Die Sensoren überwachen auch die Motoren von zwei rund 4 km vom Werk entfernten Rückführwasserpumpen.

Die Sensoren überwachen auch die Motoren von zwei rund 4 km vom Werk entfernten Rückführwasserpumpen. (Bild: Ciech Soda Deutschland)

  • Der etwa scheckkartengroße Sensor liefert Informationen zu Betriebs- und Zustandsparametern der Motoren.
  • Ungewöhnliche Ereignisse werden auch außerhalb der regulären Wochenarbeitszeit aufgezeichnet.
  • Tritt ein Problem auf, kann es am nächsten eingeplanten Reparaturtag behoben werden.

Soda ist eine der grundlegendsten Industriechemikalien und wesentlicher Bestandteil vieler Produkte, die im täglichen Leben verwendet werden wie Glas oder Waschmittel aber auch Natriumquelle für die Herstellung von Pharmazeutika – um nur einige Anwendungen zu nennen. Der polnische Konzern Ciech gehört zu den größten Sodaproduzenten in Europa. In Stassfurt in Sachsen-Anhalt stellt ein Tochterunternehmen des Chemiekonzerns, Ciech Soda Deutschland, calciniertes Soda und Natron her.
Ralf Gurn ist Leiter des Instandhaltungsbereichs Elektrotechnik, Mess- und Regeltechnik am Standort. Sein besonderes Augenmerk gilt dort unter anderem großen Motoren mit Leistungen von über 90 kW. Entstehen bei ihnen Probleme, muss er diese rechtzeitig erkennen. Denn kommt es an einem Großmotor durch einen Lagerschaden zu einem Totalausfall, wird die Wiederbeschaffung sehr teuer. Motoren mit einem beginnenden oder leichten Lagerschaden will er rechtzeitig für eine Reparatur austauschen können und nicht erst, wenn der Rotor bereits aufgesetzt und das Blechpaket zerstört hat.

„Eine zustandsbasierte Instandhaltung setzt voraus, dass man den Zustand auf irgendeine Weise erfassen kann. Die Kontrollzeiten durch Wartungspersonal sind in der Industrie immer größer geworden“, erklärt Gurn. „Früher haben die Anlagenfahrer noch regelmäßig Kontrollgänge gemacht, bei denen sie eine Geräuschentwicklung an Motoren mitbekommen haben. Heute sind Aufgaben und Anlagen umfangreicher und damit die Zyklen der Kontrollen unter Umständen wesentlich länger.“

Ciech Soda Deutschland stellt in Stassfurt calciniertes Soda und Natron her
Ciech Soda Deutschland stellt in Stassfurt calciniertes Soda und Natron her – ... (Bild: Ciech Soda Deutschland)
Sensoren von ABB liefern Zustandsdaten von sechs Motoren der Vakuumpumpenstation.
... Sensoren von ABB liefern Zustandsdaten von sechs Motoren der Vakuumpumpenstation. (Bild: Ciech Soda Deutschland)

Sensoren liefern verwertbare Informationen

Der Instandhaltungsleiter hat deshalb vor etlichen Jahren einige große Motoren an prägnanten Stellen mit drahtgebundenen Sensoren für die Zustandsüberwachung ausgerüstet. In einem Referenzlauf wurde das intakte Lager bei laufendem Motor eingelesen und der gemessene Wert als Normalwert gespeichert. Das System erforderte außerdem eine Spannungsversorgung und eine drahtgebundene Alarmkette in die Leitwarten und war mit Installationsaufwand verbunden. Der ABB Ability Smart Sensor für Motoren inklusive einer möglichen Online-Datenübertragung war eine interessante Alternative.

Der etwa scheckkartengroße Sensor liefert Informationen zu Betriebs- und Zustandsparametern der Motoren wie Vibrationen, Temperatur oder auch daraus berechnete Indikatoren wie den Lagerzustand. Er wird direkt am Gehäuse der Motoren angebracht. Eine aufwendige Verdrahtung ist nicht erforderlich. Zustandsinformationen werden per Smartphone oder bluetooth-basiertem Gateway gesammelt und über das Internet an einen sicheren cloudbasierten Server geleitet. Die Daten werden dort mit einer speziell entwickelten Software analysiert und dem Anlagenbetreiber als verwertbare Informationen zur Verfügung gestellt, damit er seine Wartung planen kann.


Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn

Ein erster Test mit den smarten Sensoren wurde im Herbst 2018 in Stassfurt an einem Motor in der Vakuumpumpenstation durchgeführt. Nachdem der Test positiv ausfiel, wurden im zweiten Quartal 2019 fünf weitere Motoren in der Station mit den Sensoren ausgestattet. Die Motoren – zwei 315-kW- und vier 250-kW-Motoren – treiben Filtervakuumpumpen an, um ein nasses Vorprodukt in der Sodaproduktion mittels Trommel- beziehungsweise Bandfilter über ein Vakuum zu entwässern.

Mit den Sensoren werden darüber hinaus zwei Pumpenmotoren in einer Wasserrückführungsanlage überwacht, die einige Kilometer außerhalb des Werksgeländes liegt. „Die Anlage ist in der Arbeitswoche fünf Tage zu je acht Stunden besetzt. An Wochenenden, Feiertagen oder nach der regulären Wochenarbeitszeit führen die Bereitschaftsdienste sporadisch Kontrollfahrten durch. Deshalb haben wir auch diese Motoren mit den Sensoren ausgerüstet“, erläutert Gurn.

Ein Abfallprodukt bei der Sodaherstellung ist die Endlauge – sedimenthaltiges Wasser mit Kalk- und Gips­anteilen. Diese wird vom Gelände des Sodawerks über eine rund 4 km lange Rohrleitung in ein Absetzbecken gepumpt, in dem die absetzbaren Stoffe vom Wasser getrennt werden. Das sedimentfreie Wasser gelangt anschließend über ein Drainagesystem in ein benachbartes Rückhaltebecken. Der Wasserstand im Rückhaltebecken darf nach einer behördlichen Vorgabe eine bestimmte Höhe nicht überschreiten. Um diese Vorgabe einzuhalten, wird das abgesetzte Wasser mithilfe zweier Pumpen wieder ins Werk zurückgepumpt. Die beiden 6-kV-Motoren von ABB leisten 355 kW. Die Datenübertragung erfolgt wie in der Vakuumpumpenstation online über Bluetooth-Router mit SIM-Karte.


Von Pull- zu Push-Benachrichtigungen

Die Sensoren wurden anfänglich über die entsprechende Smartphone-App vor Ort ausgelesen. Das erwies sich aber für eine Dauerlösung als zu aufwendig. Hinzu kam, dass die Zeitabstände für die Auslesung unter Umständen sehr lang waren. Dazu Ralf Gurn: „Wenn der Sensor länger nicht ausgelesen wird, sind die Datenmengen recht groß. Ich bin mitunter eine Stunde im lauten Pumpenhaus gestanden, um die sechs Pumpenmotoren auszulesen. Uns war es wichtig, Meldung zu bekommen, wenn ein Problem auftritt und nicht in einem Drei-Wochen-Rhythmus, bei dem man möglicherweise nicht mitbekommt, wenn zwischendurch etwas passiert. Im ersten Halbjahr 2020 haben wir uns mit der Online-­Erfassung und Datenübertragung in die Cloud beschäftigt und uns für eine kontinuierliche Online-Überwachung aller sechs Motoren mittels Bluetooth-Routern als Gateway entschieden – einen Router für die sechs Vakuumpumpenmotoren sowie je einen für die beiden Motoren der Wasserrückführungsanlage.“

Mehrere Parameter können gleichzeitig visualisiert werden beispielsweise eine steigende Temperatur bei ähnlich verlaufender Vibration.
Mehrere Parameter können gleichzeitig visualisiert werden beispielsweise eine steigende Temperatur bei ähnlich verlaufender Vibration. (Bild: Ciech Soda Deutschland)

Besonders interessieren den Instandhaltungsspezialisten die Messdaten zu Vibration, Lagerzustand und Oberflächentemperatur. Für jeden Motor ist ein Warn- und Alarmschwellenwert für diese kritischen Parameter vorgegeben. Wird ein Schwellenwert überschritten, bekommen die berechtigten Benutzer eine Warn- oder Alarmmeldung auf ihr Smartphone geschickt.

Erreicht Ralf Gurn beispielsweise eine Warnmeldung über eine erhöhte Oberflächentemperatur, schickt er einen Kollegen zum Motor, um die Situation zu bewerten. Bei einem dieser Serviceeinsätze wurde festgestellt, dass ein verunreinigtes Lüftergehäuse die Ursache für die Warnung war. In einem anderen Fall hatte ein verschobener Antriebsriemen zwischen dem Motor und der Vakuumpumpe eine Warnmeldung ausgelöst.


Eingeplante Reparaturtage

„Ich als Instandhalter muss neben der Anlagenverfügbarkeit immer auch die kaufmännische Seite im Blick haben. Die smarten Sensoren von ABB helfen, teure Schäden zu verhindern. Schließlich kann ein nicht rechtzeitig bemerkter Lagerschaden an einem großen Motor den Totalausfall und einen Neukauf zur Folge haben, der mehrere zehntausend Euro kosten kann“, betont Ralf Gurn.

Instandhaltungsarbeiten erfolgen bei Ciech Soda Deutschland an festgelegten Tagen, an denen die Produktion reduziert wird. Deutet sich an einem Motor ein Problem an, kann für den nächsten eingeplanten Reparaturtag ein Reservemotor vorbereitet und der Wechsel durchgeführt werden. Bei Motoren ohne sensorgestützte Überwachung hat Ralf Gurn diese Planungssicherheit nicht. Fällt dann ein Motor überraschend aus, würde der Stillstand viel länger dauern, erst recht, wenn der Ausfall außerhalb der wochentäglichen Arbeitszeiten geschieht.

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