KI-generiertes Bild einer Explosion in einem Chemiewerk

(Bild: KI-generiert mit Ideogram / AI-generated by Ideogram)

Wie entsteht ein Explosionsrisiko?

Eine Explosion ist, drastisch vereinfacht ausgedrückt, eine sehr schnelle und heftige Verbrennung, also eine Oxidationsreaktion, bei der Druck und Temperatur schlagartig ansteigen. Sie kann nur stattfinden, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens müssen sowohl ein oxidierbarer Brennstoff als auch ein Oxidator vorliegen. Letzterer ist in der Regel Luftsauerstoff, kann allerdings in bestimmten Anlagen und Anwendungen auch reinen Sauerstoff oder sauerstoffreiche Verbindungen wie Peroxide darstellen. Zweitens muss das Mischungsverhältnis aus Brennstoff und Oxidator stimmen, da ein solches Gemisch nur innerhalb der sogenannten Explosionsgrenzen auch tatsächlich explosiv ist und eine sogenannte zündfähige Atmosphäre entsteht. Drittens muss eine Zündquelle vorliegen, die ausreichend Energie einträgt, um das Gemisch zu entzünden und eine Explosion auszulösen. Maßnahmen zum Explosionsschutz zielen darauf ab, das Zusammenkommen dieser drei Faktoren zu verhindern, sowie die Auswirkungen einer dennoch stattfindenden Explosion zu kontrollieren und Schäden zu minimieren.

Was ist eine zündfähige Atmosphäre?

Die Anwesenheit von Sauerstoff oder Umgebungsluft sowie Staub oder brennbarem Gas oder Flüssigkeit allein bedeutet noch nicht zwangläufig eine Explosionsgefahr. Bei zu wenig Sauerstoff oder zu wenig Brennmaterial findet keine oder nur eine geringe Reaktion statt. Folglich ist das Mischungsverhältnis entscheidend. Wichtig in diesem Zusammenhang sind Eigenschaften, die von Material zu Material stark unterschiedlich sein können. Entscheidend sind Kennzahlen wie die untere und obere Explosionsgrenze, Zündenergie und Zünddruck sowie Flamm- und Explosionspunkte. Die Explosionsgrenzen geben den Mindest- bzw. den Höchst-Anteil an Brennstoff im Gemisch an, der zu einer Explosion erforderlich ist. Die Zündenergie ist der Mindestwert an Energie, den eine Zündquelle zum Beginn der Reaktion aufbringen muss. Bei ausreichend hohem Druck, dem sogenannten Zünddruck, kann eine Explosion auch ohne weitere Zündquelle stattfinden, wie es in kleinerem Maßstab auch in Dieselmotoren passiert.

Welche Zündquellen gibt es?

Glut oder offene Flammen sind offensichtliche Zündquellen, die im Normalbetrieb jedoch auch einfach zu vermeiden sind. Bestes Beispiel hierfür ist ein Rauchverbot in der Nähe von Treibstofflagern. Störfälle können jedoch im Ernstfall unvorhergesehen zu offenen Feuern führen, welche wiederum Explosionen auslösen können. Aus diesem Grund fallen unter Explosionsschutz auch Maßnahmen, die Folgeschäden von Unfällen im Zaum halten.

Eine weitere Zündquelle sind elektrische Funken. Diese können entweder bei Schaltprozessen in elektrischen Geräten oder durch elektrostatische Aufladung auftreten. Dies gilt nicht nur für in der Anlage verbaute Geräte, sondern auch von Mitarbeitenden genutzte Mobilgeräte wie Tablets oder Telefone. Schaltfunken lassen sich auf unterschiedliche Art vermeiden: Speziell eingekapselte Geräte und sichere Schaltschränke halten Zündfunken von explosionsfähigen Atmosphären fern. Bestimmte Arten von Leuchtstoffröhren dürfen seit Mitte 2023 nicht mehr auf den Markt gebracht werden, daher und auch um Wartungskosten zu senken, lohnt sich in explosionsgefährdeten Bereichen das Umrüsten auf geeignete LED-Beleuchtung. Pneumatische anstelle von elektrischen Antrieben können den Einsatz unsicherer Schaltgeräte umgehen oder nach außerhalb des explosionsgefährdeten Bereiches verlegen. Elektrostatische Aufladung ist weniger vorhersehbar und daher oft unterschätzt. Sie kann nicht nur bei offensichtlichen Prozessen auftreten, wie den bekannten Effekt von Gummischuhsohlen auf Kunststoffboden, sondern auch beim Ab- und Umfüllen von Flüssigkeiten in unterschiedliche Behälter. Aus diesem Grund existieren geerdete Anlagen für solche Prozesse in explosionsgefährdeten Bereichen.

Insbesondere in Chemieanlagen ist zu beachten, dass chemische Reaktionen große Mengen an Energie freisetzen und somit Hitze erzeugen können. Schon heiße Oberflächen können bestimmte Lösungsmitteldämpfe entzünden. Reaktoren, in denen Reaktionen mit starker Hitzeentwicklung stattfinden, müssen aus diesem Grund entweder ausreichend isoliert sein oder gekühlt werden. Ein weiteres Risiko entsteht in Tanklagern, insbesondere bei der Lagerung und Entsorgung von Abfällen. Kommen bei unvorsichtiger oder unsachgemäßer Handhabung unterschiedliche Chemieabfälle in einem Tank zusammen, können sie sich im ungünstigsten Fall so stark aufheizen, dass es zu einer Explosion kommt. Die Explosion in der Sonderabfall-Verbrennungsanlage Bürrig am 27. Juli 2021 im Chempark Leverkusen, bei der fünf Menschen starben, ging offenbar auf diese Ursache zurück.

Was ist primärer Explosionsschutz?

Primärer Explosionsschutz lässt sich zusammenfassen als: „Wo nichts explodieren kann, besteht keine Explosionsgefahr.“ Es handelt sich also um Maßnahmen, die die Entstehung einer zündfähigen Atmosphäre oder eines explosionsfähigen Gemisches vermeiden sollen. Naheliegend ist zunächst, Silos oder Tanks entsprechend abzudichten, so dass in deren Umfeld ein möglichst geringes Risiko besteht. Ausreichende Belüftung kann ebenfalls sicher stellen, dass Staub und Lösungsmitteldämpfe sich nicht in ausreichender Konzentration ansammeln können. Teil einer solchen Belüftungsanlage ist oft ein Filtersystem zur Entstaubung, um die Explosionsgefahr weiter zu senken,

Was ist sekundärer Explosionsschutz?

Eine ähnliche Zusammenfassung für sekundären Explosionsschutz wäre „Ohne Zündung keine Explosion.“ Eine zündfähige Atmosphäre lässt sich im Rahmen des primären Explosionsschutzes nicht immer vollständig vermeiden. So bleibt beispielsweise beim Umgang mit organischen Lösungsmitteln immer ein Restrisiko, dass sich entzündliche Dämpfe bilden. In solchen Fällen gilt es dafür zu sorgen, dass sich ein explosionsfähiges Gemisch nicht entzünden kann, indem alle Zündquellen im Gefahrenbereich ausgeschlossen werden. Das bedeutet zum Beispiel den Einsatz von ausschließlich gekapselten elektrischen Geräten. Auch industrietaugliche Mobiltelefone und Tablets sind aus diesem Grund in speziellen Ex-Schutz-Ausführungen erhältlich. Aber auch so naheliegende Maßnahmen wie ein absolutes Rauchverbot an Tankstellen fallen unter sekundären Explosionsschutz.

Was ist konstruktiver Explosionsschutz?

Explosionsrisiken lassen sich trotz aller Maßnahmen nicht immer völlig ausschließen. Der sogenannte konstruktive Explosionsschutz hat zum Ziel, die Folgen einer dennoch stattfindenden Explosion so gering wie möglich zu halten. Dazu gehört, schon bei Planung und Bau einer Anlage die eventuell gefährdeten Bereiche widerstandsfähig auszulegen, so dass sie dem Druck einer Explosion standhalten können. Dies lässt sich unter anderem durch die Auswahl geeigneter Materialien oder auch zusätzliche, besonders stabile Wände erreichen.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil des konstruktiven Explosionsschutzes ist die sogenannte Druckentlastung. Dies bedeutet, dem Druck einer Explosion nicht nur standzuhalten, sondern die Druckwelle kontrolliert in eine bestimmte Richtung zu lenken und entweichen zu lassen. Wichtige Bauteile hierfür sind die sogenannten Berstscheiben. Dabei handelt es sich um speziell perforierte Scheiben, die eine Rohrleitung verschließen und bei einem spezifischen Ansprechdruck aufreißen. Damit stellen sie Sollbruchstellen in der Anlage dar, an denen der Explosionsdruck kontrolliert entweichen kann.

Was ist die Atex-Richtlinie?

Der Begriff "Atex" steht für "Atmosphères Explosibles" (explosionsfähige Atmosphären) und bezieht sich auf notwendige Maßnahmen, um die Sicherheit von Personen und Eigentum in Bereichen mit potenziell explosionsfähiger Atmosphäre zu gewährleisten. Die Atex-Richtlinie legt auf EU-Ebene fest, wie explosionsfähige Atmosphären klassifiziert werden und welche Schutzmaßnahmen für verschiedene Zonen je nach vorliegendem Risiko erforderlich sind. Sie enthält auch Anforderungen an die Kennzeichnung von explosionsgeschützten Produkten, die Konformitätsbewertung, die technischen Unterlagen und die Pflichten der Hersteller, Händler und Benutzer.

Zu beachten ist dabei, dass die europäische „Atex-Richtlinie“ als solches nicht mehr eigenständig besteht. Sie umfasst zwei separate Richtlinien, die sogenannte „Produktrichtlinie“ Atex 114 (2014/34/EU) und die „Betriebsrichtlinie“ Atex 153 (1999/92/EG). Die Produktrichtlinie regelt die Anforderungen an Produkte, die in explosionsgefährdeten Umgebungen verwendet werden. Sie betrifft Hersteller von Geräten und Schutzsystemen, die in solchen Umgebungen eingesetzt werden, wie z.B. elektrische Geräte, mechanische Geräte oder Schutzsysteme. Die Betriebsrichtlinie legt die Mindestanforderungen für den Explosionsschutz in Arbeitsumgebungen fest. Sie betrifft Anlagenbetreiber und Angestellte und legt fest, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um das Risiko von Explosionen zu minimieren.

Was sind Atex-Zonen?

Atex-Zonen sind Bereiche, die je nach Art und Größe des Explosionsrisikos eingeteilt sind. Sie unterscheiden einerseits nach explosiven Gasen (Zone 0 bis 2) und Stäuben (Zone 20 bis 22). Die Zonen 0 und 20 sind Bereiche, in denen ein explosives Gemisch ständig oder über lange Zeiträume vorliegt und sich in der Regel nicht vemeiden lässt, also beispielsweise der Innenraum eines Tanks oder Silos, aber auch gegebenenfalls innerhalb von pneumatischen Förderleitungen und Verdichtern. In den Zonen 1 und 21 kann eine explosionsfähige Atmosphäre im Regelbetrieb auftreten, ist aber nicht zwangsläufig oder dauerhaft vorhanden. Dies betrifft beispielsweise das direkte Umfeld von Tanköffnungen. Abfüllanlagen oder Mahlwerken. Die Zonen 2 und 22 schließlich beschreiben Bereiche, in denen eine explosionsfähige Atmosphäre normalerweise nicht vorliegt, aber selten oder unter bestimmten Voraussetzungen auftreten kann, etwa bei Fehlern oder Störungen. Beispiele sind Anschlüsse von Gasleitungen, die unter Normalbetrieb dicht sein sollten, oder Innenräume, in denen nur bei Ausfall der Lüftungssysteme explosionsfähige Gas- oder Staubgemische entstehen können.

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