„Am Ende soll alles grün sein“

Interview mit Thorsten Krug und Oliver Franke von Planting

Trotz vieler geplanter Projekte für eine nachhaltigere Chemieindustrie stockt deren Umsetzung. Woran das liegt und welche Rolle Energieversorgung und digitale Tools spielen, erklären Thorsten Krug und Oliver Franke vom Planungsdienstleister Planting.

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Background of mechanical engineering drawings, industry, educati
Background of mechanical engineering drawings, industry, education
Thorsten Krug ist seit 13 Jahren bei Planting und hat in dieser Zeit verschiedene Stationen im Unternehmen durchlaufen. Als studierter Chemieingenieur war er zunächst als technischer Mitarbeiter in Projekten tätig, dann unter anderem lange Standortleiter in Köln und hat seit zwei Jahren die operative Gesamtverantwortung, die er sich als CEO mit Oliver Franke teilt.
Thorsten Krug ist seit 13 Jahren bei Planting und hat in dieser Zeit verschiedene Stationen im Unternehmen durchlaufen. Als studierter Chemieingenieur war er zunächst als technischer Mitarbeiter in Projekten tätig, dann unter anderem lange Standortleiter in Köln und hat seit zwei Jahren die operative Gesamtverantwortung, die er sich als CEO mit Oliver Franke teilt.

CT: Inwiefern hat sich Ihr Projektgeschäft mit Blick auf die Wasserstoffwirtschaft verändert?
Thorsten Krug: Wasserstoffprojekte laufen in der Abwicklung grundsätzlich ähnlich ab wie andere Projekte in der Chemieindustrie. Wir sprechen über vergleichbare Projektphasen und Betriebseinheiten. Der große Unterschied liegt in der Dimension: Bei Elektrolyse-Anlagen etwa steigen die Investitionen schnell, gerade wenn man über 100-MW-Anlagen spricht. Bei so großen Investitionen und langen Projektlaufzeiten, etwa 36 Monate, ist eine detaillierte Vorplanung zwingend nötig – inklusive umfassender Risikoanalysen, weil der wirtschaftliche Betrieb langfristig sichergestellt werden muss. Hinzu kommen regulatorische Unsicherheiten, die wir aktuell im Markt beobachten und die zu Zurückhaltung bei Investitionen führen.
Oliver Franke: Und dabei sind die genannten 36 Monate Projektlaufzeit eher die Untergrenze – wenn nicht noch Infrastrukturkomponenten wie Windparks mitgeplant werden müssen, um den Strom für die Elektrolyse zu erzeugen. Es ist zu beachten, dass wir hier von Greenfield-Projekten sprechen. Dann scheitert die Zeitplanung oft schon an Genehmigungen. Ein Jahr ist schnell verstrichen, bevor überhaupt klar ist, ob sich ein Standort eignet, ob ausreichend Wasser verfügbar ist oder ob Naturschutz-Auflagen greifen. Ein großer Teil der Zeit geht in das Prüfen der Aufstellungssituation, und dann benötigt man noch zwei Jahre, um den Bau einer Anlage zu planen, auszuschreiben, zu vergeben und zu realisieren.

CT: Wie hoch ist der Anteil an Greenfield-Projekten bei Wasserstoffanlagen?
Krug: Bei Elektrolyseuren handelt es sich überwiegend um Greenfield-Projekte, die als komplette Pakete neu geplant und in bestehende Werke eingebunden werden. Aber Wasserstoffprojekte sind ja nicht ausschließlich gleichzusetzen mit dem Bau von Elektrolyseuren. Denn es gibt auch Projekte, bei denen Erdgas durch Wasserstoff ersetzt werden soll – und das ist ganz klar Brownfield. Da existieren Bestandsanlagen, die angepasst werden müssen.
Franke: Gerade bei Raffinerien sehen wir das häufig. Dort fällt sogenannter grauer Wasserstoff an, der genutzt wird, um fossile Energieträger zu ersetzen. Das sind dann klassische Brownfield-Vorhaben, die mit einem Elektrolyseur an der Küste nicht zu vergleichen sind, weil ganz andere Anforderungen bestehen.

Oliver Franke ist ebenfalls seit 13 Jahren bei Planting und bezeichnet sich als „Kind des Anlagenbaus“. Der studierte Chemieingenieur plant seit über 30 Jahren Anlagen und war in seiner Vergangenheit auch für die Ausführung verantwortlich. Anschließend hat er als Leiter den Standort Rhein-Neckar von Planting aufgebaut, bevor er dann 2020 als technischer Geschäftsführer in die Geschäftsführung wechselte.
Oliver Franke ist ebenfalls seit 13 Jahren bei Planting und bezeichnet sich als „Kind des Anlagenbaus“. Der studierte Chemieingenieur plant seit über 30 Jahren Anlagen und war in seiner Vergangenheit auch für die Ausführung verantwortlich. Anschließend hat er als Leiter den Standort Rhein-Neckar von Planting aufgebaut, bevor er dann 2020 als technischer Geschäftsführer in die Geschäftsführung wechselte.

CT: Welche technologischen Besonderheiten bringt der Energieträger Wasserstoff mit sich?
Franke: Zwei Dinge: Erstens die Diffusionsdichtheit, weil Wasserstoff als kleinstes Molekül besonders leicht austritt. Und zweitens das Thema Versprödung – Materialien müssen so ausgelegt sein, dass sie über die gesamte Lebensdauer stabil bleiben. Hinzu kommt, dass Wasserstoff meist unter hohem Druck gespeichert oder transportiert wird, was ein erhöhtes Sicherheitsrisiko mit sich bringt.
Krug: Und auf wirtschaftlicher Seite bleibt die Unsicherheit: Die Herstellungskosten für grünen Wasserstoff variieren je nach Quelle zwischen 50 Cents und 6 Euro pro Kilogramm. Diese Variabilität in den Kosten schreckt vermutlich auch viele Investoren ab.

CT: Wie groß sind die geplanten Anlagen in der Praxis?
Franke: Wir sehen sowohl kleinere Anlagen mit 10 MW als auch große Elektrolyseure im Bereich von 100 MW. Der Begriff Pilotanlage ist oft missverständlich – viele Kunden pilotieren eigentlich nur das Einbinden in ihren Prozess. Der Aufwand und die Risiken sind trotzdem hoch, denn jede neue Anlage greift in bestehende Strukturen ein und muss in diese integriert werden.
Gerade die hohen Stromverbräuche bei der Elektrolyse bedeuten, dass beim Aufstocken der Elektrolyseurkapazität sehr viel mehr Kabel, Schaltanlagen und Trafoleistung notwendig sind. Darum sollten Unternehmen sich überlegen, was für einen Ausbau sie langfristig planen, auch wenn sie zunächst mit wenigen Megawatt Leistung starten wollen.
Krug: Der modulare Aufbau der Anlagen ist dabei ein Vorteil. Viele Projekte beginnen bewusst im kleinen Maßstab, sammeln Betriebserfahrung und bauen dann weitere Elektrolysestacks dazu.

CT: Welche Rolle spielen erneuerbare Energien bei diesen Projekten?
Franke: Eine große. Beispielsweise haben wir Kunden, die einen Chemiepark haben und auf uns zukommen, weil sie beschlossen haben den gesamten Standort zu defossilisieren. Und zwar nicht nur durch Solaranlagen, sondern auch durch Windenergie. Aber gerade in städtischen Regionen – wo Chemieparks oft liegen – ist es schwierig, ein etwa 60, 80 oder 100 m hohes Windrad unterzubringen. Die Integration solcher Komponenten ist eine Herausforderung – technisch, logistisch und genehmigungsrechtlich.

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CT: Was versteht Planting unter „Green Engineering“?
Krug: Wir haben früh damit begonnen, uns auf technisches Consulting auszurichten, das heißt wir beraten unsere Kunden frühzeitig in Bezug auf Nachhaltigkeit und das Heben von Energiepotenzialen – oft schon auf der Werksebene. Dabei geht es etwa um CO₂-Bilanzen, Stoff- und Energieströme. Wir nennen das Green Engineering, weil es über klassisches Basic Engineering hinausgeht. Daraus entwickeln wir konkrete Einzelprojekte. Dabei geht es erstmal darum, Daten zu sammeln, um sich bewusst zu machen, wo wie viel Energie verbraucht wird und dann zu schauen, was ersetzt werden kann.
Franke: Ein Beispiel: Wir arbeiten mit Energieversorgern zusammen, die ihren Kunden den Einbau von Wärmepumpen anbieten. Wir übernehmen in solchen Fällen die energetische Bewertung und Systemintegration – also das Einbinden der Wärmepumpe in den Kundenprozess. Der Energieversorger finanziert den Einbau und lässt sich die Kosten durch den Bezug von Energie rückvergüten. Der Begriff Green Engineering soll bedeuten, dass am Ende alles grün sein soll, also alle Energieformen ohne fossilen Ursprung auskommen sollen.

CT: Wie steht es um Energiespeicher – insbesondere für die Dunkelflaute?
Franke: Batteriespeicher werden durchaus mitgeplant, sind aber bei industriellen Leistungen kaum realisierbar. Ein Chemiebetrieb mit einem Spitzenverbrauch von 120 MW lässt sich nicht aus Batterien versorgen. Deshalb setzen die meisten Kunden auf Fallback-Positionen wie Gaskraftwerke, die schnell hochlaufen. Speicher sind im industriellen Maßstab nach wie vor selten, der Mix aus Eigenstrom, Netz und Reservekraftwerk ist realistischer.

Wasserstoffprojekte sind nicht ausschließlich gleichzusetzen mit dem Bau von Elektrolyseuren.
Wasserstoffprojekte sind nicht ausschließlich gleichzusetzen mit dem Bau von Elektrolyseuren.

CT: Wie beeinflussen die regulatorischen Vorgaben Ihre Projekte?
Krug: Nachhaltigkeit und EU-Taxonomie müssen immer mitgedacht werden. Die Kunden fokussieren sich auf ihr Kerngeschäft und übertragen die Projektverantwortung zunehmend auf EPCM-Kontraktoren. Das erfordert von uns als Dienstleister eine entsprechend strukturierte Prozess- und Organisationslandschaft.
Franke: Und auch technologisches Neuland: Viele dieser Anlagenprojekte bewegen sich abseits der Kernkompetenz unserer Kunden. Da erwarten sie von uns, dass wir das Projekt in Eigenverantwortung entwickeln und umsetzen.

CT: Welche Rolle spielen digitale Werkzeuge bei der Projektplanung?
Franke: Im kommunalen Bereich ist die Methodik Building Information Modeling für den Aufbau eines digitalen Zwillings fast Standard, da es dort gesetzliche Vorgaben dazu gibt. In der Industrie hingegen liegt die Entscheidung meist beim Kunden. Wenn wir ein Projekt digital abbilden, übernehmen wir häufig auch das Model Owning und das cloudbasierte Datenmanagement. Aber in dem Multi-Krisen-Modus, in dem wir uns seit fünf Jahren befinden, sparen Industriekunden an einem zuerst: den Tools, weil sie nicht direkt den Output sehen. Dabei führt der Verzicht auf diese Technologien zu längeren Projektlaufzeiten.
Krug: Wir haben eine eigene Einheit aufgebaut, die sich ausschließlich um Lizenzen, digitale Arbeitsplätze und Softwarepflege kümmert. Der Return of Investment ist oft schwer messbar – darum scheuen viele Unternehmen diese Ausgaben. Dabei zeigen gerade kommunale Projekte, wie effizient sich digitale Tools einsetzen lassen.

CT: Profitieren Ihre Kunden in der Chemie von Ihrer Erfahrung aus anderen Branchen?
Krug: Ja, da wäre zum einen das gerade erwähnte Building Information Modeling mit dem wir bei kommunalen Projekten gute Ergebnisse erzielen. Zum anderen die in der Pharmaindustrie weit verbreitete modulare Planung, wovon auch Chemiekunden profitieren. Wir nutzen die Methoden branchenübergreifend und etablieren ein zentrales Wissensmanagement.
Franke: Das Laserscanning aus der Chemie findet heute Anwendung bei Umbauten auch zum Beispiel in Laboren. Die daraus entstehenden 3D-Modelle sind die Grundlage für Virtual oder Augmented Reality, was Kunden wiederum für Schulungen für Bediener einsetzen. Das spart Zeit und verbessert die Sicherheit. Diese virtuellen Anlagenmodelle können auch für die vorausschauende Wartung genutzt werden.

CT: Wie blicken Sie auf die zukünftige Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft und nachhaltiger Chemieanlagen?
Krug: Die Unsicherheiten im ersten Halbjahr 2025 waren groß, aber meine Hoffnung ist, dass mit den Infrastrukturpaketen der neuen Bundesregierung in Deutschland das Volumen an umzusetzenden Projekten im zweiten Halbjahr steigen wird. Auch wenn der Chemiemarkt aktuell nicht wächst, denke ich, dass die Transformation der Industrie eine steigende Zahl an Projekten für uns als Dienstleister bedeutet.
Franke: Das Wasserstoffnetz entsteht, die Knotenpunkte werden gebaut, und die Projekte nehmen Fahrt auf. Die Herausforderung wird sein, dass die Investitionszusagen jetzt auch weitergehen. Denn Unsicherheiten durch die neue Regierung in Deutschland und die weltpolitische Lage haben die Projektplanung in die Länge gezogen. Die meisten Wasserstoffprojekte stecken in einer Phase vor der konkreten Umsetzung, ich gehe davon aus, dass diese im zweiten Halbjahr 2025 voranschreiten werden.
Beim Thema nachhaltige Chemie, trenne ich in Groß- und Feinchemie. Erstere wird sich wohl weiter aus Deutschland zurückziehen, weil es nicht wirtschaftlich vertretbar ist, hier große Anlagen zu betreiben oder gar neu zu bauen. Aber im Bereich Feinchemie und für modulare Kampagnenanlagen gibt es enormes Potenzial. Dafür braucht es Planungsdienstleister, die wissen wie sie eine Anlage schnell umplanen.

CT-Fokusthema Wasserstoff

(Bild: Corona Borealis – stock.adobe.com)

In unserem Fokusthema informieren wir Sie zu allen Aspekten rund um das Trendthema Wasserstoff.

  • Einen Überblick über die ausgewählten Artikel zu einzelnen Fragestellungen – von der Herstellung über den Transport bis zum Einsatz von Wasserstoff – finden Sie hier.
  • Einen ersten Startpunkt ins Thema bildet unser Grundlagenartikel.

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