Gasüberwachungsmaßnahmen und ergänzt durch organisatorischen Maßnahmen, das zentrale Element des Sicherheitskonzeptes dar. Für Elektrolyseanlagen wird lediglich in geschlossenen Räumen und beim Fehlen von ergänzenden technischen und organisatorischen Maßnahmen der Bereich unter der Decke als Zone 2 eingestuft.

Explosionsschutz für weitere Wasserstoffprozesse

Wasserstofftankstelle
Für Wasserstofftankstellen gibt es seit 2020 den entsprechenden Internationalen Standard ISO 19880 – 1. (Bild: TimSiegert-batcam – stock.adobe.com)

Auch bei der Speicherung, dem Transport und der Rückverstromung von Wasserstoff sind die Anforderungen an die Sicherheitstechnik hoch. Wie bei der Herstellung bestehen jedoch international heute noch keine ausreichenden Normen und Standards, um in allen Prozessen den Explosionsschutz sicherzustellen. Die Beispielsammlung der deutschen Explosionsschutzregeln (EX-RL) (11) enthält dagegen entsprechende Vorgaben, etwa unter Abschnitt 1.2.7.2 Vorgaben für die Verdichtung von Wasserstoff in Räumen und im Freien. Für Wasserstofftankstellen gibt es seit 2020 den entsprechenden Internationalen Standard ISO 19880 – 1: „Gaseous hydrogen – Fuelling stations Part 1: General requirements“. In Deutschland gilt als spezielle nationale Festlegung zum Explosionsschutz von Wasserstofftankstellen die TRGS 751: „Vermeidung von Brand-, Explosions- und Druckgefährdungen an Tankstellen und Gasabfüllanlagen zur Befüllung von Landfahrzeugen“, die in der gültigen Fassung vom 02.10.2020 um die Aspekte von Wasserstoff als Treibstoff ergänzt wurde.

Um elektrische Energie aus dem Speichermedium Wasserstoff zurückzugewinnen, nutzt man Brennstoffzellen. In ihnen läuft ein Prozess ab, der im Wesentlichen einer Umkehr der Elektrolyse entspricht. Der Explosionsschutz ist auf internationaler Ebene über das Technische Komitee TC 105 von IEC geregelt. Seit Anfang 2021 werden in elf Arbeitsgruppen Normenprojekte zu den unterschiedlichen Anwendungsfällen, von der Mikro-Brennstoffzelle bis hin zum Antriebsaggregat für Drohnen, bearbeitet. Zahlreiche neue Normen wurden inzwischen fertiggestellt. Bereits verfügbar sind u. a. die Normen für die Sicherheit von stationären (DIN EN IEC 62282-3-100) und portablen (DIN EN IEC 62282-5-100) sowie von Brennstoffzellenmodulen (DIN EN IEC 62282-2-100).

Neue Herausforderung: dezentrale Anlagen in der Öffentlichkeit

Die Sicherheitsanforderungen für den Betrieb einer umfassenden Wasserstoff-Infrastruktur sind zwar nicht höher als man sie von den fossilen Energieträgern kennt, aber eben auch nicht geringer – zumindest auf die Explosionsgefahren bezogen. Sicherheitstechnisch günstigeren Eigenschaften wie die hohe Flüchtigkeit aufgrund der geringen Dichte stehen ungünstigere Eigenschaften wie die extrem niedrige Mindestzündenergie und der hohe Diffusionskoeffizient entgegen. In der Prozessindustrie ist man seit vielen Jahrzehnten geübt darin, mit den Explosionsgefahren des Wasserstoffes umzugehen. Viele dort bewährte Regelungen können in die neuen Wasserstoffanwendungen übernommen werden.

Wasserstoff
Wasserstoff wird zukünftig nicht mehr nur in abgeschotteten Anlagen gehandhabt, sondern viele neue Anwendungen werden dezentral in der Öffentlichkeit betrieben werden. (Bild: AA+W – stock.adobe.com)

Aber auch neue Umstände sind zu beachten. Wasserstoff wird zukünftig nicht nur in gut von der Öffentlichkeit abgeschotteten, von geschultem Personal betriebenen Anlagen gehandhabt, sondern viele neue Anwendungen werden dezentral in der Öffentlichkeit betrieben. Elektrolyseanlagen werden in der Nähe von Windparks errichtet, umfangreiche Wasserstoff-Belieferungs- und -Betankungsnetze entstehen. Große Anlagen fallen dabei leicht unter den Geltungsbereich der Störfallverordnungen mit den entsprechenden Verschärfungen der Sicherheitsanforderungen.

Es ist daher sehr zu begrüßen, dass ISO und IEC viele wichtige Aspekte der Sicherheitstechnik entlang der Wasserstoffketten in internationalen Standards behandeln. Einige dieser Standards sind, wie oben beschrieben wurde, bereits veröffentlicht, einige stehen kurz vor der Fertigstellung. Der nächste logische Schritt sollte darin bestehen, dass diese Standards über die Europäischen Normungsorganisationen CEN und Cenelec in Europäische Normen umgesetzt werden und von da aus in die nationale Normung einfließen. Auf der nationalen Ebene müssen sie dann schließlich mit den Verordnungen und Regelungen in Einklang gebracht werden. Dies alles bringt noch einen sehr großen Arbeitsaufwand mit sich. Die Gegenüberstellung der Forderungen aus den neuen internationalen Standards und den entsprechenden Aussagen aus den deutschen Ex-Regeln (Ex-RL) verdeutlicht dies.

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